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Forscher im WIRED-Interview: „Eine Supernova ist der Traum jedes Astronomen“

von Anna Schughart
Wenn Sterne explodieren, dann hat das Folgen — auch für die Erde. Ein Wissenschaftler-Team aus Berlin hat nun Spuren von Supernovae gefunden. „Wenn Sie damals mit den Hominiden durch die Savanne spaziert wären, hätten Sie diese spektakulären Sterne am Himmel gesehen, die für einige Zeit so hell wie der Vollmond sind“, sagt Teamleiter Breitschwerdt. Sein Traum: „Einmal eine Sternexplosion sehen“ – auch wenn die bei zu großer Nähe alles Leben auslöscht.

Dieter Breitschwerdt von der Technischen Universität Berlin und sein Team haben untersucht, wann und wo in der „jüngsten“ Zeit in der Nähe der Erde Supernovae explodiert sind. Wie sie das herausgefunden haben, welche Folgen Supernovae-Explosionen haben können und was Supernovae überhaupt sind, erklärt Breitschwerdt im WIRED-Interview.

WIRED: Was sind Supernovae?
Dieter Breitschwerdt: Eine Supernova ist der letzte Todeshauch eines sterbenden Sterns. Sterne werden geboren und fusionieren in ihrem Zentrum Wasserstoff zu Helium. Dabei wird Energie gewonnen und deswegen leuchten Sterne. Aber der Energievorrat ist begrenzt. Wenn ein Stern ihn verbraucht, dann wird es für ihn katastrophal.

WIRED: Wieso?
Breitschwerdt: Wenn die Energiequelle wegfällt, dann wird der Stern instabil. Die Sterne fangen dann an, zu kollabieren, wobei für die massereichen dieser Kollaps katastrophal ist. Im Inneren befindet sich ein Neutronenstern. Das ist ein sehr kompaktes Objekt, in das die äußeren Schichten des Sterns mit Überschallgeschwindigkeit hineinstürzen. Dabei entsteht eine Schockwelle, die sich dann nach Außen ausbreitet. Es zerreißt den Stern und das meiste seiner Masse wird in die Umgebung geschleudert.

WIRED: Sie haben untersucht, wann und wo in jüngster Zeit Supernovae in der Nähe der Erde explodierten. Wie haben Sie das gemacht?
Breitschwerdt: Unser Sonnensystem ist eine sehr dünne und sehr heiße Region eingebettet, die man „Lokale Blase“ nennt. Man wusste bisher allerdings nicht, wie diese „Lokale Blase“ entstanden ist. Aber es gab die Vermutung, dass Supernovae dafür verantwortlich sind. Doch den Sternhaufen, in dem es diese Supernovae gegeben hat, sozusagen den „rauchenden Colt“, den hatte man bisher nicht gefunden.

WIRED: Das war also der Ausgangspunkt für ihre Untersuchung. Sie wollten den Sternhaufen finden, der die „Lokale Blase“ erzeugt hat.
Breitschwerdt: Genau, wir haben gesagt: Wir sehen, diesen Sternhaufen zwar nicht in der Nähe unseres Sonnensystems, aber vielleicht liegt das daran, dass er sich inzwischen wo anders hin bewegt hat. Wir haben also nachgeschaut, ob es irgendwo einen Sternenhaufen gibt, der früher an einem anderen Ort war.

WIRED: Und haben Sie etwas gefunden?
Breitschwerdt: Ja, wir haben einen Sternenhaufen gefunden, der auf den ersten Blick so aussah, als gehöre er zu einer anderen Gruppe dazu. Wenn man sich aber die Geschwindigkeiten der verschiedenen Sterne anschaute, dann war klar: Er gehört nicht dazu. Wir haben dann sozusagen den Film rückwärts laufen lassen und bemerkt, dass sich diese Sternengruppe an unserem Sonnensystem vorbei bewegt hat und auf eine Nähe von bis zu 300 Lichtjahren gekommen ist. Das waren also wohl die Sterne, deren massereichen Mitglieder explodiert sind und die dann diese Lokale Blase erzeugt haben, in der sich unsere Sonnensystem heute befindet.

WIRED: Der rauchende Colt war also gefunden. Aber wie haben Sie herausgefunden wo und wann diese Supernovae explodiert sind?
Breitschwerdt: Von der Masse der Sterne, die noch da sind, kann man nach den Modellen der Massenverteilung die Masse der Sterne errechnen, die explodiert sind. Wenn man die Masse der Sterne kennt, kann man auch ihre Lebensdauer errechnen, denn: Die Lebensdauer eines Sterns korreliert mit der Masse. Je mehr Masse er hat, desto schneller stirbt er. Anschließend haben wir das Alter des Sternhaufens bestimmt. Und dann kann man folgende Rechnung machen: Das Alter des Haufens minus der Lebenszeit eines Sterns, ist seine Explosionszeit.

WIRED: Damit wussten Sie also, wann die Supernovae explodiert sind. Aber wie weiß man, wo sie sich ereigneten?
Breitschwerdt: Dazu haben wir alle vorhandenen Sternbahnen in diesem Haufen zusammen mit den Unsicherheiten in den Daten zurückgerechnet und bestimmt, wo sich die meisten überlappen: Dort besteht die höchste Wahrscheinlichkeit, dass auch die Supernovae explodierten. Jetzt hatten wir die Orte und Zeiten der Supernovae.

