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Genmücken nehmen den Kampf gegen Zika auf

von Max Biederbeck
Forscher wollen Mücken zum Zerstörer ihrer eigenen Art machen und dadurch das Zika-Virus bekämpfen. Die Insekten sollen Teil der internationalen Anstrengungen gegen die Krankheit werden, nachdem die WHO den weltweiten Gesundheitsnotstand ausgerufen hat.

UPDATE, 8. August 2016: Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat am vergangenen Wochenende den ersten Test im Feld zugelassen: In den Florida Keys sollen im Labor gezüchtete Stechmücken helfen, ihre Zika in sich tragenden Artgenossen zu vernichten. Die Angst vor diesem Eingriff seitens der Bevölkerung ist nach wie vor groß, Kritiker befürchten unabsehbare Folgen für die Umwelt, manche vermuten gar eine Verschwörung hinter dem Test. Fakt ist: Die Erfolge, die das federführende Unternehmen Oxitec mit seinen Killer-Moskitos verspricht, übertreffen alles, was das Florida Keys Mosquito Control District bisher geschafft hat. Trotz einer Million Dollar jährlich und dem massenhaften Einsatz von Pestiziden sterben nur 30 bis 60 Prozent der Stechmücken. Die ganze Geschichte der Anti-Zika-Mücken lest ihr unten.

Ursprünglicher Artikel:
Es sind nur die Weibchen, die stechen. Deswegen, sagt Andrew McKemey, mache er die Männchen zur Waffe der Wahl. Er redet von Stechmücken, genauer gesagt von Aedes aegypti, der Tigermücke. Ganze Schwadronen an Polizisten und Freiwilligen jagen dieses Tier gerade. Im Schutzanzug sprühen sie in den Straßen von Rio de Janeiro mit Insektiziden um sich, kippen Flaschen und Eimer mit Wasser aus, alles um den Brutraum der Mücke zu zerstören. „Moskitos leben mit uns und sind Meister darin, sich vor uns zu verstecken. Wir werden sie so nie kontrollieren können“, sagt McKemey. Seit neun Jahren ist er Head of Field Operations beim britischen Unternehmen Oxitec und dafür zuständig, ganze Mücken-Populationen auszurotten. Jetzt ist Aedes aegypti in Brasilien dran.

Das Insekt überträgt das Zika-Virus, der Kampf dagegen ist auf Grund der schnellen Vermehrung kaum zu stemmen. Mittlerweile hat die WHO den weltweiten Gesundheitsnotstand ausgerufen. „Wir brauchen eine koordinierte internationale Überwachung zur Messung der Infektionen und zur Kontrolle der Moskito-Populationen“, sagt WHO-Geschäftsführerin Margret Chan. Forscher sind sich einig, dass das Zika-Virus vor allem durch Gelbfiebermücke und Tigermücke übertragen wird. (Es gibt aber auch Hinweise auf Übertragung durch Blut oder Geschlechtsverkehr.) Weil es global immer wärmer wird, breiten sich die Tiere explosionsartig auf der Welt aus. Sie übertragen beim Stechen das Virus, das oft unbemerkt bleibt. Wenn es Schwangere trifft, führt es aber vermutlich zu schweren Behinderung bei Neugeborenen. Mehr als 4000 Fälle gibt es bisher.

Vielleicht sollten gar nicht Menschen gegen Aedes aegypti kämpfen — sondern Aedes aegypti selbst. „Wir haben einen andere Methode ohne Pestizide, ohne unerwünschte Nebenwirkungen und umweltfreundlich“, sagt McKemey. Und hier kommt der insektische Geschlechterkampf ins Spiel.

Ein Virus mit Medikamenten zu bekämpfen, einen aufwändigen und teuren Impfstoff zu entwickeln, auf jede Mutation reagieren zu müssen, das alles wollen Forscher wie er umgehen, indem sie die Gefahr dort eliminieren, wo sie herkommt — beim Überträger. Das Ziel lautet, Mücken so zu manipulieren, dass sie sich selbst zerstören oder nicht mehr als Wirt für einen Virus wie Zika dienen können. Sie nutzen dazu einen Ansatz, den WIRED US einmal als „Genesis Engine“ bezeichnet hat: CRISPR.

