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„Lieber rumfliegende Polizei als Werbung“: Potsdamer Studenten erforschen unser Verhältnis zu Drohnen

von Michael Förtsch
Drohnen werden in naher Zukunft allgegenwärtig sein. Wie finden wir das, macht es uns Angst oder eher nicht? Und wo könnten Drohnen eigentlich sinnvolle Dienste verrichten? Eine Umfrage des Urban Complexity Lab der FH Potsdam soll das herausfinden. WIRED hat mit dem Initiator gesprochen.

Die weltweite Umfrage „Unter Drohnen“ von Julian Braun, Student für Interface Design, beginnt mit prägnanten und emotionalen Bildern, wie potenzielle Einsatzmethoden für Drohnen im urbanen Umfeld aussehen könnten. Da schweben die surrenden Mini-Flieger als persönliche Laternen über einem, warnen mit Verkehrsschildern vor Unfällen auf der Autobahn, gleiten als fliegende Werbeplakate umher oder spähen als Polizeidrohne mit Scheinwerfer und Kamera in private Wohnungen.

Auf einer Skala sollen die Befragten angeben, als wie realistisch, nützlich, überflüssig oder auch bedrohlich sie die gezeigten Einsatzszenarien bewerten. Julian Braun erhofft sich von der Umfrage ein Meinungsbild, das Erwartungen und Vorbehalte gegen die sich rasant entwickelnde Drohnentechnologie aufzeigt — und vielleicht den ein oder anderen Denkanstoß gibt. Eine erste Vorauswertung zeigt schon eine klare Tendenz, wie der Student im WIRED-Interview erzählt.

WIRED: Auf eurer Umfrageseite zeigt ihr hypothetische Einsatzmöglichkeiten für Drohnen und fragt, was die Leute davon halten. Was genau hofft ihr, dadurch zu erfahren?
Braun: Es geht weniger darum, dass wir überraschende Resultate oder Antworten erwarten. Viel mehr ist eine Umfrage ein gutes Mittel, um Leute dazu zu bringen, sich zehn Minuten reflektiert mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wenn sie Freunden oder Bekannten dann von den finsteren oder auch vielversprechenden Zukunftsszenarien erzählen und das einen kleinen Diskurs lostritt, dann ist das auch schon was. Es geht mehr um Aufmerksamkeit, als wissenschaftliche Statistiken.

WIRED: Vor vier bis fünf Jahren war das Wort „Drohne“ den meisten nur im Zusammenhang mit dem Militär ein Begriff. Wie kommt es, dass das Thema plötzlich so allgegenwärtig ist und wir erst jetzt über die potenziellen Implikationen der kleinen Fluggeräte nachdenken?
Braun: Guter Punkt. Genau deswegen machen wir das hier ja. Ich denke es hängt mit dem kommerziellen Durchbruch im Consumer-Bereich zusammen. Quadcopter gibt es schon länger, aber zunächst waren sie eher etwas für nerdige Bastler. Die waren sich sicher schon früher über mögliche Implikationen bewusst. Und viel zitierte Szenarien wie die Amazon-Lieferdrohnen tragen natürlich auch dazu bei, dass man endlich mal drüber nachdenkt, wie das in der Realität eigentlich funktionieren soll.

WIRED: Einige eurer fiktiven Nutzungsszenarien wirken sofort plausibel, andere hingegen schon etwas abgefahren. Wie seid ihr auf Ideen wie die persönliche Laterne oder das mobile Werbedisplay gekommen? Glaubst du selbst, dass Drohnen irgendwann so eingesetzt werden?
Braun: So abwegig finde ich einen persönlichen Begleiter nicht unbedingt, auch wenn er mögliche Gefahren eher anlocken als abschrecken würde. Und auch wenn das Werbeschild für eine Burgerkette in dieser Form etwas amüsant erscheinen mag — neue Technologien werden immer gerne für Werbezwecke ausgeschlachtet. Ich halte das durchaus für realistisch. Aber bis es soweit ist, werden es dann vielleicht keine zweidimensionalen Displays sein, sondern Hologramme oder dergleichen.

