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Warum der March for Science weltweit Wissenschaftler bewegt

von Anna Schughart
Vor allem in den USA aber auch in vielen anderen Ländern der Welt gehen Menschen für die Wissenschaft auf die Straße. An diesem Wochenende zum Beispiel. WIRED hat mit einem der Organisatoren des Berliner March for Science gesprochen und klärt die wichtigsten Fragen.

Worum geht es beim March for Science?
Die Idee kommt aus den USA. Die Demonstranten wollen zeigen, dass Wissenschaft „eine Säule des menschlichen Friedens und Wohlstands ist“. Natürlich sind die Demonstrationen auch eine Reaktion auf Trump. Der amerikanische Präsident hat massive Budgetkürzung für die Wissenschaft angekündigt, ist generell kein Fan von Wahrheit oder Fakten und symbolisiert für viele eine wachsende „Anti-Wissenschafts“-Bewegung. Viele Wissenschaftler sehen durch die neue Regierung die Wissenschaft und das, wofür sie steht, bedroht. Aus einem einfachen Vorschlag bei Reddit, doch einen science march nach Washington DC zu organisieren, wurde so eine internationale Bewegung. Mittlerweile machen Länder aus der ganzen Welt mit. In Deutschland gibt es unter anderem Demos in Berlin, Köln, Hamburg und Frankfurt. (Alle Städte, die sich beteiligen, findet ihr hier). Eingeladen sind alle Wissenschaftsbegeisterte.

Aber in Deutschland betrifft uns Trumps Politik doch nicht. Warum wird hier trotzdem demonstriert?

„Die allgemeine Situation für die Wissenschaft in Deutschland ist relativ gut, die öffentliche Unterstützung relativ solide“, sagt Claudio Paganini. Er forscht am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam und ist Teil des Organisationsteams des Berliner March for Science. Doch für Paganini ist klar: Überall auf der Welt ist die Wissenschaft mit Problemen konfrontiert, auch in Deutschland. „Entsprechend hat sich die Bewegung extrem schnell auf der Welt verbreitet und auch von der spezifisch amerikanischen Thematik entkoppelt“, sagt Paganini.

 

Für was wird dann in Deutschland demonstriert?
Für Paganini gibt es mehrere Gründe, warum Wissenschaftler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftsbegeisterte auch in Deutschland am Samstag auf die Straße gehen sollten. Zum einen, um den Menschen zu verdeutlichen, dass ihr Alltag von Wissenschaft durchdrungen ist. Wissenschaft ist nicht die Anhäufung komplizierter und für den Alltag irrelevanter Fakten, sondern Grundlage für ganz viele Entscheidungen. „Es gibt kaum etwas, das wir heute tun, wo nicht irgendeine wissenschaftliche Arbeit drinsteckt“, sagt Paganini.

Zweitens: „Impfgegner, Gentechnikgegner, Klimawandel-Leugner sind kein rein amerikanisches Phänomen, die gibt es hier auch“, sagt Paganini. Die Wissenschaft müsse deshalb mehr dafür tun,  die Menschen zu erreichen und die Forschung besser zu kommunizieren: „Im Moment gibt es für einen jungen Wissenschaftler relativ wenig Anreize, sich in der Wissenschaftskommunikation zu engagieren“, sagt Paganini. Dabei müssten neue Technologien besprochen werden, die Chancen und Risiken von beispielsweise Nanotechnik, Gentechnik oder Atomkraft offen diskutiert werden.

Außerdem will der March for Science ein Zeichen der globalen Solidarität mit anderen WissenschaftlerInnen setzen. In der Türkei wurden nach dem Putschversuch beispielsweise zahlreiche Akademiker entlassen und verhaftet, in Ungarn versucht Ministerpräsident Orban die Central-European-University zu schließen.

Impfgegner oder Klimawandel-Leugner sind doch nichts Neues. Warum hat die Wissenschaftsgemeinschaft jetzt das Gefühl, etwas tun zu müssen?
„In den USA gab es noch nie eine so offen wissenschaftsfeindliche Regierung“, sagt Paganini.  Aber auch in Europa scheinen viele den Punkt erreicht zu haben, an dem sie sagen: „Jetzt müssen wir etwas unternehmen.“ Warum? „Die Antwort darauf ist komplex und wahrscheinlich haben viele Faktoren mitgespielt“, sagt Paganini. Er glaubt aber, die Demonstrationen könnten auch eine Reaktion auf die stärker werdenden rechtspopulistischen und autoritären Strömungen in Europa sein. Autoritäre Regime sind ja nicht unbedingt große Fans von offenen Diskussionen.

Aber sollte Wissenschaft nicht eigentlich neutral sein?
Es gibt auch kritische Stimmen zum March for Science. Manchen sind die Proteste nicht inklusiv genug, andere finden, dass Wissenschaftler sich nicht in die Politik einmischen sollten. Andere befürchten, dass ein Science March dem Ruf der Wissenschaft weiter schaden könnte. „Ich werde nicht zu dem March for Science gehen, weil manche Menschen in Amerika Wissenschaft als links betrachten“, sagt Nathan Gardner zu Nature. Auch wenn der March for Science kein Anti-Trump-March sei, wirkten die Demonstranten so.

„Wissenschaft ist per se politisch“, findet Paganini, „aber nicht partei-politisch. Sie ist nicht ideologisch motiviert.“ Das Problem, so sieht es Paganini, ist, dass die Wissenschaft in der Vergangenheit politisiert wurde, obwohl man sich um Zurückhaltung bemüht hat. Jetzt müsse die Rolle der Wissenschaft klar definiert werden: „Die Wissenschaft soll die Grundlagen für politische Entscheidungen liefern, aber nicht für Ideologien.“

Eine große Demo und das war es dann?
„Die Demonstration soll die Emotionen reinbringen, die Menschen dazu bringen, aufzustehen, sie mobilisieren“, sagt Paganini. Dann soll es weitergehen. „Mein wichtigster Wunsch ist, dass der March for Science ein Startschuss für ein langfristiges Engagement ist.“ Es sei schon ein Erfolg, dass es in mehr als 500 Städten Demonstrationen geben werde, aber „wenn wir nur am 22. April einmal demonstrieren gehen und danach business as usual machen, dann hat die Aktion ihr Ziel verfehlt, denn dann hat sie keine Wirkung.“ 

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