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Big Data aus dem All hilft der Erde, sich auf ihre Zukunft vorzubereiten

von Anna Schughart
Die Erde steht immer unter Beobachtung, zahlreiche Satelliten umkreisen sie und sammeln riesige Datenmengen. Doch wie hilft das bei den größten Herausforderungen unserer Zeit?

So viele waren sie noch nie auf einem Living Planet Symposium. Alle drei Jahre treffen sich die Wissenschaftler, die mit den Daten der ESA-Erdbeobachtungssatelliten arbeiten, um ihre Ergebnisse zu diskutieren. Diese Woche sind dazu mehr als 3300 Menschen nach Prag gekommen. Das wirkt nur angemessen, schließlich sind auch die Herausforderungen, vor denen die Wissenschaftler – ja, eigentlich der ganze Planet – stehen, entsprechend groß. Einfach ausgedrückt: Der Klimawandel wird 9,7 Milliarden Menschen betreffen.

Doch wie können die zahlreichen Satelliten im All da weiterhelfen? „Wir müssen die Erde besser managen und darauf vorbereiten, dass im Jahr 2050 fast zehn Milliarden Menschen hier leben werden“, sagt Wolfram Mauser, Professor an der LMU München und Vorsitzender des ESA Earth Science Advisory Committees, gegenüber WIRED. Und das geht nur, wenn man sie ganz genau beobachtet.

Die europäischen Erdbeobachtungssatelliten teilen sich in drei Kategorien auf. Es gibt meteorologische Satelliten, die das Wetter beobachten und abends die Bilder für die Tagesschau liefern. Diese Wettersatelliten machen grobe Aufnahmen von der Welt, ein Pixel deckt mehrere Kilometer ab. Für die feineren, hochauflösenden Bilder sind die Sentinel-Satelliten des Copernicus-Programms zuständig. Sie beobachten Land und Wasser und liefern zahlreiche Daten zum aktuellen Zustand der Erde. Die dritte Gruppe bilden Forschungssatelliten, die Earth Explorers. Sie sollen Technologien testen und neue Erkenntnisse liefern.

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Die Earth Explorers sind wie speziell gezüchtete Rennpferde, die ganz bestimmte Aufgaben übernehmen und neue Verfahren ausprobierten. „Die Sentinel-Satelliten sind dagegen die Arbeitspferde“, sagt Mauser. „Sie machen die tägliche Umweltbeobachtung.“ Erweisen sich die Techniken der Earth-Explorer-Satelliten als hilfreich, werden sie auch bei den Sentinel-Satelliten implementiert.

Die europäische Erdbeobachtung wird in den kommenden Jahren wachsen. Das Copernicus-Programm wird ausgeweitet, weitere Sentinel-Satelliten sollen die Erde umrunden. Sie werden laut Mauser über Jahre hinweg gesichert Informationen über die Erdoberfläche liefern.

Aber auch mit den Earth Explorers hat die ESA in den kommenden Jahren viel vor. Vier Missionen gab es bisher schon, drei davon sind noch aktiv, vier weitere sind geplant. Bisher ging es vor allem darum, sagt Mauser, die Erde als Erdkörper zu untersuchen. Das heißt zum Beispiel: Wie funktioniert das Gravitationsfeld? Warum wird das Magnetfeld der Erde immer schwächer? Oder: Wie kann man die Bodenfeuchte messen? Doch mit den vier neuen Missionen verschiebt sich der Fokus: Die Umweltbeobachtung wird wichtiger.

Biomass, der 2020 startet, soll zum Beispiel die Biomasse von Regenwäldern messen und die Frage beantworten: Wie viel Kohlenstoff ist darin eigentlich gebunden? FLEX hingegen schaut nach dem Zustand der Pflanzen: Wenn Pflanzen gestresst sind, zum Beispiel, weil sie zu wenig Wasser haben, strahlen sie überschüssige Energie ab. Erfasst man diese Fluoreszenz, kann man sagen, wie gut es den Wäldern und Äckern geht – und so etwa Erträge steigern.

Doch schon heute sammeln die verschiedenen Satelliten tagtäglich enorme Mengen an Daten. Erdbeobachtung – das ist Big Data. Die Informationen kann man einerseits nutzen, um direkt aktiv zu werden. Beispielsweise lässt sich vor dem Blick aus dem All kaum etwas verheimlichen: „Wenn wir die Zerstörung – wie zum Beispiel das Abholzen von Wäldern – eindämmen wollen, dann müssen wir sie beobachten“, sagt Mauser.

„Wir müssen die Schäden dokumentieren und Alarmsysteme erzeugen, die diese Schäden melden.” Eine andere Technik, die unmittelbar helfen kann, befindet sich zurzeit an Bord des SMOS-Satelliten. Sie misst unter anderem die Bodenfeuchte. Wenn man weiß, wie groß die Wasserreserven im Boden sind, kann man die Ernteerträge besser abschätzen.

Gleichzeitigen verbessern die Daten aus dem All die Modelle, die Wissenschaftler auf der Erde erstellen. Das Abbild der Wirklichkeit wird so immer genauer. „Wenn wir ein Modell mit dem, was wir gemessen haben, vergleichen und dabei Unterschiede feststellen, dann sind diese Unterschiede die Fehler in unserem Verständnis“, sagt Mauser. Dank der Hilfe von CryoSat weiß man zum Beispiel, wie stark Antarktis und Arktis vom Klimawandel betroffen sind.

Zu verstehen, wie die Erde funktioniert, ist wichtig, um vorauszusagen, was passiert, wenn sich einzelne Faktoren (zum Beispiel durch den Klimawandel) verändern – und dann gute Vorschläge zu machen, was man dagegen tun könnte. „Die Satelliten können nicht in die Zukunft schauen, das können nur die Modelle“, sagt Mauser.

Doch wird das reichen, um zehn Milliarden Menschen zu ernähren, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen? „Ohne diese Techniken werden wir es überhaupt nicht schaffen“, sagt Mauser. „Die Natur ist nicht auf zehn Milliarden Menschen eingestellt. Wir brauchen die Technik, um mit der Natur zusammen eine Lebensgrundlage zu schaffen, bei der am Ende wir und die Umwelt überleben.“ Er ist zuversichtlich, dass das gelingen kann. „Was wir jetzt machen, ist eine Revolution. Vor 40 Jahren sind wir ohne Kompass in die Zukunft navigiert. Inzwischen wissen wir, dass es den Klimawandel gibt und dass wir ihn auslösen. Wir wissen aber auch, was man dagegen tun kann.“

So appelliert Mauser am Ende seines Vortrags auf dem Living Planet Symposium vor allem an die vielen jungen Wissenschaftler, die, angelockt durch Big Data, Interesse an der Erdbeobachtung haben und – fasziniert von den Möglichkeiten der Datenanalyse – an Anwendungen arbeiten: „Investiert all eure Mühen, eure Fähigkeiten, um mit Erdbeobachtung zu einer besseren Welt beizutragen.“ 

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