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Christiane Heinicke erzählt von ihrem Jahr auf dem Mars

von Anna Schughart
Wie lebt man auf dem Mars? Bisher weiß das niemand. Aber Christiane Heinicke hat zumindest eine ziemlich gute Vorstellung davon. Sie hat ein Jahr in einer simulierten Marsstation auf Hawaii verbracht. Im Interview erzählt Heinicke vom Alltag im Habitat und ob sie sich vorstellen kann, auch auf dem echten Mars zu leben.

Jetzt ist Christiane Heinicke wieder auf der Erde. Zwar hat sie den Planeten nie verlassen, aber für zwölf Monate war die Geophysikerin praktisch aus dem irdischen Leben ausgeloggt. Zusammen mit fünf weiteren Crewmitgliedern hat Heinicke ein Jahr in Hawaii das Leben in einer Marsstation simuliert. Das heißt: Wohnen auf engstem Raum, nur eingeschränkter und zeitverzögerter Kontakt zur Außenwelt und bei jedem Gang vor die Tür, Raumanzug anlegen. Kein Wunder, dass es da auch zu Spannungen kommt. Warum genau das aber der Vorbereitung auf eine Marsmission hilft, wie sie es schaffte, aus Lavagestein Wasser zu gewinnen und ob sie eine Marsmission für möglich hält, erzählt Christiane Heinicke im WIRED-Interview.

WIRED: Sie haben bis vergangenem Sonntag in einer simulierten Marsstation auf dem Vulkan Mauna Loa gelebt. Endlich wieder „Freiheit“?
Christiane Heinicke: Zuerst haben wir uns am Frühstücksbuffet während einer Pressekonferenz gütlich getan, dann ging es ab in den Pool – das erste Mal schwimmen nach über einem Jahr! Seitdem sind wir in der Nachbesprechung mit dem Forscherteam.

WIRED: Klingt, als sei Ihre Mission eine ganz schöne Herausforderung gewesen?
Heinicke: Sechs Menschen über so lange Zeit auf so engem Raum – da lassen sich Spannungen und Konflikte gar nicht vermeiden. Unsere Herausforderung war es dann, auf diese Konflikte ruhig, aber schnell zu reagieren, soass sie nicht eskalieren konnten.

WIRED: Man bekommt beim Lesen Ihres Blogs zeitweise das Gefühl, die soziale Komponente beschäftigte Sie mindestens genauso sehr wie die wissenschaftliche Mission.
Heinicke: Das soziale Miteinander und die psychologischen Auswirkungen der Simulation stellten ja den KERN des Experiments dar. Meine Zeit habe ich vor allem mit eigenen Experimenten und Forschungsprojekten verbracht, aber das Ziel der Mission war, unser Miteinander im Lauf des Jahres nachzuvollziehen und zu sehen, wie sich die Gruppendynamik auf unsere Produktivität auswirkt.

WIRED: Sie beschreiben in Ihren Blogposts, wie sich die sechsköpfige Gruppe in mehrere Grüppchen aufspaltete…
Heinicke: Die Gruppendynamik hat sich in gewisser Weise schon vor Beginn der Mission abgezeichnet – und im Verlaufe der Mission verstärkt. Zum größten Teil lag die Auftrennung an unterschiedlichen Charaktereigenschaften. Cyprien [Verseux] und ich zum Beispiel waren als die einzigen Europäer deutlich ruhiger als die Amerikaner, und wir zwei zusammen mit Carmel [Johnston] und Tristan [Bassingthwaighte] sind sehr abenteuerfreudig und daher häufig zusammen auf Außeneinsätze gegangen.

WIRED: Muss eine Crew denn gut miteinander auskommen?
Heinicke: Crewmitglieder müssen nicht unbedingt beste Freunde sein, um gut zusammenarbeiten zu können, aber sie müssen Respekt füreinander haben und sich gegenseitig unterstützen.

