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Dieser Gründer will mit seinem Allergie-Test den Markt umkrempeln

von Pearl Abbey-Obaro
Ein einziger Allergietest, der nahezu jede Allergie diagnostizieren kann: Christian Harwanegg hat einen Teststreifen entwickelt, der 250 Allergene auf einmal abfragt. Sein Startup will mit ihm einen eingefahrenen Markt aufwirbeln, so der Molekularbiologe im WIRED-Interview.

Allergien sind für Christian Harwanegg Alltag. Nicht nur, weil er selbst gegen Gräser allergisch ist. Das Thema beschäftigt ihn auch als Molekularbiologe. Mit seiner Gräserallergie gehört er zu den 25 Prozent der deutschen Bevölkerung, deren Immunsystem bei Kontakt mit bestimmten Stoffen überreagiert. Da es bisher keinen Test gibt, der alle Allergene auf einen Schlag testet, ist die Suche nach Allergie-Verursachern noch immer zeit- und kostenintensiv. 

MacroArray Diagnostics will das ändern. Das Startup von Harwanegg hat einen miniaturisierten Allergietest entwickelt, der molekulare Allergene benutzt und Immuno Profiler Allergy heißen soll. Auf einer zwei Quadratzentimeter großen Festfaser werden 250 Allergene mit ein paar Tropfen Blutserum des Patienten benetzt. Auf der gleichen Fläche wird sonst ein Parameter aufgetragen. Harwanegg testet aber auf einen Schlag alle wesentlichen Parameter und will so mit einem einzigen Test circa 99 Prozent aller Allergiker sofort diagnostizieren können.

Bisher hat Entwickler und Gründer Christian Harwaneeg seine patentierte Technologie nur an Forschungseinrichtungen verkauft, gegenüber WIRED hat er erklärt, wie er seinen Test auf den Verbrauchermarkt bringen will.

WIRED: Ich kenne in der Tat kaum noch jemanden, der keine Allergie hat. Ist das nur eine gefühlte Entwicklung?
Harwanegg: Tatsächlich steigt die Zahl der Erkrankten stetig. Aktuell leiden 25 Prozent allein in Deutschland an Allergien. Die World Health Organisation sagt bis 2050 einen Anstieg auf 40 Prozent voraus. 

WIRED: Woran liegts?
Harwanegg: Das hängt davon ab, welcher Theorie man glaubt. Hört man auf die Hygienetheorie, dann sind sterile Bedingungen verantwortlich, unter denen wir heutzutage aufwachsen. Andere beschuldigen Impfungen, die zu falschen Antikörper-Aufkommen führen. Es gibt allerhand Meinungen, aber einen klaren Beweis gibt es bis heute leider nicht.

WIRED: Ist es deswegen so schwierig herauszufinden, gegen welche Stoffe  man genau allergisch ist? 
Harwanegg: Das Problem liegt meist in der Auswahl der Tests. In der klassischen Vorgehensweise soll ein Gespräch mit dem Arzt helfen, den richtigen Test auszuwählen. Vielleicht hat der aber nicht die richtigen Fragen gestellt, oder der Patient hat unvollständige Antworten gegeben, oder der Zeit und Kostendruck war zu groß. Unser Test stellt den Ablauf teilweise auf den Kopf. Wenn mit einem Mal alles getestet wird, kann die Beratung auch nach dem Test passieren. So werden mögliche Auslöser für eine Allergie weniger leicht übersehen. 

WIRED: Ihr Produkt ist also besser als der Arzt?
Harwanegg: Unser Test kann sehr viele der gängigen Allergien testen. Außerdem ergänzen wir die Allergenextrakte, die zurzeit beim Arzt untersucht werden, mit molekularen Tests der neuesten Generation. Allergenmoleküle können genau aufschlüsseln, gegen was man allergisch ist. 

