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Ein Drittel der Menschheit kann die Milchstraße nicht mehr sehen

von WIRED Staff
Unser Planet ist so gut ausgeleuchtet wie nie zuvor. Weite Teile der Erde sind inzwischen auch nachts so hell, dass man die Milchstraße nicht mehr erkennen kann. Welche Auswirkungen diese Überbelichtung auf die Gesundheit von Menschen und Tieren hat, bleibt bislang fast unerforscht. Eine Forschungsgruppe, an der auch deutsche Forscher aus Potsdam und Berlin beteiligt sind, hat jetzt erstmals das weltweite Ausmaß der Lichtverschmutzung gemessen und daraus eine Karte erstellt.

80 Prozent der Weltbevölkerung lebt bereits unter einem Himmel, der auch nachts beleuchtet ist. In Europa sind es sogar 99 Prozent. Ein Drittel der Weltbevölkerung kann die Milchstraße nicht mehr erkennen (auf der Karte sind diese Gebiete gelb und rot markiert). Das sind die Ergebnisse einer Forschungsprojekts zur globalen Lichtverschmutzung, das Forscher aus den USA, Italien, Israel und Deutschland gerade veröffentlicht haben.

Ihre Ergebnisse haben sie nicht nur als Paper im Wissenschaftsmagazin Science Advances publiziert, sondern als interaktive Weltkarte zugänglich gemacht und es ist leicht, sich darin zu verlieren, wenn man es schon nicht im Sternenhimmel tun kann. „New World Atlas of Artificial Sky Brighness“ ist die erste weltweite Messung des Phänomens seit 2001.

In Deutschland sind, wie man es erwarten würde, vor allem die großen Städte als rote Flecken in die Karte eingebrannt, jede mit einem gleißend gelben Rand. Der größte zusammenhängende rote Flatschen ist allerdings ein durchgehend erleuchtetes Dreiländereck zwischen dem Ruhrgebiet, Belgien und den Niederlanden.

Während um Berlin, Hamburg oder München wenigstens noch einige grün-blaue Zonen der Sternensichtbarkeit auszumachen sind, braucht man zwischen Amsterdam, Den Haag, Brüssel und Köln offenbar gar nicht mehr erst den Blick zu heben. Es sieht aus wie eine allergische Reaktion, bei der einzelne Punkte längst zu einer großen roten entzündeten Fläche zusammengewachsen sind. Nur von Kairo aus, so das Forschungspapier, muss jemand eine noch weitere Strecke zurücklegen, um die Milchstraße sehen zu können.

Die nächstgelegenen grauen Bereiche (das sind Regionen, in denen die Lichtverschmutzung weniger als ein bis zwei Prozent über dem natürlichen Nachtlicht liegt) liegen von Deutschland aus gesehen irgendwo zwischen Vilnius und Kiew, selbst die Alpen werden von Süddeutschland, Österreich und Norditalien aus derart gut ausgeleuchtet, dass kein Fleckchen grau übrig bleibt.

Dass eine relevant große Zahl von Menschen die Schönheit der Milchstraße nicht mehr persönlich erleben kann, ist sicher ein kultureller Verlust, den man aber noch verschmerzen kann. Schließlich haben wir ein paar hundert Jahre Literaturgeschichte aus schlechter ausgeleuchteten Zeiten zu Verfügung, die die Sterne preist. Das künstliche Licht verdeckt uns aber nicht nur den Blick auf die Sterne, es beeinflusst auch die Gesundheit von Menschen und Tieren und das Zusammenwirken ganzer Ökosysteme.

Künstliches Licht wirkt sich auf unsere Stoffwechselprozesse und auf die Produktion von Hormonen aus, nachts stört es den Regenerationsprozess des Körpers, auch die genetische Aktivität einzelner Zellen wird davon beeinflusst, fanden Foscher der University of Connecticut und der Yale University heraus. Zahlreiche Studien untersuchen derzeit, wie die veränderte Lichtsituation mit der Entwicklung von Diabetes, Übergewicht, Depressionen oder Krebs zusammenhängt. Noch ist das nicht bewiesen, aber dass die lebenslange nächtliche Ausleuchtung unsere Körper verändert, gilt inzwischen unter Wissenschaftlern als gesetzt.

Dass der erhöhte Kohlendioxidausstoß und der Klimawandel das Leben auf der Erde gefährdet, ist inzwischen den meisten klar, sofern sie nicht die Stichhaltigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse per se in Frage stellen. Die Gefahr, die mit Lichtverschmutzung einhergeht, ist noch weniger erforscht. Dank der neuen Weltkarte wissen wir jetzt aber wenigstens, in welchem Ausmaß die Weltbevölkerung ihr schon heute ausgesetzt ist.

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