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Studie: Gentechnik lässt mehr Tiere leiden

von WIRED Editorial
Die Genforschung treibt die Zahl der Tierversuche in die Höhe. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie im Auftrag der Grünen. Das liegt vor allem am weltweiten Handel mit genmapulierten Tieren.

Eine „Trendwende“ hatte Bundesagrarminister Christian Schmidt noch im Jahr 2014 gefeiert, nachdem die neuen Zahlen zu Tierversuchen in Deutschland bekannt gegeben wurden. Die Zahl der Wirbeltiere, die in der Forschung verwendet wurden, so der Minister damals, sei im Jahr 2013 um fast drei Prozent zurückgegangen. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sei das.

Jetzt lässt eine neue Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion den Jubel etwas verfrüht wirken. Die Gesamtzahl der bei Versuchen eingesetzten Tiere mag im Jahr 2013 – dem letzten Jahr, aus dem bislang Daten vorliegen – zwar leicht zurück gegangen sein. Dafür ist aber die Zahl der gentechnisch manipulierten Tiere in deutschen Laboren in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen. Das hat eine Auswertung des unabhängigen Münchner Forschungsinstituts Testbiotech ergeben.

Die Zahl der genmapiulierten Tiere in deutschen Laboren hat sich demnach im Zeitraum von 2004 bis 2013 verdreifacht, auf etwa 950.000 Tiere im Jahr. Das sei etwa ein Drittel aller Versuchstiere. Vor allem Mäuse, Ratten und Fische werden demnach genetisch manipuliert.

Bei Tierversuchen denkt man als erstes an Arzneimitteltests. Neue Medikamente müssen in mehreren Testläufen an Tieren geprüft werden, bevor sie überhaupt zu ersten klinischen Studien an Menschen zugelassen werden. Der zweifelhafte Boom der genetisch manipulierten Tieren, sagt der Autor der Studie Christoph Then, sei aber gar nicht auf Verträglichkeitsstudien zurückzuführen, sondern diene vor allem der Grundlagenforschung. Tiere würden hier „künstlich krank gemacht“, sagt Then, ihnen würden etwa Gene für Krebs, Diabetes oder Alzheimer eingebaut. Manchmal würden auch Gene stillgelegt, um zu erforschen, wie der Organismus darauf reagiert. Dass das für die Tiere mit Qualen verbunden ist, kann man sich vorstellen.

Wenn es darum geht, das Leiden von Menschen zu minimieren, ist das Leiden von Tieren gerechtfertigt, so in etwa lautet ein gesellschaftlicher Vertrag. Menschliches Leben ist eben höher zu werten als das von Tieren. Nur kritisieren Tierschützer seit Jahren, dass die Grundlagenforschung an Tieren die Medizin gar nicht voranbringe. Jahrelange Versuche etwa an Schweinen zur Erforschung von Organspenden haben keine Erkenntnisse gebracht, die sich auf den Menschen übertragen ließen. Genetiker führen dagegen an, die Grundlagenforschung mit genmanipulierten Tieren sei derzeit nicht verzichtbar. Ehemals tödliche Krankheiten wie AIDS seien heute nur deswegen behandelbar, weil man Tierversuche durchgeführt habe.

Dass die Zahl der genmanipulierten Tiere so hoch ist, erklärt Silke Strittmeier von der Organisation Ärzte gegen Tierversuche im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung durch das Verfahren selbst. „Man kann davon ausgehen, dass bis zu 54 Tiere für die Produktion eines gentechnisch veränderten Tiers sterben“, sagt sie. Bis das optimale genmanipulierte Tier geschaffen ist, müssten die Forscher unterschiedliche Varianten ausprobieren. Im Zweifelsfall heißt das, erst mal eine Reihe von nichtidealen Mäusen oder Ratten zu töten. Das erklärt, warum die Zahl der gentechnisch veränderten Versuchstiere so stark gestiegen ist, obwohl die Zahl der Tierversuche insgesamt leicht zurückging (siehe die „Trendwende“).

 

Der Autor der Studie Christoph Then kritisiert aber noch einen weiteren Punkt: Der Handel mit patentierten genmanipulierten Tieren werde gerade zum weltweiten Business. Wissenschaftler ließen sich Tiere mit bestimmten genetischen Eigenschaften patentieren und arbeiteten dann mit Firmen zusammen, die diese Tiere an andere Labore vermarkten – teilweise zu Dumpingpreisen. Das Hinarbeiten auf solche Patente treibe die Zahl der Tierversuche damit weiter an, so Then. Der Gentechnik-Experte der Grünen, Harald Ebner, fordert deshalb ein Verbot von Patenten auf Lebewesen in der EU. Was der Landwirtschaftsminister davon hält, ist bisher unklar.

Deutschland bemüht sich seit Jahren darum, den Einsatz von Tieren zu Versuchszwecken zu reduzieren. Dafür wurde vor 25 Jahren eine eigene Institution gegründet, die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET), angesiedelt am Bundesinstitut für Risikobewertung. Auch unterstützt das Bundesministerium für Landwirtschaft Forschung an Methoden, die Tierversuche ersetzen könnten. Eines der vielversprechendsten Projekte in dieser Hinsicht ist die Entwickung eines „Organchips“, der Arzneimitteltests an lebenden Tieren überflüssig machen würde. Biotechnologen, unter anderem an der TU Berlin, arbeiten seit 2010 an der Entwicklung des Chips.

Allerdings würde der Chip vor allem eine Alternative für die Arzneimittelforschung darstellen. Unterschiedliche Substanzen könnten so an Lungen-, Herz- oder Leberzellen getestet werden, ohne dass ein lebendes Tier dazu leiden muss. Für die genetisch manipulierten Tiere, die derzeit für die Grundlagenforschung sterben, würde der Chip keine Lösung schaffen. Hier kann nur eine politische Lösung auf EU-Ebene helfen, wie die Grünen sie derzeit fordern.

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