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US-Forscher setzen die Genschere bei Embryonen an

von Cindy Michel
In den USA haben Forscher erstmals das Erbgut lebensfähiger menschlicher Embryonen verändert. Mit der Genschere CRISPR entfernten sie defekte DNA und ersetzten sie durch gesunde. Die Wissenschaftler hoffen auf eine effektive Methode zur Bekämpfung von Erbkrankheiten, Kritiker dagegen befürchten den „Menschen nach Maß“.

Zum ersten Mal in der Geschichte der amerikanischen Wissenschaft haben Forscher menschliche Embryonen mit verändertem Erbgut geschaffen, berichtet die Technology Review des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Ein Team der Oregon Health and Science University experimentierte dazu mit einer „großen Anzahl von lebensfähigen Embryonen“, schreibt das Magazin. Die Embryonen seien nur wenige Tage alt gewesen und ausschließlich für das Labor gedacht gewesen. Zu keinem Zeitpunkt, beteuern die Forscher, habe man sie in eine Gebärmutter einpflanzen wollen. 

Offizielle Ergebnisse gibt es bisher nicht, die Studie stehe allerdings vor ihrer Veröffentlichung in einem Fachmagazin, sagt der leitende Forscher Shoukhrat Mitalipov. Demnach züchtete das Team die Embryonen mit Hilfe von künstlicher Befruchtung. Das Sperma dafür stamme von Spendern mit einer Erbkrankheit. Um welche Art von Gendefekt es sich dabei handelte, ist bisher unbekannt.   

Das defekte Erbgut sei mit der Genschere CRISPR herausgeschnitten und ausgetauscht worden, heißt es weiter. Dabei handelt es sich um eine revolutionäre Methode in der Biochemie, mit der Gene gezielt bearbeitet und zugeschnitten werden können. CRISPR ist quasi eine Allzweck-Schere, die zusammen mit zwei einfachen Molekülen jede gewünschte DNA-Stelle findet.

Die Grundlage des Scherenschnitt-Systems bildet ein Enzym namens Cas9 aus Bakterien, das mithilfe eines kurzen Moleküls (RNA) an seine Ziel-Sequenz im DNA-Strang geführt wird. Dort schneidet das Enzym die DNA. Dabei können Gene zerstört oder gewünschte Sequenzen eingefügt werden. 

Das Besondere am Verfahren ist seine hohe Genauigkeit bei sehr geringen Kosten. Viele Erbkrankheiten entstehen durch Fehler an einigen wenigen Stellen im Genom. Sind die Mutationen identifiziert, fällt es mit CRISPR vergleichsweise leicht, die defekte DNA zu entfernen und durch korrekte zu ersetzen.  

Sorgen bereitet vielen Experten, dass CRISPR dazu dienen könnte, Menschen nach Maß zu erschaffen – das Erbgut also nicht nur zu reparieren, sondern gezielt zu manipulieren. Experimente an Stammzellen sind bei Tieren in vielen Laboren bereits Alltag.

Bis zu dieser aktuellen Forschungsreihe von Shoukhrat Mitalipov gab es weltweit nur drei weitere Experimente, die menschliches Erbgut verändert haben – und alle in China. Diese scheinen den bisherigen Informationen zufolge aber weitaus weniger erfolgreich gewesen zu sein, als die des Teams aus Oregon.

Bei der amerikanischen Studie handle es sich um eine Proof-of-Principle-Studie, zitiert die Technology Review einen Wissenschaftler, der mit dem Projekt vertraut sei. „Ich denke nicht, dass dies der Start für klinische Tests ist, aber diese Versuchsreihe geht einen Schritt weiter als alle anderen zuvor.“ 

In Deutschland sind Versuche an menschlichen Embryonen nach wie vor strafbar, auch wenn das entsprechende Gesetz als veraltet gilt. Erst im März diesen Jahres hat die Nationale Akademie der Wissenschaften ein Diskussionspapier veröffentlicht, in dem sich elf deutsche Wissenschaftler mit der Frage beschäftigen, ob in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen der Eingriff in das Erbgut von Embryonen erlaubt werden sollte. 

Auch in den USA ist das Thema umstritten, eine allgemeingültige Regelung fehlt. Es gilt der Beschluss der nationalen Gesundheitsbehörde, keine öffentlichen Gelder in Forschungen zu investieren, die „Gen-Editing-Techniken an menschlichen Embryonen“ untersuchen. Im Februar allerdings bewilligte die National Academy of Sciences sowie die National Academy of Medicine die Anwendung von Gentechnik an menschlichen Embryonen, vorausgesetzt es gebe keine „vernünftige Alternative“, und nur um schwere Krankheiten zu eliminieren. Das sei bei den Experimenten der Oregon Health and Science University der Fall.

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