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Satelliten vs. Schrott: Die Bundeswehr will helfen

von Anna Schughart
Im Erdorbit treffen immer mehr Satelliten auf immer mehr Raumfahrtschrott. Ein neues Radarsystem soll helfen, Zusammenstöße im All zu verhindern. Mit GESTRA soll Deutschland eine eigene Radarüberwachung bekommen.

Navigation, Wettervorhersage, Kommunikation – vieles, was wir hier auf der Erde selbstverständlich finden, ist in Wahrheit abhängig. Nur, wenn die zahlreichen Satelliten im Erdorbit ihren Job gut machen, kann unser Alltag noch normal funktionieren. Es gibt aber ein Problem: Nicht nur tummeln sich immer mehr Satelliten im All, sondern auch immer mehr Schrott. Es wird deshalb enger – und für die Satelliten immer gefährlicher. Da hilft nur ausweichen.

In Deutschland ist dafür das Weltraumlagezentrum der Bundeswehr in Uedem verantwortlich. Wenn sich ein deutscher (ob militärischer oder ziviler) Satellit auf Kollisionskurs mit einem anderen Objekt befindet, warnt das Weltraumlagezentrum die Betreiber. Für diese Warnungen nutzt die Bundeswehr derzeit die Informationen des US-amerikanischen Space Surveillance Networks. „Wir manövrieren unsere Satelliten auf Grundlage eines Katalogs von etwa 30.000 Objekten, die von den Amerikanern gemessen werden“, sagt Gerald Braun vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die Zahl der Teilchen, die zur Gefahr werden können, ist aber deutlich größer. Anders ausgedrückt: „Wir fahren wie mit einem Sehschlitz in der Windschutzscheibe.“

Deshalb wird in Deutschland gerade ein eigenes System zur Radarüberwachung des Weltraumschrotts entwickelt: GESTRA. Das Akronym steht für German Experimental Surveillance and Tracking Radar und soll ab Herbst/Winter 2018 den metaphorischen Sehschlitz erweitern. Das Radarsystem soll das All scannen, Schrottteilchen erfassen und einen eigenen Teilchenkatalog erstellen. „Wenn wir den Weltraum für unsere Nutzung sichern wollen, dann müssen wir wissen, wie es unseren Systemen da oben geht“, sagt Braun, der das Projekt GESTRA leitet. „Was nutzt es uns, einen Satelliten zu starten, wenn wir ihn nicht am Leben erhalten können?“

Zu den winzigen Schrottteilchen kommen bis zu 800.000 Teile in Zentimetergröße

Rund 2700 Tonnen Schrott kreisen um die Erde. Er besteht einerseits aus zahlreichen winzigen Teilchen. Sie reißen zwar keine Löcher in Satellitenwände, aber besonders für die Solarzellen sind sie auf Dauer ein echtes Problem. Sie lassen die Solarpaneele – ähnlich wie durch einen Sandstrahl – „erblinden“. Wenn die Teilchen andererseits größer sind, wird es dann für die Satelliten selbst kritisch. Zu den winzigen Schrottteilchen kommen nämlich bis etwa 800.000 Teile in Zentimetergröße und etwa 30.000, die größer als zehn Zentimeter sind, wie Braun sagt. Gefährlich machten diese großen Teile vor allem die Geschwindigkeit, mit der sie auf die Satelliten krachen können. „Davor kann man einen Satelliten nicht mit einem Stahlmantel schützen“, sagt Braun. Bleibt nur eins: Kurskorrektur, Zusammenstoß vermeiden.

Um Ausweichen zu können, brauchen die Satellitenbetreiber eine rechtzeitige Vorwarnung. Wenn auf der Erde ein Flugzeug vom Kurs abgekommen ist, kann man direkt eingreifen und die Flugbahn in Echtzeit korrigieren. Bei Satelliten ist das nicht so einfach. Je nachdem, wo er sich befindet, haben seine Betreiber vielleicht gerade keine Möglichkeit, ihn zu kontaktieren. Deshalb müssen mögliche Zusammenstöße im Voraus prognostiziert werden.

Das macht GESTRA so: Das System besteht aus einem Sender und einem Empfänger. Der Sender nutzt einen sogenannten Phased-Array-Radar. Das heißt, auf seiner Antenne befinden sich eine große Anzahl von Strahlern, die gepulste Wellen Richtung Himmel absenden. „Diese Wellen überlagern sich und bilden dann ab einer gewissen Distanz eine Wellenfront“, erklärt Braun. Objekte, die diese Radarwellenfront durchqueren, werfen ein Signal zurück. Das fängt die Empfängerantenne ein.

Je größer die Teilchen sind, desto besser kann GESTRA sie erfassen. Wo die Schwelle liegt, verrät Braun nicht. „Wir geben die genauen Fähigkeiten unserer Systeme nur ungern an die Öffentlichkeit“, sagt der Forscher. Was er sagen kann: Die Radarsignale im Weltraumlagezentrum werden ausgewertet und dann genutzt, um die Bahn der Teilchen zu bestimmen. So soll ein Katalog entstehen, mit allen Objekten, die GESTRA beobachtet hat. Besonders interessant ist dabei der LEO-Bereich (low earth orbit). Das Weltraumlagezentrum will die Daten aber auch nutzen, um die Weltraumbeobachtung in Deutschland zu verbessern. Dazu sollen Wissenschaftler bestimmte Daten nutzen können. Ein Datenaustausch mit anderen Ländern ist bisher noch nicht geplant.

Das Experimental im Namen verrät es schon: GESTRA ist ein Prototyp. Wenn das Radarsystem erfolgreich ist, könnte man weitere ähnliche Sender/Empfänger-Pärchen bauen. Dann hätte man irgendwann die Fähigkeiten eines großen Radars erreicht – nur dass die kleinen Radare flexibler sind: Wenn eines von ihnen ausfällt, ist nicht gleich das ganze System down, die Anschaffungskosten verteilen sich besser, und die einzelne Radare können miteinander reden und so die Bahnen der Schrottteilchen präziser und schneller bestimmen.

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