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Zeigt mir euer Gehirn und ich sage euch, ob ihr euch einsam fühlt

von Emily Reynolds
Kontakt mit anderen Menschen ist nicht nur psychologisch wertvoll, sondern gibt uns evolutionäre Vorteile. Alleinsein nicht. Forscher des MIT haben nun erstmals feststellen können, dass das Gefühl des Alleinseins sich in Zellen im Gehirn zeigt.

In früheren Zeiten war es einfacher, Nahrung und Unterschlupf zu finden, wenn man in der Gruppe unterwegs war. Diesen Instinkt haben wir uns bis heute bewahrt: Wir suchen das wohlige Gruppengefühl, weil die Sehnsucht danach tief in uns steckt. Fehlt der menschliche Kontakt, drängen einsame, traurige Gefühle in den Vordergrund.

Ein Team von Neurowissenschaftlern des MIT in Boston hat jetzt eine Gehirnregion identifiziert, in der die Gefühle von Einsamkeit angesiedelt sind. Sie ist Teil des Raphe-Kerns, der an der Naht zwischen den beiden Gehirnhälften liegt. Die von den Forschern identifizierte Gehirnregion ist recht weit hinten im Gehirn zu finden und beinhaltet Zellklumpen, die den Wunsch nach menschlichem Kontakt fördern, wenn jemand zu lange allein war.

„Soweit wir wissen, hat niemand sonst bisher das Gefühl von Einsamkeit einer Ansammlung von Zellen zugeordnet“, sagt Kay Tye, einer der Autoren der Studie. „Jetzt wissen wir, wo wir ansetzen müssen, um das Phänomen noch eingehender zu untersuchen.“

Die Untersuchungsergebnisse stützen sich auf das, was in Gehirnen von Mäusen festgestellt werden konnte. Die Tiere hatten lange Zeit zusammengelebt, waren dann für eine Zeitlang voneinander isoliert worden, um sich danach wiederzutreffen. Das Ergebnis: Während die Mäuse sich in einer Gruppe befanden, waren die entsprechenden Neuronen im Gehirn inaktiv. In der Zeit des Alleinseins, wurden die Neuronen im Raphe-Kern aktiv, anschließend wieder neutral. Auch waren die Mäuse, die von anderen isoliert worden waren, danach weit mehr an Kontakt interessiert, als diejenigen, die ständig in der Gruppe lebten.

Die Forscher fanden zudem heraus, dass die Mäuse, die in der sozialen Hierarchie höher standen als andere, stärker auf den Wechsel von Gemeinschaft zu Isolation reagierten. „Jedes Tier in einer Gruppe empfindet Gesellschaft anders als jedes andere“, so Tye. „Eine dominante Maus lebt vermutlich lieber mit anderen zusammen, als eine, die jeden Tag von anderen unterdrückt wird.“

Dass die Forscher die entsprechenden Neuronen überhaupt fanden, war Zufall. Gillian Matthews, Hauptautor der Studie, untersuchte eigentlich, inwiefern Drogenmissbrauch sie beeinflusst. Dabei fand er heraus, dass die Mäuse in der Kontrollgruppe, die keine Drogen bekommen hatten, nach einer Phase des Alleinseins stärkere Aktivitäten im Raphe-Kern aufwiesen. Nachfolgende Untersuchungen bestätigten, dass die Neuronen auf Isolation reagierten.

Die Studie der Forscher ist eine der ersten Untersuchungen dazu, wie das Gehirn auf das Alleinsein reagiert. „Es gibt viele Studien, die zeigen, dass wir Menschen soziale Kontakte brauchen“, sagt Matthews. „Aber wir verstehen bisher nur wenig davon, wie der neurale Mechanismus dahinter funktioniert.“

Das Forschungsteam will nun untersuchen, ob Neuronen einfach nur Einsamkeit als Gefühl bemerken, oder ob sie dieses sogar auslösen. „Wir gehen davon aus, dass wir viele Antworten aus dem Innern des Gehirns dazu erhalten werden. Und weitere, wenn wir das Umfeld betrachten, aus dem der jeweilige Mensch stammt“, sagt Tye. Zu welchen Anteilen innere und äußere Faktoren in das Gefühl des Alleinseins hineinspielten, sei noch eine offene Frage. „Wir können da bisher nur spekulieren.“ 

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