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Ein Algorithmus kürt die kreativsten Künstler der Geschichte

von Moritz Geier
Wer ist der Kreativste unter den Malern? Forscher haben einen Algorithmus entwickelt, der genau diese Frage beantworten soll. Unter Tausenden Gemälden aus der langen Geschichte der Kunst findet er die kreativsten Bilder — also Werke, die sich von früheren Bildern absetzen und neue Wege bereiten. Edvard Munch zum Beispiel gelang sprichwörtlich der neueste Schrei.

War Roy Lichtenstein kreativer als Andy Warhol? Und: Dalí oder da Vinci — welcher Maler war innovativer? Kunsthistoriker dürften sich an solchen Fragen reiben. Trotzdem gibt es nun klare Antworten, und zwar von einem Computer. Ahmed Elgammal and Babak Saleh von der Rutgers University in New Jersey haben den entsprechenden Algorithmus entwickelt.

Der Algorithmus versteht überhaupt nichts von Kunst.

In ihrer Studie schreiben die Computerwissenschaftler, der Algorithmus könne Gemälde herausfiltern, die als kreativ gelten. Kreativität definierten die beiden vor allem im Sinne von Originalität: Die neuartigsten und wirkungsmächtigsten Kunstwerke soll die Lernmaschine finden.

Ein Kunsthistoriker bräuchte für diese Aufgabe eine gehörige Portion Wissen, einen guten Blick für Details und Neuerungen und sehr viel Zeit. Der Algorithmus benötigt: nichts davon. Er versteht überhaupt nichts von Kunst oder Kunstgeschichte.

Stattdessen fraß er erst einmal rund 62.000 Bilder, allesamt große Malereien der bildenden Kunst. Elgammal und Saleh profitieren davon, dass sich die Technik des maschinellen Sehens in den letzten Jahren stark entwickelt hat. Der Computer ist fähig, Bilder gemäß ihrer visuellen Inhalte zu klassifizieren. Dabei achtet er auf Struktur, Farben, einfache Objekte wie Häuser, Kirchen, Heuhaufen und auch Feinheiten wie Gehbewegungen oder Leichen.

Der Bildverarbeitungsalgorithmus analysiert so die Bilder und produziert für jedes eine Merkmalliste. Wie aber soll er die Neuartigkeit eines Werkes erkennen können? Die Forscher zerlegten dafür die Kunstgeschichte in ein Netzwerk, in dem jedes Gemälde verbunden ist mit ähnlichen Bildern aus früheren und späteren Zeiten.

Auf der Kreativitäts-Skala schlägt Lichtenstein Warhol und Dali besiegt da Vinci.

Die Aufgabe des Algorithmus ist dann recht simpel: Er sucht die Bilder, die zum ersten Mal solche Merkmale aufweisen, die sich später als stilbildend entpuppen; Bilder, deren Einfluss ähnlich dem einer beliebten Person in einem sozialen Netzwerk ist

In mehreren Grafiken präsentieren Elgammal und Saleh ihre Ergebnisse. Auf der horizontalen Achse unterscheiden sich die Bilder nach ihrer Entstehungszeit. Die vertikale dagegen steht für Kreativität: je höher auf der Achse, desto innovativer das Kunstwerk.

Als besonders originell dürfen wir demnach zum Beispiel Edvard Munchs Meisterwerk „Der Schrei“ einordnen. Auch Monets Heuhaufenbilder schneiden hervorragend ab. Lichtenstein schlägt Warhol, der Surrealist Salvador Dalí knapp den Tausendsassa Leonardo da Vinci. Nicht besonders kreativ scheint dagegen Albrecht Dürer gewesen zu sein. Der deutsche Renaissance-Künstler landet im Computer-Ranking eher auf den hinteren Plätzen.

Einschätzungen vieler Kunsthistoriker scheinen dem Algorithmus recht zu geben: „In den meisten Fällen sind die vom Computer gewählten Bilder tatsächlich solche, die Kunsthistoriker als besonders einflussreich und innovativ gewürdigt haben“, schreiben die beiden Wissenschaftler in ihrer Studie. Als nächstes soll der Algorithmus Kreativität in der Literatur und Wissenschaft analysieren. 

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