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Die „Gen-Schere“ wird bald bei Menschen getestet (UPDATE)

von Anna Schughart
Zellen, die mit der Gentechnikmethode CRISPR/Cas verändert wurden, könnten bald zum ersten Mal in Menschen getestet werden. Die US-Regierung hat einen entsprechenden Antrag bewilligt, finanziert wird die Studie von Facebook-Milliardär Sean Parker.

UPDATE 22. Juli 2016: Chinesische Forscher werden vermutlich die weltweit ersten sein, die die CRISPR/Cas-Methode in einer klinischen Studie am Menschen testen. Schon kommenden Monat wollen Wissenschaftler am Sichuan University’s West China Hospital Lungenkrebspatienten, denen bisher keine andere Behandlungsmethode geholfen hat, Zellen injizieren, die mit CRISPR/Cas modifiziert wurden. Die Ethikkommission des Krankenhauses habe die Studie schon Anfang Juli genehmigt, berichtet Nature.

Ursprünglicher Artikel:
Ein neuer Meilenstein für die Gentechnik: Ein Komitee des US National Institute of Health (NIH) hat erstmals eine klinische Studie bewilligt, bei der menschliche Zellen mithilfe des Verfahrens CRISPR/Cas bearbeitet und anschließend in den Körper zurückgeführt werden. Damit könnte noch in diesem Jahr die Anwendung von CRISPR/Cas im Menschen getestet werden.

Das CRISPR/Cas-System ist eine der wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen der vergangenen Jahre. Methoden, um DNA zu verändern, gab es schon, bevor Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna es 2012 zum ersten mal zur Genom-Editierung verwendeten. Doch sie waren meist teuer und technisch aufwändig. CRISPR/Cas ist dagegen schnell, einfach anzuwenden und vor allem: sehr präzise.

„Das CRISPR/Cas-System besteht aus zwei Komponenten“, erklärt Manuel Kaulich von der Goethe Universität Frankfurt. „Das Cas-Protein kann DNA zerschneiden. CRISPR ist dagegen ein kurzes RNA-Fragment, das ursprünglich in Bakterien bei der Abwehr von Viren und anderen Eindringlingen hilft. Bei CRISPR/Cas dient es aber quasi als Postleitzahl.“

Zusammen bilden CRISPR und Cas eine sehr genaue Genschere. CRISPR sagt, wo es hingehen soll und Cas zerschneidet an diesen Stellen die DNA. So lassen sich Gene ausschalten (indem man sie einfach so lange zerschneidet, bis sie funktionsuntüchtig werden) oder verändern (indem eine Reperaturschablone zu CRISPR/Cas hinzufgeügt wird, die sagt, wie die Zelle die Schnitte in der DNA reparieren soll).

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Auf diese Weise lässt sich so gut wie jede DNA verändern – egal ob von Tieren, Pflanzen oder Menschen. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, sind extrem vielfältig: Man kann Pflanzen genetisch so verändern, dass sie besser gegen Krankheiten geschützt sind. Man kann Moskitos so manipulieren, dass sie innerhalb einer Generation aussterben – und mit ihnen Malaria und das Zika-Virus. Vor allem aber ist CRISPR/Cas eine der großen Hoffnungen der Gentherapie: Krankheiten einfach „herausschneiden“, Zellen fit für Angreifer machen – der Kampf gegen Krebs, AIDS und andere Krankheiten scheint mit Hilfe von CRISPR/Cas viel einfacher.

Kaulich und sein Team arbeiten beispielsweise mithilfe von CRISPR/Cas daran, herauszufinden, wo in menschlicher DNA Resistenzen gegen Krebsmedikamente entstehen. Indem sie ganz gezielt DNA zerschneiden und nachsehen, ob die Zelle anschließend eine Resistenz gegen das Medikament entwickelt hat. „So entsteht eine Roadmap, die zeigt, welche Sequenzen auf der DNA funktionsfähig sein müssen“, sagt Kaulich.

Auch die Studie, die das NIH (das in den USA alle Vorschläge für Versuche mit modifizierter DNA am Menschen bewilligen muss) nun erlaubt hat, beschäftigt sich mit Krebs: 18 Patienten, die nicht mehr auf übliche Behandlungsmethoden reagieren, sollen mit ihren eigenen, genetisch modifizierten T-Zellen behandelt werden.

T-Zellen spielen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr. Für ihre Studie wollen die Wissenschaftler sie an drei verschiedenen Stellen mit CRISPR/Cas bearbeiten: Die erste Änderung wird ein Gen für ein Protein hinzufügen, das Krebszellen erkennt und den T-Zellen dann sagt, dass sie sie angreifen sollen. Dafür müssen die Wissenschaftler allerdings ein zweites, normalerweise in der T-Zelle vorhandenes Protein entfernen, das diesen Prozess verhindern könnte. In einem dritten Schritt wird ein Gen entfernt, das die T-Zelle (auch für Krebszellen) als Immunzellen erkennbar macht. Die editierten T-Zellen werden anschließend zurück in die Körper der Patienten geführt.

Interessant ist dabei weniger, ob die Therapie direkt anschlägt, sondern, ob die Verwendung von CRISPR/Cas im Menschen sicher ist und nicht vielleicht eine Immunreaktion oder – durch Schnitte in den falschen Bereichen – wieder Krebs auslöst. „Die Technologie ist sehr neu und wir wissen noch nicht genau, wie spezifisch dieser Prozess ist“, sagt auch Kaulich.

Um das herauszufinden, müsse man genau diese Art von Experimenten machen. „Ich finde, es ist ein tolles Projekt“, sagt Kaulich, „denn wir lernen jetzt bei einer sehr kleinen Gruppe, ob das Verfahren sicher ist und was die eventuellen Nachteile sind.“ Bedenken hat er keine, so lange man nicht in die menschliche Keimbahn eingreife: „Da gibt es sehr große ethische Barrieren und die müssen genau definiert und diskutiert werden.“ Wie zum Beispiel am Mittwoch auf der öffentlichen Sitzung des deutschen Ethikrats.

Die ethischen Bedenken des NIH waren dementsprechend anderer Natur: Der Wissenschaftler Carl June, der als Berater des Projekts tätig ist und die University of Pennsylvania könnten von den Ergebnissen der Studie finanziell profitieren, lautete eine Befürchtung. June wird daher nicht mit den Patienten interagieren.

Finanziert wird die Studie durch das Parker Institute for Cancer Immunotherapy von Facebook-Berater und Napster-Gründer Sean Parker. Die T-Zellen sollen an der University of Pennsylvania bearbeitet werden, die Patienten zudem von Universitäten in San Francisco und Houston kommen, die ebenfalls Mitglieder der Parker-Institute sind. Bis die Studie allerdings beginnen kann, sind noch weitere Genehmigungen nötig – unter anderem von den Ethik-Komitees der jeweiligen Universitäten. 

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