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Mehr Frauen in der Cybersecurity würden Computer sicherer machen

von Anna Schughart
Nur wenige Frauen kämpfen gegen Cyberkriminalität. Das hat Konsequenzen, sagt die amerikanische Wissenschaftlerin Winifred Poster. Denn die Sicherheitsbedürfnisse von vielen Bürgern – und vor allem Bürgerinnen – werde so übersehen. Poster fordert: Die Cybersecurity muss weiblicher werden.

Sicherheitsforschung ist kein attraktives Arbeitsfeld für Frauen und es mangelt an weiblichen Vorbildern. Zu diesem Ergebnis ist eine Kaspersky-Studie im vergangenen Jahr gekommen. Das ist ein Problem – nicht nur weil der Cybersecurity die Fachkräfte fehlen und es wünschenswert wäre, dass dort Chancengleichheit für alle herrscht. Sondern der Mangel an Frauen führt zu echten Sicherheitslücken.

Winifred Poster von der Washington University in St. Louis forscht zu feministischer Arbeitstheorie, der digitaler Globalisierung und dem Outsourcing nach Indien. Dabei hat sie sich vor allem auf Hightech-Firmen fokussiert. Im WIRED-Interview erklärt sie, welche Vorteile es hat, wenn die Cybersecurity diverser wird und wie das gelingen kann.

WIRED: Bei Cybercrime denkt man vor allem an große Hacks und Ransomware, mit der Firmen erpresst werden. Was stimmt an diesem Bild nicht?
Winifred Poster: Man übersieht dabei den Cybersecurity-Bedarf der Öffentlichkeit. Bisher gilt Cybercrime vor allem als ein Problem für Regierungsbehörden, militärische Dienststellen oder große Unternehmen. Natürlich brauchen diese Organisationen einen Sicherheitsschutz. Aber meiner Meinung nach bekommt der Bedarf der Bürger und Bürgerinnen nicht genügend Aufmerksamkeit.

WIRED: Sind normale Bürger denn nicht auch automatisch betroffen, wenn einer großen Firma Nutzerdaten geklaut werden?
Poster: Ja, wenn eine Institution gehackt wird – eine große Kette wie Target zum Beispiel – sind natürlich auch die Kunden betroffen. Aber es gibt auch andere Arten von Cybercrime. Zum Beispiel wenn jemand die eigene digitale Identität nutzt, um etwas zu kaufen und die Daten dabei abgefangen werden. Oder auf Social-Media-Plattformen, wo die Täter eine persönliche Beziehung mit ihren Opfern eingehen, um sich Passwörter erschleichen.

WIRED: Wer sind in diesen Fällen dann die Opfer?
Poster: Oft trifft es unverhältnismäßig viele Frauen und Angehörige von ethnischen Minderheiten. Frauen sind auch viel häufiger das Ziel von sexuellem Missbrauch aus der Ferne, bei dem sie dazu manipuliert werden, Nacktbilder aufzunehmen oder gestalkt werden.

WIRED: Um das Problem anzugehen, fordern sie, dass mehr Frauen in der Cybersecurity arbeiten sollten. Wieso?
Poster: Frauen sprechen diese Probleme eher an, weil sie sie selbst erlebt haben oder weil sie jemanden kennen, der sie erlebt hat. Ein anderer Grund ist, dass viele Studien gezeigt haben, dass je diverser eine Gruppe ist, desto breiter ist die Perspektive. Eine vielfältige Belegschaft generiert mehr Ideen, die auf mehr Menschen anwendbar sind.

WIRED: Weiße Männer interessieren sich nur für Probleme, die sie selbst erleben?
Poster: Teilweise, aber ich will eigentlich niemanden persönlich beschuldigen. Mein Argument ist größer: Die Institutionen kümmern sich nicht um diese Probleme. Man muss deshalb an der Spitze, bei den Organisationen anfangen. Wir brauchen nicht nur mehr weiblicher Praktiker, wir brauchen mehr Frauen, die sich in leitender Position mit dem Lösen von Cybercrime-Problemen beschäftigen. Frauen, die Cybersecurity-Abteilungen in der Privatindustrie und in der Regierung leiten, und Wissenschaftlerinnen, die sich mit diesem Thema befassen.

Die Cybersecurity verbindet zwei Gebiete mit frauenfeindlicher Kultur.

Winifred Poster, Washington University

WIRED: In der Realität sind dagegen weltweit nur elf Prozent der Cybersecurity-Fachkräfte weiblich – in Europa sogar nur sieben Prozent. Woran liegt das?
Poster: Das Feld ist relativ neu, die mangelnde Vielfalt hat noch nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Die IT oder das Militär stehen dagegen schon länger in der öffentlichen Diskussion und spüren den Druck verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, die mehr Diversität fordern.

WIRED: Aber warum ist dieser Druck überhaupt notwendig, warum arbeiten nicht mehr Frauen in diesem Bereich?
Poster: Die Cybersecurity ist ein Zusammenschluss aus zwei verschiedenen Gebieten, die beide eine frauenfeindliche Kultur haben. Die technik-maskuline Kultur der IT-Arbeit, die jede Art von technischer Arbeit mit Männlichkeit assoziiert und Frauen keinen Raum lässt. Und das Militär, wo es andere Herangehensweisen und Praktiken gibt, die Frauen ausschließen. Das hat dann weniger mit technischen Fähigkeiten und mehr mit physischer Dominanz und Aggression zu tun.

WIRED: Was tun?
Poster: Es gibt viele Dinge, die man machen kann. Wir müssen zum Beispiel die Bildung angehen und Frauen zu geeigneten Kandidatinnen für diese Jobs machen. Man muss Mädchen schon früh darauf aufmerksam machen, dass Cybersecurity etwas ist, das für sie relevant ist. Es gibt viele Forscher, die gezeigt haben, dass Mädchen mit Cybersecurity-Problemen durch die sozialen Medien bereits vertraut sind. Sie wissen beispielsweise, wie es ist, wenn die eigene Identität geklaut wird, oder jemand sich in in den eigenen Account hackt.
Aber auch die Organisationen müssen ihre Arbeit machen und wirklich darauf achten, dass sie bei Einstellungen und Beförderungen fair sind. Sie brauchen eine andere Vorstellung davon, wer für diese Jobs infrage kommt. Dass dafür zum Beispiel nicht ausschließlich ein Hintergrund in einem MINT-Fach nötig ist, sondern auch andere Qualifikationen nützlich sind. Und natürlich darf es für Diskriminierung und Belästigung null Toleranz geben.

WIRED: Und wenn das nicht gelingt?
Poster: Man sieht ja dank der kürzlichen Aufdeckungen durch die #MeToo-Bewegung, was passiert, wenn Genderdiskriminierung unkontrolliert bleiben: Ungleichheit und Belästigung können ungehindert fortbestehen. Auf einer gesellschaftlichen Ebene mache ich mir dagegen Sorgen, dass die Probleme von Bürger und Bürgerinnen im Bereich Cyberkriminalität weiter übersehen werden.

WIRED: Gibt es in der Cybersecurity ein Bewusstsein für dieses Problem?
Poster: Es gibt ein paar wirklich aktive Wissenschaftlerinnen und Praktikerinnen, die das Problem kritisieren und nach außen tragen. Ich habe Hoffnung, dass sich jetzt durch die #MeToo-Bewegung ein gewisses Momentum bildet.

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