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Die Crowd hilft, den geheimnisvollsten Stern des Universums zu erforschen

von Anna Schughart
KIC 8462852 ist der mysteriöseste Stern im All. Keine Theorie kann sein Verhalten erklären. Die Astronomin Tabetha Boyajian will das Geheimnis nun aufdecken – mithilfe eines Kickstarter-Projekts.

KIC 8462852 hat viele Namen. Manche nennen ihn „Tabby’s Star“ – in Anlehnung an Tabetha Boyajian, die den ersten wissenschaftlichen Aufsatz über ihn veröffentlichte. Für andere ist KIC 8462852 dagegen „the most mysterious star in the universe“ oder einfach nur der „WTF Star“. Zu Recht, der rund 1400 Lichtjahre entfernte Stern ist ein großes Rätsel. Und Boyajian will es lösen.

Das Kepler-Weltraumteleskop begann 2009 mit seiner Mission, möglichst viele Exoplaneten zu entdecken. Dazu beobachtete es vier Jahre lang den immer gleichen Abschnitt des Weltraums, genauer: die 150.000 Sterne, die sich darin befinden – darunter auch KIC 8462852. Denn wenn ein Planet an einem Stern vorbeizieht (so wie Merkur vor Kurzem an der Sonne), dann verdunkelt der Stern sich für diese Zeit. Minimal, aber messbar. Auf diese Weise hat Kepler Hunderte Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gefunden.

Auf den ersten Blick ist KIC 8462852 ein ganz normaler Stern, er steht „mitten im Leben“ und ist 50 Prozent größer als unsere Sonne. Doch wenn man genauer hinschaut, wird klar, wie einzigartig er im Vergleich zu all den Sternen ist, die das Kepler Weltraumteleskop beobachtet hat. Citizen Scientists, die sich für das Projekt Planet Hunters freiwillig durch die Kepler-Daten arbeiteten, machten Boyajian, Astronomin an der Yale University, auf die Merkwürdigkeiten rund um KIC 8462852 aufmerksam. Die meiste Zeit hatte Kepler eine konstante Helligkeit bei dem Stern gemessen. „Er machte überhaupt nichts Interessantes“, sagt Boyajian zu WIRED.

Doch dann plötzlich, um Tag 800 seiner Beobachtung durch Kepler herum, bricht die Lichtkurve von KIC 8462852 um etwa 15 Prozent ein. Ein Planet wie Jupiter würde gerade mal für eine Verdunklung von etwa einem Prozent sorgen. Das Ganze wiederholt sich ab Tag 1500, diesmal bricht die Lichtkurve um bis zu 22 Prozent ein. Für die letzten drei Monate ist der Graph dann nur noch ein einziges Auf und Ab. Die teilweise tagelangen Einbrüche in der Helligkeit des Sterns sind extrem ungewöhnlich: Sie sind nicht periodisch, sie ähneln sich nicht, sie sind nicht symmetrisch, „obwohl bei manchen von ihnen ganz klar eine Struktur zu erkennen ist“, sagt Boyajian. Hobby-Astronomen, Wissenschaftler und bald auch die Öffentlichkeit fragten sich: Was zur Hölle ist mit KIC 8462852 los?

Eine wirklich gute Antwort auf diese Frage hat bisher noch niemand gefunden. Im Herbst 2015 veröffentlichte Boyajian einen Aufsatz mit dem Titel KIC 8462852 – Where is the flux? (das Akronym WTF ist volle Absicht), in dem sie zusammen mit ihren Kollegen versucht, sich einen Reim auf den Stern zu machen. „Wir haben eine lange Liste abgearbeitet“, sagt Boyajian, nichts überzeugte. Die furchtbar schlechten Ideen haben die Wissenschaftler verworfen: Weder Sternenflecken, eine Planetenkollision oder ein Ring aus Staub können beispielsweise die Einbrüche erklären.

