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Der Stammbaum des Lebens bekommt ein Update

von Anna Schughart
Wissenschaftler haben einen neuen Stammbaum des Lebens entwickelt, der mehr als tausend neue Lebewesen beinhaltet. Er zeigt: Pflanzen, Tiere und Menschen sind in der Minderheit, die Erde wird von den Bakterien beherrscht.

Was sind Lebewesen? Spontan lautet die Antwort meistens: Pflanzen, Tiere, Menschen – also das, was Menschen selbst wahrnehmen. Doch Pflanzen, Tiere und Menschen machen nur einen Bruchteil der Biodiversität der Erde aus. Wie die Verhältnisse wirklich sind, zeigt ein überarbeiteter Stammbaum des Lebens, den Wissenschaftler der UC Berkeley nun veröffentlicht haben.

Um die vielen Lebewesen der Erde zu kategorisieren, muss man mehr unterscheiden als Fische, Insekten und Säugetiere. Ja, nicht einmal die Frage, ob ein Lebewesen aus einer oder mehreren Zellen besteht, führt einen zu den untersten Verästelung im großen Lebewesen-Stammbaum.

Die drei großen Gruppen, beziehungsweise Domänen, in die sich Lebewesen einteilen lassen sind nämlich: Archaeen, Bakterien und Eukaryoten. Archaeen wurden früher auch mal Urbakterien genannt und haben wie die Bakterien keinen richtigen Zellkern. Darin unterscheiden sie sich von den Eukaryoten, zu denen Menschen, Tiere und Pflanzen gehören.

Viele dieser Lebewesen waren aber lange Zeit nicht im Lebewesen-Stammbaum repräsentiert – man wusste nicht, dass sie existieren. Mit neuen Techniken können Wissenschaftler sie heutzutage jedoch aufspüren. Sie müssen nur suchen. Entweder an außergewöhnlichen Orten wie den heißen Quellen des Yellowstone-Nationalparks, im Mund von Delfinen und in Chilenischen Wüsten oder einfach nur im Flussschlamm oder Wiesenboden. Die Wissenschaftler aus Berkeley haben so in den vergangenen 15 Jahren mehr als eintausend neue Bakterien und Archaeen entdeckt.

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Grund genug, dem Stammbaum des Lebens ein Update zu verpassen. Ein solcher sogenannter phylogenetischer Baum zeigt die evolutionären Beziehungen zwischen verschiedenen Arten. Wo die Linien zweier (oder mehrerer) Arten aufeinandertreffen, gibt es einen gemeinsamen Verwandten. Um den neuen Stammbaum zu kreieren, berechnete ein Supercomputer aus 1011 neuen und 2072 bekannten Spezies verschiedene mögliche Stammbaum-Alternativen.

Der Stammbaum, den Laura Hug und ihre Kollegen aus Berkeley am plausibelsten fanden, zeigt einmal wieder, dass Bakterien die eigentlichen Herrscher der Erde sind. Die große Überraschung ist jedoch der Ast, der einer neu entdeckten Bakterien-Gruppe namens „Candidate phyla radioation“ repräsentiert. Sie besteht aus Bakterien mit symbiotischem Lebensstil, die rund die Hälfte der Bakterien-Diversität ausmachen. Diese Bakterien lassen sich nicht kultivieren.

Und so stammen viele der Abstammungslinien im neuen Stammbaum von Lebewesen, von denen die Wissenschaftler nur Genomsequenzen zur Verfügung hatten. Weil viele Bakterien sich nicht im Labor kultivieren lassen, entnahmen die Wissenschaftler einzelne Gensequenzen direkt aus der Umwelt und setzten sie dann zusammen, wie bei einem großen Puzzlespiel. Ein Verfahren, mit dem sich womöglich noch weitere unbekannte Archaeen und Bakterien finden lassen.

Jill Banfield, die ebenfalls als Autorin an dem neuen Paper mitwirkte, glaubt dagegen, dass die Bakterien-Zweige sich in den kommenden Jahren nicht mehr stark verändern werden: „Wir beginnen, die gleichen Dinge immer und immer wieder zu sehen“, sagte sie der New York Times. Die nächsten Entdeckungen werde es stattdessen vermutlich bei den Eukaryoten geben. Um die Übermacht der Bakterien auszugleichen, wird das aber wohl nicht reichen. 

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