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Gibt es wirklich Leben auf dem Mars, Herr Schulze-Makuch?

von Anna Schughart
Dirk Schulze-Makuch glaubt, dass auf dem Mars Mikroorganismen leben, die sich an die extremen Umweltbedingungen angepasst haben. Warum wir sie noch nicht gefunden haben? Weil wir bisher an den falschen Stellen gesucht haben, sagte er.

Gibt es in unserem Sonnensystem außerirdisches Leben? Dirk Schulze-Makuch sagt, auf dem Mars sei die Wahrscheinlichkeit dafür am höchsten. Schulze-Makuch arbeitet am Zentrum für Astronomie und Astrophysik der TU Berlin. Dort forscht er zu potenziellen Lebensräumen auf dem Mars. Er ist Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Bücher und eines Science-Fiction-Romans. Im Interview spricht er darüber, warum wir die Suche nach Leben auf dem Mars noch nicht aufgeben sollten.

WIRED: Herr Schulze-Makuch, gibt es Leben auf dem Mars?
Dirk Schulze-Makuch: Ich denke, dass das sehr wahrscheinlich ist.

WIRED: Warum sind Sie sich da so sicher?
Schulze-Makuch: Weil es sehr wahrscheinlich ist, dass es vor etwa vier Milliarden Jahren Leben auf dem Mars gab. Wir wissen ziemlich genau, dass es auf dem frühen Mars Ozeane gegeben hat, also stehendes Wasser und auch Regen. Damals waren die Umweltbedingungen auf dem Mars also sehr ähnlich wie auf der Erde – und dort ist ja Leben entstanden. Aber selbst wenn sich keine Lebewesen auf dem Mars entwickelt haben, kann es einen Austausch von Leben zwischen Erde und Mars gegeben haben – mit Hilfe von Asteroiden.

Wenn es einmal mikrobielles Leben auf einem Planeten gab, ist es schwierig, es wieder loszuwerden

Dirk Schulze-Makuch

WIRED: Aber der Mars und die Erde haben sich seitdem sehr unterschiedlich weiterentwickelt. Die Erde ist zu einem Planeten voller Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen geworden – der Mars dagegen zu einer roten Wüste.
Schulze-Makuch: Leben ist für einen Planeten wie eine Infektion. Wenn es einmal mikrobielles Leben auf einem Planeten gab, ist es schwierig, es wieder los zu werden. Die Mikroorganismen werden sich wahrscheinlich in Umweltnischen zurückgezogen haben, zum Beispiel in das Grundwassersystem unter der Marsoberfläche oder in Lavahöhlen.

WIRED: Die Menschheit sucht nun schon seit vielen Jahren nach Spuren von Leben auf dem Mars. Entdeckt haben wir bisher nichts. Sollten wir nicht langsam aufgeben?
Schulze-Makuch: Im Gegenteil, jetzt wird es erst richtig spannend. Ja, es gab Ende der 70er Jahre die Viking-Life-Detection-Mission, aber damals haben wir den Mars noch nicht richtig verstanden. Man muss aber die Umweltbedingung verstehen, um das Leben, das es dort gibt, zu verstehen. Mittlerweile haben wir eine viel bessere Vorstellung davon – und die Möglichkeit, an Stellen zu gelangen, an denen wir tatsächlich auch Lebewesen erwarten würden.

WIRED: Warum waren die Orte, an denen man bisher gesucht hat, dafür eher ungeeignet?
Schulze-Makuch: Auf dem Mars ist alles extremer als selbst an den lebensfeindlichsten Orten auf der Erde. Der Druck auf dem Mars beträgt zum Beispiel heute nur sechs bis acht Millibar. Dort gibt es auch überhaupt keinen Regen. Und während die Erde ein Ozonschild hat, das sie vor UV-Strahlung schützt, haut die Strahlung auf dem Mars voll durch. Es gibt aber auch auf dem Mars bestimmte Orte, unter denen manche Organismen existieren können. Dort sind die Umweltbedingungen nicht ganz so extrem, wie an den Orten, an denen unsere Raumsonden bisher gelandet sind.

WIRED: Und welche Orte auf dem Mars sind das?
Schulze-Makuch: Man könnte zum Beispiel eine Mission zu einer Lavahöhle oder den Valles Marineris fliegen. Das ist ein Canyon, der bis zu 7000 Meter tief ist. An diesen Stellen könnte es Umweltnischen geben, in die sich Lebensformen zurückgezogen haben.

WIRED: Wäre es für die Suche nach Lebenszeichen nicht am effektivsten, tief in den Untergrund zu bohren – dort wo es wahrscheinlich viel Wasser gibt?
Schulze-Makuch: Das ist eine gute Strategie, denn unter der Oberfläche ist auch die Strahlung deutlich schwächer. Deshalb wird der ESA-Exomars-Rover, der 2020 zum Mars fliegt, einen Bohrer dabei haben. Aber wir sollten nicht außer Acht lassen, dass es auf dem Mars Mikroorganismen geben könnte, die besser an Strahlung und Trockenheit angepasst sind und so auch nahe der Oberfläche leben könnten. Der Curiosity-Rover befindet sich in der Nähe einer interessanten Stelle, wo es feucht zu sein scheint. Aber er darf dorthin nicht gehen, weil man Angst hat, er könnte etwas verunreinigen.