Übrig geblieben sind nur die schlechten Ideen: Ein Schwarm vorbeiziehender Kometen könnte für Verdunklung verantwortlich sein. Doch: „Die Zahl von Kometen, die es bräuchte, um diese Beobachtung zu erzeugen, ist gewaltig und die Wahrscheinlichkeit, so etwas zu sehen, ist extrem gering“, sagt Boyajian. „Aber sie ist nicht gleich null.“ Und deshalb wird die Kometen-Theorie vorerst nicht ausgeschlossen. Genauso wie eine andere, die KIC 8462852 erst so richtig berühmt machte.

Der Astronom Jason Wright fragte: Könnte nicht ein riesiges, außerirdisches Bauwerk den Stern umkreisen? Die Idee von der „alien megastructure“ begeisterte sogar US-Talkshow-Host Stephen Colbert, der in seiner Sendung gleich mal die Existenz der Ringwelt verkündete.

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Andere vermuten hinter den merkwürdigen Mustern eine sogenannte Dyson-Sphäre, die von außerirdischen Lebensformen zur Energiegewinnung genutzt wird. In den Kepler-Daten lassen sich allerdings keine Hinweise auf Wärmestrahlung finden, die eigentlich auftreten müsste, wenn Energie verbraucht wird. Doch auch das lässt sich schon irgendwie mit Aliens erklären. „Obwohl es eine ziemlich schlechte Idee ist, kann man Aliens zu diesem Zeitpunkt nicht ausschließen“, sagt auch Boyajian. Darauf läuft es also momentan hinaus: jede Menge fragwürdige Theorien, keine Antworten. Da hilft nur eins: „Wir brauchen mehr Daten, um das Mysterium zu lösen.“

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Mehr Daten heißt vor allem: mehr Zeit, um den Stern zu beobachten. Doch Teleskop-Zeit ist heiß begehrt und teuer. Deshalb bitten Boyajian und ihr Team jetzt alle Fans von KIC 8462852 um Hilfe. „Ich habe in den vergangenen Monaten jede Menge E-Mails von Menschen bekommen, die Neuigkeiten erfahren wollten“, erzählt sie. „Und weil der Stern ja schließlich von Citizen Scientists gefunden wurde, haben wir gedacht, dass wir dieses Motiv fortsetzen können.“

Deshalb kann man jetzt auf Kickstarter – dort wo Menschen anderen Menschen Geld geben, damit diese Filme drehen, Klamotten designen oder Brettspiele entwickeln – Boyaijan und ihrem Team Zugang zu einem privaten Teleskopnetzwerk ermöglichen. Zur Zeit wird KIC 8462852 mithilfe einer 200-Stunden-Spende des Las Cumbres Observatory Global Telescope Networks beobachtet, danach soll die Observation durch Crowdfunding weiterfinanziert werden.

„Ich will, dass der Stern wieder verrückt spielt und ihn dann dabei erwischen“, sagt Boyajian. Dabei geht es ihr nicht darum, Aliens zu finden, sondern vor allem für unterschiedliche Theorien offen zu sein. Aus der vierjährigen Beobachtung durch Kepler wissen Boyajian und ihr Team, dass die Einbrüche in der Lichtkurve nicht periodisch sind, es ist also wichtig, den Stern dauernd im Auge zu behalten.

Der Vorteil des privaten, erdgebundenen Teleskops gegenüber den Daten des Kepler Weltraumteleskops ist, dass die Wissenschaftler ihre Beobachtungen so justieren können, dass sie ihre verschiedenen Theorien testen können. Außerdem wird der Stern in verschiedenen Wellenlängen untersucht. Die spannende Frage ist: Wenn es wieder zu Ausschlägen in der Lichtkurve kommt, sind diese dann für jede Farbe gleich oder gibt es unterschiedliche Muster? Das könnte Hinweise darauf geben, was genau sich vor KIC 8462852 schiebt.

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„Die Vergabe von Fördergeldern ist hart umkämpft, besonders wenn es um Projekte mit hohem Risiko und großem Gewinn geht. Die Förderstellen wollen Ergebnisse“, erklärt Boyajian ihre Entscheidung, bei Kickstarter nach finanzieller Unterstützung zu suchen. Bis zum 17. Juni, 14:59 CEST, müssen dafür 100.000 Dollar zusammenkommen. Dass Boyajian nicht ganz ausschließt, dass vielleicht doch Aliens verantwortlich sind, sollte helfen. 

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