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Das Gehirn ist zu schlau: Warum wir uns nicht selbst kitzeln können

von Silvia Weber
Menschen, die verzweifelt versuchen, sich selbst zu kitzeln, die sich mit komischen Apparaten, Brillen und Helmen ausstaffiert gegenübersitzen und hysterisch lachen: So sieht der Labor-Alltag mancher Neurowissenschaftler aus. Diese Forscher wollen endlich die Wahrheit über das Kitzeln und das Gekitzeltwerden herausfinden. Und damit etwas über unser Bewusstsein und unsere Selbstwahrnehmung.

Eine der bekanntesten Kitzelforscherinnen ist Sarah-Jayne Blakemore von der University of London. Ihre Theorie lautet: Wann immer wir unsere Gliedmaßen bewegen, sagt das Kleinhirn die Folgen der Bewegungen voraus und sendet die Anweisung an andere Hirnzentren, die sich daraus ergebenden Wahrnehmungen zu ignorieren. Das Gehirn ist sich selbst immer einen Schritt voraus, auch dann, wenn wir uns selbst kitzeln.

Die Theorie: Wir sind vor allem dann kitzlig, wenn wir überrascht werden.

Blakemore stellte sich die Frage, ob man das Gehirn austricksen kann und erfand eine Maschine, die Probanden steuern und sich so selbst kitzeln können. Die Berührung erfolgte damit nicht über die eigenen Gliedmaßen. Je verzögerter die ausgelösten Impulse ausfielen, desto kitzliger waren die Versuchsteilnehmer. Das Experiment war damit zumindest ansatzweise geglückt.

Doch Blakemore ist nicht die Einzige, die sich Apparaturen ausdenkt, um das Gehirn in die Irre zu führen. Ein anderes Forscherteam versuchte zum Beispiel, die Fußbewegungen von Probanden über magnetische Gehirnstimulation zu steuern, so dass die Hände der Versuchspersonen gegen deren Willen ihre Füße kitzelten. Das Experiment bestätigte die Theorie, dass wir vor allem dann kitzlig sind, wenn wir überrascht werden.

Auch der Psychologe George Van Doorn von der Federation University in Australien stellte sich die Frage, ob wir uns selbst kitzeln können, wenn das Gehirn nicht mehr vorhersagen kann, was die eigenen Hände gleich tun. Mittels einer Körpertausch-Illusion täuschte er die Sinne seiner Probanden dahingehend, dass diese nicht mehr wussten, ob sie von ihrer eigenen Hand oder von der ihres Gegenübers gekitzelt wurden. Doch die Gehirne der Teilneher fielen auf den Trick nicht herein. Van Doorn glaubt deshalb, dass beim Selbstkitzeln das Prinzip der aktiven Inferenz in Kraft tritt. Es besagt, dass das menschliche Gehirn anhand früherer Erfahrungen wahrscheinliche Ergebnisse prognostiziert. Ist nichts Schlimmes zu erwarten, werden Sinneseindrücke abgeschwächt wahrgenommen. Es bedarf also noch wahrscheinlich weiterer kurioser Versuchsanordnungen, um die endgültige Wahrheit übers Kitzeln herauszufinden. 

Die Einzigen, die sich selbst kitzeln können, sind Menschen, die an Schizophrenie leiden.

Worin sich Forscher einig sind: Die Einzigen, die sich selbst kitzeln können, sind Menschen, die an Schizophrenie leiden. Dafür werden neurologische, biochemische oder strukturelle Veränderungen im Gehirn verantwortlich gemacht, wodurch die erfahrene Berührung beim Kitzeln nicht mit der zuvor ausgeführten Bewegung in Verbindung gebracht werden kann. Bleibt noch eine letzte Frage: Warum lachen wir so hysterisch, wenn uns jemand kitzelt? Auch dafür hat die Wissenschaft zwei verschiedene Erklärungen.

Grundvoraussetzung beider Theorien ist die Annahme, dass unsere Reaktion aufs Gekitzeltwerden aus der Vorzeit stammt. Werden wir an empfindlichen Körperstellen wie Bauch, Taille oder Fußsohlen berührt, signalisiert das Gehirn Gefahr. An dieser Stelle scheiden sich die Geister der Forscher. Die einen glauben, dass sich mit dem anschließenden Gelächter die Anspannung in Erleichterung auflöst. Die anderen sehen das Lachen als einen Ausdruck des Ergebens gegenüber dem Feind. 

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