WIRED: Du hast eine erste Auswertung der bisherigen Umfrageergebnisse durchgeführt. Wie ist da der allgemeine Tenor: werden Drohnen im städtischen Umfeld begrüßt oder sollen sie gefälligst aus den Häuserschluchten verschwinden?
Braun: Insbesondere die Überwachungsgeschichten kommen gar nicht gut an und werden als bedrohlich empfunden. Zeitgleich werden sie aber auch als durchaus realistisch eingestuft. Man scheint sich also über den Fortschritt und die Begleiterscheinungen bewusst zu sein.

WIRED: Wie steht es mit der Nützlichkeit der Drohnen? In welchem Fall, meinen die Umfrageteilnehmer, könnten wir sie wirklich gebrauchen und wo nicht?
Braun: Praktische Anwendungen wie das Verkehrsschild kommen gut an. Und überraschenderweise wollen die Leute tendenziell lieber herumfliegende Polizeidrohnen als schwebende Werbung.

WIRED: Die Umfragebilder, die eine polizeiliche Nutzung von Drohnen umreißen, wirken fast wie aus einer dystopischen Science-Fiction-Vision. Ich fände eine Polizeidrohne vor meinem Fenster ja erschreckend, geht das nur mir so?
Braun: Das wird eigentlich durchweg als bedrohlich empfunden. Zurecht.

WIRED: Warum lehnen wir bestimmte Nutzungsweisen von Drohnen ab? Es scheint ja nicht immer nur um die Privatsphäre zu gehen.
Braun: Ich denke, es geht auch um Sicherheit und Angst vor Unfällen. Unbemannte Flugobjekte, neue Technologien, Do-it-yourself und so weiter, da kann eine Menge schiefgehen.

WIRED: Eure Studie ist international. Sind unterschiedliche Befindlichkeiten auf Länderebene erkennbar? Sind wir Deutschen Drohnen-feindlicher als die Amerikaner, Schweden oder Schweizer?
Braun: Tendenziell sind US-Amerikaner da schon offener. Ansonsten haben wir nicht genug Daten aus weiteren Ländern um da eine wirkliche Aussage treffen zu können. Insgesamt scheinen die Deutschen aber, wie so oft, eher skeptisch eingestellt zu sein.

WIRED: Mir scheint es, als wären wir als Gesellschaft mit der rasanten Verbreitung und Weiterentwicklung von Drohnen überfordert. Während einige freudig mit Drohen experimentieren, wollen andere sie mit Störsendern vom Himmel holen. Stützen die Umfrageergebnisse dieses Gefühl?
Braun: Eindeutig, die Unsicherheit ist groß. Das liegt allerdings auch daran, dass auch mit der neuen Gesetzgebung keiner so richtig weiß, was jetzt erlaubt ist und was nicht. So kompliziert sind die Auflagen eigentlich nicht, aber es ist eben komplettes Neuland. Mit dem Luftraum haben sich vorher nur Piloten und Fluglotsen auseinandergesetzt. Und der untere Luftraum über Städten wirft ganz neue Fragen auf.

WIRED: Was müsste passieren, damit Drohnen sich gut und nützlich in unser Leben einfügen, keine Angst verbreiten und nicht zu Spionage- und Repressionswerkzeugen verkommen?
Braun: Ohne Regulierung und Sicherheitsstandards wird es wohl kaum funktionieren. Wenn tatsächlich autonom fliegende Drohnen über Städten verkehren, werden diese miteinander kommunizieren müssen, und „Sense & Avoid“-Systeme sind unverzichtbar. Es ist wohl eine gute Idee, wenn die Hersteller von Drohnen sich frühzeitig miteinander an einen Tisch setzen. Was das Problem mit der Überwachung betrifft, bin ich noch nicht sicher, wie man das lösen kann. Die Dinger haben nun einmal Kameras und wann sie damit filmen und wo die Aufnahmen dann gespeichert werden, kann man leider nie genau sagen.

WIRED: Was wäre deiner Meinung nach die schlimmst mögliche Zukunft?
Braun: Polizeidrohnen die vor meinem Wohnzimmerfenster schweben und reingucken. Drohnen die mit Hunden Gassi gehen. Touristen mit Selfie-Drohnen. Drone-Dating. 

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