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Dieses neuronale Netzwerk spricht besser Emoji als wir

von Chris Köver
Künstliche Intelligenzen komponieren Opern, beantworten unsere Emails und lösen uns demnächst bei der Lohnarbeit ab. Aber nicht genug: Eine neue App erobert nun das womöglich letzte Feld, das noch der menschlichen Kreativität vorbehalten war: die Kommunikation mit Emojis.

Google verwendet sie, um Bilder zu taggen oder seine Übersetzungen zu verbessern, Facebook identifiziert damit Gesichter auf Fotos und Apple setzt sie ein, um herauszufinden, was wir Siri eigentlich sagen wollen. Neuronale Netze kommen derzeit überall dort zum Einsatz, wo eine Maschine den Menschen von seinen stumpfen Aufgaben ablösen soll.

Vielleicht war es also nur eine Frage der Zeit, bis eine der wichtigsten Ausdrucksformen menschlicher Kommunikation von einer künstlichen Intelligenz besser ausgeführt wird als von uns selbst: Emoji-Sprech. Die neue App Dango läuft auf dem eigenen Telefon und schlägt auf Basis der Texte, die man im Messenger eintippt, das passende Emoji oder Gif vor.

Ist doch einfach, könnte man meinen. Tippst du eben „Pizza“, schlägt die App das Pizza-Emoji vor. Schreibst du was von „honey“ oder „love“, kommen Herzchen in allen Farben und Konstellationen. Aber der Unterbau von Dango ist eben kein einfaches „Machst du dies, passiert jenes“.

Die App wird, ähnlich wie Facebooks Gesichtserkennung, von einem neuronalen Netzwerk getrieben. Das wurde von seinen Erbauern ausgiebig „trainiert“. In diesem Fall standen auf dem Trainingsplan: Millionen von Beispielen dafür, wie Emojis in freier Wildbahn verwendet werden, sprich: im Web. Da schreibt jemand vielleicht „I’m starving! (Burger, Pizza, Besteck)“ oder „Let’s get a (Bier) tonight“. (Dango spricht übrigens bislang nur Englisch).

Um treffende Emojis oder GIFs zu empfehlen, kann Dango sich also nicht einfach an Schlüsselbegriffe im Text halten. „Ich bin heute richtig glücklich“ bedeutet schließlich auch etwas völlig anderes als „Ich bin heute nicht so richtig glücklich.“ Dango muss, ähnlich wie Sprachassistenten der Sorte Siri oder Cortana, die semantische Bedeutung dessen erfassen, was Menschen mit so genannter natürlicher Sprache ausdrücken wollen. Für Computer ist das eine der größten Herausforderungen und neuronale Netze sind derzeit einer der heißesten Kandidaten, um sie zu meistern – weil sie sich selbst fortbilden und aus ihren Fehlern lernen können.

Wie ein neuronales Netz funktioniert, lässt sich anhand von Dango wunderbar nachvollziehen – auch weil die Entwickler sich die Mühe gemacht haben, es Schritt für Schritt zu erklären. Zunächst stehen alle Parameter des Netzes auf Anfang, ein weißes Blatt. Je mehr Beispiele in das Netz gefüttert werden, umso mehr lernt es darüber, wie echte Menschen im echten Leben Emojis verwenden, um etwas auszudrücken.

Wie Xavier Snelgrove, CTO der Firma hinter Dango, erklärt, arrangiert das Netz verschiedene Emojis in einem mehrdimensionalen Raum, dem so genannten „semantischen Raum“. Jede Idee nimmt in diesem Raum einen bestimmten Punkt ein, so wie die xyz-Koordinaten einen einzigen Punkt in einem dreidimensonalen Raum bestimmen. Ideen, deren Bedeutungen nah zusammen liegen, liegen auch räumlich nah beieinander. „Was Dango gelernt hat,“ schreibt der Entwickler, „ist sowohl Sätze in der natürlichen Sprache als auch Emojis in Vektoren in diesem Raum zu verwandeln.“

Dango kann also einen Satz, den es als Input erhält, in diesen Raum werfen und dann abgleichen, welche Emojis sich bedeutungstechnisch in der Nähe bewegen. Dabei kommen erstaunlich Popkultur-versierte Ergebnisse zustande. Für „Beyoncé“ schlägt Dango zum Beispiel eine Krone und eine Biene vor – eine Anspielung auf den Spitznamen der Pop-Regentin „Queen Bey“. Und auch Slang hat Dango auf seiner Trainingsfahrt aufgeschnappt. Eine Erwähnung der Zahl „420“, in den USA ein Codewort fürs Kiffen, führt zu einem Smiley, das eine Wolke pustet.

Dango hat auch registriert, wie vielschichtig die Kommunikation mit Emojis funktioniert. Laut dem Unicode Consortium mag es derzeit nur 1624 zugelassene Emojis geben, kein besonders üppiges Vokabular. Weil diese eingeschränkten Mittel aber unendlich kreativ arrangiert werden können, kann man damit wesentlich mehr ausdrücken als 1624 Ideen, von einfachen Aussagen wie „Ich stehe im Stau“ bis zu komplexen Erzählungen, die ganze Literaturklassiker, Filme oder den Verlauf des gestrigen Abends wiedergeben können. Und von Gifs haben wir noch gar nicht gesprochen.

Dango kennt diese Emoji-Kombos – und weil es dabei auf das geballte Wissen aller Emoji-Enthusiasten zugreifen kann, schlägt es manchmal auch Knaller vor, auf die man selbst wohl nie gekommen wäre. „Kanye West“ triggert dann zum Beispiel das Ziegen-Emoji, auf Englisch „goat“ und spielt damit direkt auf die  Entsprechung zu Kanyes Selbstbeschreibung als Greatest Living Artist of All Time an – G.O.A.T..

Die erste Version von Dango gibt es derzeit nur als Floating App für Android, das heißt sie funktioniert mit dem Messenger ebenso wie in WhatsApp, auf Snapchat oder in jeder anderen App, in der man Text eingeben kann. Eine iOS-Version ist angekündigt. Wer will, kann die Funktion bis dahin schon einmal hier ausprobieren.

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