WIRED: Ist das nicht auch ein berechtigtes Argument? Dass wir versuchen sollten, den Planeten zu schützen, anstatt ihn nicht aus Versehen zu kontaminieren?
Schulze-Makuch: Dadurch werden Life-Detection-Missionen ein ganzes Stück teurer. Man muss die Raumsonden gut sterilisieren, damit sie keine Mikroorganismen mitbringen. Darüber müssen wir uns natürlich Gedanken machen.

WIRED: Aber?
Schulze-Makuch: Ich denke nicht, dass die Gefahr groß ist. Auf dem Mars sind schon viele Raumsonden gelandet oder abgestürzt, die nicht besonders gründlich sterilisiert waren. Vielleicht sind also schon ein paar Erd-Mikroben auf dem Mars. Für sie ist es aber fast unmöglich, dort zu überleben – die Bedingungen sind einfach zu hart. Und wenn es marsianisches Leben gibt, dann ist das mit Sicherheit viel besser an den Mars angepasst als irgendwelches Leben von der Erde. Ich würde mir allerdings Gedanken machen, wenn wir Proben vom Mars auf die Erde zurückbringen.

Mars-Organismen könnten  auf unerwartete Weise mit den Lebewesen auf der Erde interagieren

Dirk Schulze-Makuch

WIRED: Weil die Mars-Bakterien sich auf der Erde wohler fühlen könnten als auf dem Mars?
Schulze-Makuch: Im Prinzip ist auch hier die Gefahr gering, weil zu erwarten wäre, dass die Erdorganismen umgekehrt besser an die Erde angepasst sind als die Marsorganismen. Aber das weiß man nie zu hundert Prozent. Manche Organismen könnten auch toxische Stoffe abgeben oder auf eine ganz unerwartete Weise mit den Lebewesen auf der Erde interagieren. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt vielleicht bei einem Prozent, aber das ist dann halt immer noch ein Prozent.

WIRED: Ist es ausgeschlossen, dass auch größere Organismen auf dem Mars leben?
Schulze-Makuch: Also ich würde nicht sagen, dass es unmöglich ist. Das wären dann im besten Fall Würmer oder etwas Ähnliches. Aber im Prinzip erwarten wir eigentlich Mikroben, also Bakterien.

WIRED: Was würde es für eine bemannte Marsmission bedeuten, wenn es auf dem Mars tatsächlich außerirdisches Leben gäbe?
Schulze-Makuch: Das müssen Sie einen Politiker oder jemanden, der Space Policy macht, fragen. Aus wissenschaftlicher Sicht würde eine Marsmission dadurch spannender. Denn wenn es dort Leben gibt, wollen wir es natürlich erforschen. Die Roboter, die wir haben, sind schon ganz gut. Aber es geht nichts über einen Menschen auf dem Mars, der sich etwas unter dem Mikroskop anschauen, gleich mitdenken und Entscheidungen treffen kann.

WIRED: Was könnten wir dabei über das Leben im Universum lernen?
Schulze-Makuch: Uns würde interessieren, ob das Leben auf dem Mars denselben Ursprung hat wie auf der Erde. Wenn es einen anderen Ursprung hat und die Lebewesen dort zum Beispiel nicht DNA nutzen, könnte man daraus folgern, dass im Universum sehr häufig Leben entsteht. Wenn sie dagegen Biochemie wie auf der Erde nutzen, dann hat wahrscheinlich ein Austausch über Asteroiden stattgefunden. Dann sind wir entweder alle Marsianer oder die Marsorganismen kommen von der Erde. Wir könnten dann sehen, wie die Evolution unter den Extrembedingungen des Mars funktioniert hat.

Es wird nicht den einen Beweis geben, sondern verschiedene Experimente werden dazu beitragen müssen

Dirk Schulze-Makuch

WIRED: In unserem Sonnensystem gelten auch die Monde Europa und Titan als Kandidaten für außerirdisches Leben. Wo ist die Wahrscheinlichkeit dafür am größten?
Schulze-Makuch: Mars hat die höchste Wahrscheinlichkeit, dass wir dort Leben finden. Wenn wir allerdings von Leben sprechen, das einen separaten Ursprung hat, dann wären Titan oder Europa interessanter. Besonders Titan, wo exotische Bedingungen herrschen und wo wir wissen, dass es dort auch sehr viele organische Moleküle gibt. Wenn sich dort Leben entwickelt hat, ist es höchstwahrscheinlich anders als auf der Erde.

WIRED: Wie trägt Ihre Forschung dazu bei, Leben auf dem Mars zu finden?
Schulze-Makuch: Wir untersuchen unter anderem in der Atacama-Wüste – die von allen Orten auf der Erde hinsichtlich der Trockenheit dem Mars am nächsten kommt – wie Lebewesen unter extrem harten Bedingungen existieren können. Außerdem entwickeln wir ein Instrument, das dabei helfen kann, Leben zu detektieren. Wir können mithilfe von Umweltsensoren Hinweise auf Stoffwechsel und Reproduktion von Lebewesen finden. Unsere Hoffnung ist, dass unser Instrument irgendwann mal von einer Raumsonde mitgenommen wird.

WIRED: Wie schnell werden wir herausfinden, ob es Leben auf dem Mars gibt?
Schulze-Makuch: Echte Life-Detection-Missionen scheitern bisher an der Finanzierung und dem politischen Willen. Es wird nicht den einen Beweis geben, sondern dazu werden verschiedene Experimente beitragen müssen. Ich denke aber, dass wir in 20 Jahren schon schlauer sein werden. Die NASA will ja in den 2020ern oder 30ern Menschen zum Mars schicken. Davor sollte man schon herausfinden, was die Astronauten dort erwartet.

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