WIRED: Endlich.
Breitschwerdt: Ja, aber jetzt ging es erst richtig los. Denn dann haben wir versucht die Transportwege von Fe60 zu bestimmen.

WIRED: Fe60?
Breitschwerdt: Das ist ein radioaktives Eisenisotop, das auch in den Weltraum hinausgeschleudert wird, wenn ein massereicher Stern explodiert. Fe60 gibt es außerdem nicht natürlich auf der Erde. Jedes Fe60-Atom, das wir heutzutage finden, muss also aus dem Weltraum stammen. Genauer gesagt: Von den Supernovae, die auch unsere „Lokale Blase“ erzeugt haben. In den Ozeanen kann man Proben von Fe60 nehmen. Wenn man diese Proben mit unseren Berechnungen vergleicht, dann stimmen sie über ein.

WIRED: Das heißt, Sie können nun sagen, welche Supernovae für die Fe60-Anteile auf der Erde verantwortlich sind?
Breitschwerdt: Ja, ein Peak in den Proben stammt zum Beispiel von einer Supernovae, die sich vor 2,3 Millionen Jahren ereignet hat. Das passt genau zu unseren Berechnungen: Denn das war der Zeitpunkt, in dem dieser Sternhaufen der Erde mit einer Entfernung von 280 Lichtjahren am nächsten war.

WIRED: Ist das besonders nahe?
Breitschwerdt: Statistisch ereignen sich zwei bis drei Supernovae pro Jahrhundert in unserer Milchstraße. Also eigentlich könnte ein Mensch schon zwei bis drei Supernovae in seinem Leben erleben. Fakt ist aber: Seit Johannes Keppler, also seit 1604, hat man keine Supernova in der Milchstraße direkt beobachtet. Die nächste, die wir gesehen haben, war vor 30 Jahren in der Magellanschen Wolke. Das war damals ein Riesenspektakel in den Medien und für die Astrophysiker, dabei war sie 180 000 Lichtjahre entfernt! Wir reden jetzt von Supernovae, die sich in nur 300 Lichtjahre Entfernung ereigneten. Wenn Sie damals mit den Hominiden durch die Savanne spaziert wären, hätten Sie diese spektakulären Sterne am Himmel gesehen, die für einige Zeit so hell wie der Vollmond sind. Man hätte sie sogar bei Tageslicht sehen können — und das über Wochen und Monate.

WIRED: Welche Folgen hatten die nahen Supernovae denn für die Erde?
Breitschwerdt: Zu erst einmal: Supernovae sind wichtig, weil alle chemischen Elemente, die schwerer als Helium und Wasserstoff sind, in diesen Sternen erzeugt werden. Jedes Kohlenstoffatom zum Beispiel, war irgendwann mal in einem Stern und wurde dann hinaus in das Universum geschleudert. Nur so können Planeten wie die Erde entstehen. Allerdings: Bei einer Supernovae wird in kurzer Zeit eine Strahlung abgeben, die so groß ist, wie die Strahlung aller hundert Milliarden Sterne in der Milchstraße zusammen.

WIRED: Ist das nicht gefährlich?
Breitschwerdt: Die Wissenschaft geht davon aus, dass der „Kill-Radius“ bei etwa 30 Lichtjahren liegt. Alles, was weniger entfernt ist, führt zu Massensterben auf der Erde. Die Strahlung ist dann einfach tödlich. Das kommt aber nur alle Milliarden Jahre mal vor. Es gibt aber Hinweise, dass es vor 500 Millionen Jahren mal ein so ausgelöstes Massensterben gab.

WIRED: Und wenn man weiter weg ist?
Breitschwerdt: Dann können Supernovae-Explosion zum Beispiel zu klimatischen Veränderungen oder sogar zu einem nuklearen Winter führen. Es wird dann furchtbar kalt, die Erde vergletschert. Das passierte auch zu der Zeit, als unsere Supernovae explodierten, also vor 2,3 Millionen Jahren, als die Entfernung 270 Lichtjahre betrug. Solche Ereignisse führen zu einem Anpassungsdruck für Spezies. Sie könnten also auch die Entwicklung des Lebens beeinflusst haben. Ich halte es für möglich, dass das auch einen Einfluss, auf die Entwicklung des Gehirns beim Menschen gehabt haben könnte. Aber das ist reine Spekulation. Ich denke aber, dass unsere Daten einen schönen Ausgangspunkt liefern, um das genauer zu untersuchen. Was wir durch unsere Untersuchungen auch sagen können, und was für die meisten beruhigend sein dürfte: Es wird in den nächsten 10 Millionen Jahren sicher keine Supernova geben, die näher ist als die von uns gefundenen.

WIRED: Klingt aber auf jeden Fall so, als ob man sich von Supernovae fern halten sollte.
Breitschwerdt: Eine Supernova ist der Traum eines jeden Astronomen. Jeder möchte einmal in seinem Leben eine beobachten. Mir persönlich wäre das sogar egal, ob ich da zu nahe dran bin, Hauptsache ich würde sie einmal sehen. 

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