WIRED: Das müssen Sie erklären.
Harwanegg: Das Problem mit herkömmlichen extraktbasierten Tests ist, dass Kreuzreaktionen nicht erklärt werden können. Ein Protein, welches am stärksten in der Birke vorkommt, findet man auch in Karotte, Sellerie und vielen anderen Allergenquellen. Unser Test kombiniert diese konventionelle mit moderner Diagnostik durch die Nutzung besagter Allergenmolekülen. Wir können so feststellen, auf was genau der Patient allergisch ist. Und wir können besser vorhersagen, wie hoch das Risiko für schwere Reaktionen ist und welche Therapie am besten wäre.

WIRED: Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Harwanegg: Nehmen wir Hühnereiweiß. Eine Ei-Allergie bedeutet keine allergische Reaktion auf Ei in jeder Form. Vielleicht ist es nur der Dotter oder das Eiweiß, das die Allergie auslöst. Und vielleicht nur rohes aber nicht gekochtes Ei. Und das kann nur die molekularbasierte Diagnostik rausfinden.

WIRED: Klingt teuer?
Harwanegg: Ja und Nein. Auf dem heutigen Markt derzeit schon. Aber der Allergiemarkt ist letztlich auch ein Krankenkassenmarkt. Wir entwickeln ein Produkt, das für die Krankenkassen finanzierbar ist und trotzdem die modernsten Verfahren benutzt. Wenn wir in ausreichender Menge produzieren und absetzen, dann wird unser Test nicht teurer als zurzeit eingesetzte Tests. Unsere patentierte Technologie benötigt nur extrem wenig Material, um einen Test herzustellen.

WIRED: Warum benutzt Ihr Test überhaupt noch zusätzlich die klassischen Allergenextrakte, wenn Moleküle doch besser funktionieren?
Harwanegg: Das hat was mit der Akzeptanz am Markt zu tun. Wir nutzen 130 molekularbasierte Komponenten und 120 extraktbasierte. Die extraktbasierten sind aber nicht immer gleich, da man beispielsweise jedes Jahr neue Gräser Pollen sammeln muss. In der molekularen Diagnostik wird biotechnologisch ein standardisiertes Allergen hergestellt, das immer gleich ist. Leider haben sich viele Kliniken der molekularen Diagnostik noch nicht ganz geöffnet.

WIRED: Weil sie gefährlich ist?
Harwanegg: Nein, es gibt keine Risiken.

WIRED: Was ist dann das Problem?
Harwanegg: Es ist einfach eine Frage des Geldes. Die Firmen die diese Tests derzeit anbieten, verkaufen diese sehr teuer. Wir können das ja nur so günstig anbieten, weil wir miniaturisierte Tests entwickelt haben. Auch heute kann man in Laboren molekulare Tests verlangen – solange man das bezahlen kann. Wir wollen aber, dass es sich jeder leisten kann und, dass in ein bis zwei Jahren der Test bei jedem regulären Anbieter zu machen ist. 

WIRED: Bisher haben wir über Diagnose gesprochen, kann Ihr Test auch bei der Behandlung helfen?
Harwanegg: Er kann sie optimieren. Wenn man genauer weiß, wogegen man allergisch ist, dann weiß man auch besser, wie man welche Allergene vermeiden kann. Bei Immuntherapien wird ein Allergen zur Desensibilisierung gespritzt. Wenn diese fehlschlagen, liegt das oft daran, dass nicht standardisierte Extrakte verwendet werden. Immer mehr Firmen sind daran interessiert, die Impfstoffe auf molekularer Basis zu entwickeln, weil die biotechnologisch hergestellten Antigene auch eine höhere Qualität aufweisen. Da wird der Markt hingehen.

WIRED: Und Sie wollen ihn dominieren...
Harwanegg: Nunja, zurzeit bauen wir mit Investoren das Unternehmen und das Produkt weiter aus. Wenn wir das so schaffen, wie wir es uns vorstellen, werden wir den Markt hoffentlich aufmischen und beschleunigen. Nach der angestrebten Zulassung im nächsten Jahr, für die wir bis dahin alle Richtlinien erfüllen werden, hoffe ich, dass unser Test so schnell wie möglich auf breiter Basis eingesetzt wird.

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