Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Der schwedische Biohacker Hannes Sjoblad möchte, dass jeder Mensch einen Chip in seiner Hand trägt

von Lars Gaede
Auf der Düsseldorfer Cyborg-Messe Science+Fiction lässt Hannes Sjoblad, Aktivist der schwedischen Bio-Hackergruppe BioNyfiken, Menschen RFIDs in die Hände pflanzen. Hier erklärt er, warum jeder einen Chip in sich tragen sollte.

WIRED: So wie jetzt in Düsseldorf veranstalten Sie weltweit sogenannte Implant Partys, bei denen Sie Menschen RFID-Chips in die Hand pflanzen. Warum nochmal?
Hannes Sjoblad: Wir wollen die Zahl der Menschen, die einen Chip in sich tragen, erhöhen, weil wir hoffen, dass daraus eine Community entsteht — eine Art kollaboratives Forschungsprojekt. Denn je mehr Menschen einen Chip in sich tragen, desto mehr Menschen können ihre Erfahrungen, Tipps und Ideen teilen und Anwendungen entwickeln. Gerade gestern zum Beispiel haben wir auf einer Konferenz 64 Developern einen Chip eingepflanzt. Das ist großartig, so bekommt das ganze ein Momentum. Noch letztes Jahr hatten gerade mal eine Handvoll Menschen einen Chip in sich. Jetzt werden es gerade sehr schnell sehr viele.

WIRED: Was genau bringt mir denn so ein Chip nach heutigem Stand? Wofür nutzen Sie den RFID, den Sie in sich tragen?
Sjoblad: Um ehrlich zu sein: Noch sind die Chips nicht besonders intelligent. Sie funktionieren im Grunde wie ein Schlüssel-Badge, den man irgendwo an einen Türsensor hält. Ich persönlich nutze meinen, um ins Büro zu kommen. Ich schalte damit den Alarm ab und öffne Türen, ich identifiziere mich auch an dem Drucker, den wir uns mit anderen Leuten im Büro teilen. Ich habe auch im Fitnessstudio gefragt, ob ich da meinen Chip nutzen kann, anstatt der Mitgliedskarte. Das geht jetzt auch. Und ich habe meine Visitenkarte Vcard auf dem Chip gespeichert. Jeder, der ein Telefon mit NFC-Funktion hat, kann sie bequem auslesen. Und ich kann damit auf einem NFC-fähigen Telefon auch ein YouTube-Video starten lassen, wenn ich mal etwas Lustiges machen will.

WIRED: Das ist jetzt noch nicht so irre beeindruckend.
Sjoblad: Das Problem ist, dass leider nicht alle Institutionen mitspielen, die mitspielen könnten. Ich versuche, alle meine Schlüssel und alle meine magnetischen Karten mit dem Chip zu ersetzen. Zum Beispiel in der Bibliothek. Sehr gerne würde ich meinen Chip auch in den Bussen und Bahnen in Stockholm einsetzen, die Verkehrsbetriebe weigern sich bisher. Das Potenzial ist aber riesig.

WIRED: Worin sehen Sie die Funktionen dieser Technologien in der Zukunft?
Sjoblad: Wir können schon heute Sensoren in die Implantate einsetzen, so dass sie Körperdaten sammeln: den Puls, gelaufene Schritte — im Grunde all das, was Fitnessbänder auch können. Wenn man sich die Wearable-Industrie anschaut, sieht man, dass die Geräte und Sensoren immer kleiner werden und auch immer weniger Strom benötigen. Im nächsten Schritt werden sie in die Körper wandern. Da bin ich mir sicher.

WIRED: Warum sollte man das wollen?
Sjoblad: Die meisten Menschen hören nach einer Weile auf, Wearables zu nutzen. Weil sie dann doch etwas etwas unbequem sind, weil man sie ständig aufladen muss, was nervt. Oder, weil sie mit bestimmten Klamotten einfach blöd aussehen. Das alles fällt weg, wenn man den Sensor unter der Haut trägt. Dazu kommt: Die Qualität der Daten ist dann auch viel besser. Es gibt aber noch weitere Anwendungen, die spannend sind.

WIRED: Welche?
Sjoblad: Es ist ein riesiges Problem, dass wir unsere Daten online nicht schützen können. Ich sehe eine große Chance darin, Chips als Sicherheitsstool zu nutzen. Wenn ich mich damit bei meinem E-Mail-Service anmelde oder bei einem Cloud-Dienst, ist das sicherer als ein Passwort. Auch zur Verschlüsselung könnte der Chip dienen: Ich könnte mit meiner Businesscard auch einen Public-Encryption-Key auf dem Chip speichern, den ich dann teilen kann, so dass wir verschlüsselt kommunizieren können. Ausserdem sollte man nicht vergessen: Mit dem Internet der Dinge werden wir zukünftig unzählige vernetzte Geräte um uns herum haben, gegenüber denen wir uns identifizieren müssen. Wenn man zum Beispiel eine intelligente Toilette verwendet...

