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Gibt es bald einen Schnelltest für Krebs?

von Anna Schughart
Je früher man einen Tumor entdeckt, desto besser. Wissenschaftler forschen deshalb an einer Methode, die in Zukunft Schnelltests für Krebs ermöglichen könnte. Doch schon heute bietet die sogenannte Liquid Biopsy Vorteile in der Therapie der Krankheit.

Die Möglichkeiten klingen fantastisch: Ein kurzer Piks, ein bisschen Blut, mehr ist in Zukunft vielleicht nicht mehr nötig, um einen Tumor zu entdecken. Ein Krebstest, so schnell und einfach, dass er zu jedem Routine-Checkup dazugehören könnte. Funktioniert das?

Bei der Liquid Biopsy isoliert man aus Blutplasma (oder anderen Körperflüssigkeiten wie Urin) die sogenannte cell free DNA (cfDNA). Das sind kleine Erbinformations-Fragmente – meist nicht länger als 150 Basenpaare – die frei im Blut schwimmen. „Sie werden zum Beispiel freigesetzt, wenn Zellen sterben“, erklärt Holger Sültmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Auch Tumorzellen geben cfDNA-ab, wenn ihre Lebenszeit zu Ende ist.

2015 starben weltweit 8,8 Millionen Menschen an Krebs. Je früher die Krankheit entdeckt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Doch kleine Tumore sind auch mit den heutigen Möglichkeiten der Früherkennung schwer auszumachen. Um die Art eines Tumors zu bestimmen oder ihn während einer Therapie zu beobachten, braucht man in den allermeisten Fällen Gewebeproben, für die die Patienten biopsiert werden müssen. „Das ist ein invasives Verfahren, das bei vielen Krebspatienten riskant ist“, sagt Sültmann. Blut abnehmen ist dagegen ein Kinderspiel.

Theoretisch lässt sich an den DNA-Fragmenten genau ablesen, wo im Körper welcher Tumor wächst – noch bevor er zum tödlichen Problem werden kann

Bei der Liquid Biopsy wird die cfDNA aus dem Blutplasma isoliert und sequenziert. Tumor-DNA hat charakteristische Mutationen, so lässt sie sich von normaler DNA unterscheiden. Tauchen diese bei der Sequenzierung auf, ist das also ein deutliches Warnsignal. Jede Tumorart hat zudem ihre ganz eigene Mutations-Hotspots. Theoretisch lässt sich an den DNA-Fragmenten also genau ablesen, wo im Körper welcher Tumor wächst – noch bevor er zum tödlichen Problem werden kann. In der Praxis wird es aber noch einige Jahre dauern, bis man so weit ist.

Doch schon heute ist die Liquid Biobsy ein hilfreiches Werkzeug. Zum Beispiel bei der Therapie bestimmter Tumorarten, etwa Lungenkrebs. Wenn ein Patient eine Therapie macht, kann man sein Blut über Tage und Wochen regelmäßig auf Marker testen. „Wir können dann mithilfe von Liquid Biopsy feststellen, ob eine Mutation noch im Blut ist oder nicht“, sagt Sültmann, der das Verfahren zusammen mit seinen Mitarbeitern an Lungenkrebspatienten getestet hat.

Wirkt die Therapie, verschwindet die Tumor-DNA aus dem Blut. Doch oft wird der Tumor auch resistent und spricht auf das Medikament nicht mehr an. Wann genau das passiert, konnte man bisher nicht vorhersagen. Mithilfe von Liquid Biopsy kann man es aber bestimmen – noch vor anderen gängigen Methoden wie CT- oder MRT-Scans. „Man erkennt den Zeitpunkt früher und erspart vielen Patienten, dass der Tumor zu groß wird“, sagt Sültmann. Bei Lungenkrebs kann man dann etwa das Medikament wechseln.

Für das Therapie-Monitoring von Lungenkrebs gebe es in den USA schon einen zugelassenen Test, sagt Sültmann. Damit der Krebsschnelltest aber eines Tages auch wirklich zur Diagnose und Früherkennung eingesetzt werden kann, braucht es noch viel Forschung. Auf dem weltgrößten Krebskongress, der diese Woche in Chicago zu Ende gegangen ist, war die Liquid Biopsy deswegen auch ein großes Thema.

Ein Problem für die Mediziner ist die geringe Menge zellfreier Tumor-DNA im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten. „Aus einem Milliliter Blut gewinnen wir etwa 100 Nanogramm cfDNA. Das reicht bei weitem nicht aus, um das eine mutierte Fragment unter 50.000 normalen zu finden“, sagt Sültmann. „Wir hoffen, dass die Technologien sich weiterentwickeln.“ Hilfreich dabei könnte auch die Arbeit des Unternehmens Grail sein, in das unter anderem Jeff Bezos und Bill Gates investiert haben.

Die Herausforderung: DNA-Mutationen, die auf Krebs hindeuten können, treten auch bei gesunden Menschen auf

Und so könnte man eines Tages vielleicht wirklich regelmäßig Menschen beim Arzt auf Mutationen testen, die auf Krebs hindeuten. Doch hier lauert schon die nächste Herausforderung: cfDNA-Mutationen treten auch bei gesunden Menschen auf. Je älter eine Person zum Beispiel ist, desto häufiger findet man sie in ihrem Erbgut. „Man kann die gesunden Menschen nicht verunsichern und sagen: Wir haben hier Mutationen gefunden, aber wir wissen nicht, ob das heißt, dass Sie Krebs haben“, warnt Sültmann. „Die Kriterien anhand derer man entscheiden könnte, ob jemand möglicherweise einen Tumor hat, sind bei der Liquid Biopsy bislang nicht definiert.“ Sein Vorschlag: Früherkennung erst mal nur bei Risikogruppen, zum Beispiel Rauchern.

„Der Krebsschnelltest wird kommen, doch wie lange das dauert, lässt sich derzeit schwer vorhersagen“, sagt Sültmann. Doch schon in fünf bis zehn Jahren könnte es auch für andere Krebsarten als Lungenkrebs einen Bluttest geben.

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