CRISPR ist eine bahnbrechende Methode, um den Code in Genen umzuschreiben. Er ist so viel versprechend, dass in England sogar Versuche an menschlichen Embryonen zugelassen wurden. Das Francis Crick Institute in London will mit ihm DNA so zuschneiden, dass potenziell gefährliche und für Missbildungen verantwortliche Stücke nicht mehr vorkommen.

Dazu gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens können die Mücke mit einem künstlichen Gen ausgestattet werden, dass sie daran hindert, erwachsen zu werden. Oxitec forscht schon seit 2009 an genmanipulierten Mücken, die so ihre eigene Population ausrotten. Unter Laborbedingungen werden sie gezüchtet, dann freigelassen. „Wir brauchen mehr manipulierte Männchen als natürliche Weibchen in der Natur“, sagt McKemey. Rund 100 Millionen von ihnen hat das Unternehmen seitdem freigelassen.

In der Natur paaren sie sich und die Weibchen bringen eine neue Generation zur Welt. Die allerdings kommt nicht mehr über die Pubertät hinaus. Eine nächste Generation wird es nicht mehr geben. Ähnliche Ergebnisse wurden bei anderen Schädlichen schon früher mit Strahlung erreicht, der Gen-Ansatz schaffe es ganz ohne Nebenwirkungen für die Natur. Der andere Ansatz besteht daraus, die Mücken so zu manipulieren, dass ein Erreger sie nicht mehr als Wirt nutzen kann. Anthony James von der Irvine University veränderte schon 2012 Anopheles-Mücken so, dass sie Antikörper gegen den Malaria-Erreger entwickelten, den sie selbst trugen.

Dank CRISPR müssen sich Forscher dabei nicht mehr auf zufällige Vererbung verlassen, sondern können die DNA ganzer Populationen in kürzester Zeit verändern — ein so genannter „Gen Drive“.

„Sprühen kann Populationen nur um 30 bis 50 Prozent reduzieren, Mückennetze bieten bei tagaktiven Gelbfieber-Moskitos keinen Schutz“, sagt McKemey. Der eigene Ansatz hingegen reduziere die Population um mehr als 90 Prozent. Mücken gegen Mücken, das habe schon in der Vergangenheit funktioniert. Oxitec ließ zu Beginn seiner Versuche Insekten auf den Kaiman-Inseln, Brasilien und Panama frei. In ihnen ein Gen, dass sie zeugungsunfähig machte. Der Versuch funktionierte, die Denge-Fieber-Verbreitung wurde gestoppt.

Dementsprechend begeistert zeigt sich das Unternehmen von seinen eigenen Erfolgen. Bei ersten Test seien beeindruckende Ergebnisse erzielt worden, die Mücke in Piracicaba in der Nähe von Sao Paulo zu beseitigen. „Und das trotz der Regensaison“, sagt McKemey. Jetzt soll er ausgebreitet werden, indem mehr manipulierte Mücken freigelassen werden. Sogar eine eigene Fabrik soll es geben, die einen Schwarm von Antikörper-Moskitos herstellt, die dann zwischen 300.000 und einer Millionen Menschen schützen soll.

Aber es gibt bei aller Begeisterung auch Kritik. Kevin Esvelt vom Wyss-Institut in Cambridge forscht selbst an Gene Drives. In der Zeitschrift Science warnte er, die Veränderungen könnten sich schnell in der Natur verbreiten und außer Kontrolle geraten. Es gehe hier um wissenschaftliche Versuche und nicht darum, wie „sorglose Cowboys“ vorzugehen. McKemey sieht das anders. Im Gegensatz zu Genmanipulation etwa von Pflanzen zerstöre sich das Gen in der Natur von selbst, indem es mit den paarungsunfähigen Mücken zu Grunde gehe.

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