WIRED: Entschuldigung, eine was?
Sjoblad: Eine smarte Toilette, die ihren Inhalt medizinisch analysiert. Kennen Sie das nicht?

WIRED: Nein.
Sjoblad: Das ist super praktisch, die Toilette kann automatisch den Blutzuckerlevel messen oder einen Mineralienmangel feststellen — ohne dass man dafür bei einem Arzt Blut abgeben muss.

WIRED: Ach was.
Sjoblad: Ja! Jedenfalls: Woher soll die Toilette denn wissen, mit wem sie es gerade zu tun hat? Wessen Daten sie gerade erhebt? Man will ja keine Magnetkarte mit aufs Klo nehmen oder eine PIN eingeben, jedes Mal, wenn man sich auf die Toilette setzen will.

WIRED: Das stimmt wohl.
Sjoblad: Sehen Sie. Mit einem Chip-Implantat müsste man das nicht machen. Es gibt noch viele andere Beispiele, wie Chips dabei helfen könnten, den Umgang mit Geräten zu personalisieren. Warum nicht ins Lenkrad eines Autos einen Reader einbauen? So dass sich die Spiegel und der Sitz automatisch so einstellen, wie man es mag. Der zweite Aspekt, der mich interessiert: Es ist ein großes Problem, dass wir unsere Daten online nicht schützen können. Ich sehe ein großes Potenzial dafür, die Chips als Sicherheitstool zu nutzen. Von der kommerzielleren Nutzung mal ganz abgesehen. Sie können sich nicht vorstellen, wie oft sich bei uns Firmen melden, die Interesse an der Technologie haben.

WIRED: Zum Beispiel?
Sjoblad: Rüstungsfirmen, die Waffen bauen wollen, die nur derjenige benutzen kann, der autorisiert ist. Oder Pflegeheime, die demente Menschen betreuen. Die finden, es wäre sehr praktisch, ihnen Chips einzupflanzen, damit sie nicht über Nacht verschwinden. Sie könnten mit dem Chip nur bestimmte Türen öffnen, andere würden geschlossen bleiben. Das jedoch lehne ich ab, denn ich denke es sollte nur jemand mit einem Chip versehen werden, der dem selbst bei klarem Verstand zustimmt.

WIRED: Ist genau das nicht ohnehin die große Gefahr? Dass Regierungen, Krankenkassen oder sonstwer auf die Idee kommt, es wäre doch sehr praktisch uns allen aus irgendeinem Grund Chips einzupflanzen.
Sjoblad: Doch und genau deswegen haben wir — meine Biohackerfreunde und ich — ja damit angefangen. Sollte es soweit kommen, werden wir die Technologie schon an uns selbst erforscht haben. Wir werden wissen, wie wir damit umzugehen haben. Das heißt, wenn jemand meine Oma im Altersheim mit Chips versehen will, weiß ich dann, wovon da gesprochen wird, und ich kann die richtigen Fragen stellen. Uns Aktivisten ist es sehr wichtig, dass die Bürger über diese Technologien informiert sind, so dass wir nicht in die Hände derjenigen geraten, die sie beherrschen. Deshalb veröffentlichen wir auch unser gesamtes Know-how in Blogs, in Facebook-Gruppen oder wir reden darüber in Interviews, so wie jetzt.

WIRED: Wenn man die Chips als eine Verschmelzung des Menschen mit Technologie begreift, braucht man dann ein neues Menschenbild? Müssen wir das, was wir bisher als Mensch verstehen, revidieren?
Sjoblad: Ich sehe es schlicht als Verbesserung des menschlichen Körpers. Es ist noch nicht auf „Strar Trek“-Niveau, aber es hat dieses Potenzial. Wir verbessern schon lange die Körper von kranken Menschen, wir verpflanzen seit Ewigkeiten Herzschrittmacher, nutzen Hörgeräte. Warum sollte man nicht auch den Köper gesunder Menschen mithilfe von Technologien mit neuen Fähigkeiten versehen? Kontaktlinsen, mit denen man im Dunkeln sieht oder Hörhilfen, mit denen man völlig andere Frequenzen hören kann, als bisher — das ist doch alles großartig! Ich sehe nicht ein, warum wir uns mit dem abfinden sollten, was die Natur uns gegeben hat. Die Tatsache, dass wir Werkzeuge verwenden ist es, was uns von den Tieren unterscheidet. Wir nutzen schon sehr lange Feuer, wir haben Steinäxte genutzt und nun nutzen wir eben Smartphones oder Chips in unseren Körpern. 

GQ Empfiehlt