WIRED: Wie lief ein typischer Tag im Habitat ab?
Heinicke: Wir haben nach unserem eigenen Zeitplan gelebt. Die einzigen Strukturen, die vorgegeben waren, waren die Fragebögen und Experimente, die wir zu bestimmten Zeiten durchführen mussten. Daneben hatten wir gruppenintern einige Zeiten festgelegt, die aber bei Bedarf verschoben werden konnten. Wir haben uns zum Beispiel jeden Tag um halb sieben zum Abendessen getroffen. Mittwochs und Samstags begannen wir alle früh um neun Uhr mit den Vorbereitungen für den jeweiligen Außeneinsatz. Donnerstags hatte ich Küchendienst. Davon abgesehen war unser Tagesablauf stark von der Sonneneinstrahlung beeinflusst: Wir haben unseren Strom aus Solarpaneelen bezogen und konnten elektrische Geräte daher vor allem tagsüber betreiben. Wir haben daher meist am frühen Nachmittag, lange vor Sonnenuntergang, gekocht. Mittags gab es häufig Reste vom Vortag.

WIRED: Sie haben während ihrer Mission nur sporadisch und mit Zeitverzögerung Kontakt zur Außenwelt halten können. Verändert sich das Verhältnis zum „irdischen“ Alltag in dieser Abgeschiedenheit?
Heinicke: Ich persönlich habe die Nachrichten verfolgt, andere Crewmitglieder haben Nachrichten bewusst vermieden. Am Alltag meiner Freunde und Familie konnte ich natürlich nicht direkt teilnehmen, aber ich habe gelegentlich mit ihnen kurze Videonachrichten ausgetauscht.

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WIRED: Hatten Sie denn zwischenzeitlich wirklich das Gefühl, tatsächlich auf dem Mars zu sein?
Heinicke: In gewisser Hinsicht ja. Natürlich haben wir beim Blick aus dem Fenster einen blauen statt eines roten Himmels gesehen, und gelegentlich Wolken, die es auf dem Mars so nicht gibt. Durch unsere abgeschiedene Lage, die sehr andersartige Landschaft und unsere stark beschränkte Kommunikation mit der Außenwelt waren wir aber tatsächlich beinahe so isoliert wie Menschen auf einem anderen Planeten.

WIRED: Ihre Aufgabe während der Mission bestand unter anderem darin, aus Lavagestein Wasser zu gewinnen. Hat das funktioniert?
Heinicke: Ich habe ein kleines Konstrukt gebaut, das ein wenig einem Gewächshaus ähnelt. Allein durch Sonneneinstrahlung ist Wasser aus dem Boden verdampft und wurde anschließend durch das „Gewächshaus“ aufgefangen.

WIRED: Lässt sich so ein System auf den Mars übertragen?
Heinicke: Das Verfahren ist simpel und leicht nachzubauen – auch auf dem Mars. Der Boden um unser Habitat ähnelt echtem Marsboden in vielerlei Hinsicht, insbesondere auch, was den Wassergehalt angeht: Auf dem Mars Wasser zu gewinnen, ist also nicht viel schwieriger als am trockenen Hang des Mauna Loa.

WIRED: Klingt, als sei die Vorstellung, dass eines Tages Menschen auf dem Mars leben, durchaus realistisch.
Heinicke: Ja. Der erste Schritt wird sein, eine kleine wissenschaftliche Station dort aufzubauen. Später kann diese gegebenenfalls erweitert werden und mehrere Personen umfassen, ähnlich wie Militärposten auf der Erde. Das wird natürlich ein paar Jahrzehnte dauern, ist aber keineswegs unmöglich.

WIRED: Sie wollen jetzt als Astronautin auf die Internationale Raumstation, aber würden Sie auch an einer Marsmission teilnehmen?
Heinicke: Klar, solange die richtigen Menschen dabei sind, die Technik ausgereift ist und es einen Rückflug gibt.

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