Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Werden Weltraumaufzüge für immer Science-Fiction bleiben?

von Anna Schughart
Die Idee klingt super: Ein Aufzug verbindet die Erde mit dem All. Doch wie realistisch sind die Konzepte für Weltraumlifts? Ihr Bau sei keine Frage der Technologie mehr, sagt Bradley Edwards, sondern bloß noch eine der Finanzierung.

Analemma, das Hochhaus aus den Wolken. Ein gigantisches Gebäude, das am einen Ende an einem Asteroiden festgemacht ist und mit dem anderen über die Erde schwebt. Bewohnt von Menschen, die morgens auf dem Weg zu Arbeit einfach mit dem Fallschirm über New York abspringen. Für sein Design eines Wolkenkratzer (der eher an der Erde kratzt) hat das New Yorker Clouds Architecture Office viel Aufmerksam bekommen.

Doch so neu ist die Idee gar nicht. Die Science-Fiction-Literatur ist voll von ähnlichen Beispielen. Seien es die „Cradle“ in Neal Stephensons Seveneves (deutsch: Amalthea), die Weltraumaufzüge in Frank Schätzings Limit oder jene in den Werken von Arthur C. Clarke und Charles Sheffield. Sie alle basieren auf einer gemeinsamen Ursprungsidee aus dem Jahr 1895: dem Weltraumlift. Seit dem 19. Jahrhundert tüfteln Wissenschaftler und Ingenieure an seiner Umsetzung.

„Wenn jemand es wollte, könnte man schon sehr bald mit dem Bau eines Weltraumlifts beginnen“, sagt Bradley Edwards. Der Physiker ist Experte, sein Konstruktionsvorschlag wird meist zitiert, wenn es um den Bau eines Aufzugs ins All geht. Edwards hält die Probleme, über die sich Weltraumlift-Konstrukteure den Kopf zerbrechen, für lösbar.

Ein Aufzug würde den Weltraum wirklich öffnen

Bradley Edwards, Physiker

Die grundlegende Idee hinter dem Weltraumaufzug ist einfach: Er soll Ladung und Menschen ohne Raketen ins All bringen. Die Lifts sollen also eine billige Raumfahrt-Alternative sein. Denn, so die Argumente der Weltraumlift-Befürworter: Wer mit einer Rakete versucht, der Erdanziehung zu entkommen, zahlt für jedes Kilo teures Geld. Ein Weltraumaufzug würde sich vergleichsweise gemächlich ins All aufmachen, dabei aber mehr und das preiswerter transportieren können.

 

Der erste Weltraumlift könnte laut Edwards so gebaut werden: Von einem Satelliten lässt man ein langes Seil herunter auf eine Plattform auf der Erde. Mit „lang“ meint Edwards etwa 100.000 Kilometer, dann nämlich verhält sich das Seil so wie bei einem Hammerwurf: Durch die Drehbewegung des Hammerwerfers (der Erde), spannt sich das Seil des Hammers (des Weltraumaufzugs), weil die Hammerkugel (der Satellit) nach außen gezogen wird. So können sogenannte Climber am ersten Seil hinauf klettern und es wie Spinnen weiter konstruieren. Die Climber würden sich am Ende des Seils sammeln und das Gegengewicht bilden. Damit das Seil nicht von Weltraumschrott oder Meteoriten getroffen und eventuell durchtrennt wird, schwimmt die Basis auf dem Meer. So kann sie ausweichen und ist außerdem geschützter vor dem Wetter.

Nimmt der erste Weltraumaufzug dann seine Arbeit auf, können Menschen und Material in Climbern entspannt und ohne das furchtbare Geruckel von Raketenstarts ins All schweben. Sie können zum Beispiel auf einer Höhe von 60.000 oder 70.000 Kilometern aussteigen und zum Mond fliegen. Oder sie fahren noch weiter, um sich Richtung Mars aufzumachen. Oder zum Jupiter. Oder in den Asteroidengürtel. „Ein Weltraumaufzug würde den Weltraum wirklich öffnen“, sagt Edwards.

Als letzte Hürde gilt allgemein das Seil: Es muss stark genug sein und darf nicht unter dem eigenen Gewicht reißen. Edwards glaubt, ein passendes Material sei bereits gefunden: Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Es gibt Menschen, die das bezweifeln, aber Edwards ist überzeugt, dass die Nanoröhrchen sich in ausreichender Länge und Menge herstellen lassen: „Wir können sie stark genug machen.“ Edwards Firma stellt Kohlenstoff-Nanoröhrchen her, allerdings nicht für Weltraumlifte, sondern für 3D-Drucker.

„Zu diesem Zeitpunkt sind Weltraumlifts keine Frage des Materials mehr“, sagt er deshalb. Es müsse sie nur jemand bauen. Japan will in den kommenden Jahrzehnten einen Lift konstruieren, auch das private Unternehmen Liftport hat in der Vergangenheit ähnliche Absichten angekündigt. Doch die meisten anderen, die sich den Bau leisten könnten, halten sich vorsichtig zurück – und dass obwohl „man damit Billionär werden könnte“. Doch: Wer 15 Milliarden Dollar für einen Space Elevator auf den Tisch lege, wolle nicht fünfzehn Jahre warten, bis alle Studien durchgeführt, alle Genehmigung erteilt und die Konstruktionen tatsächlich abgeschlossen sind, sagt Edwards.

Die einzige wirkliche Alternative zu Raketen

Bradley Edwards, Physiker

Bis dahin werden die Weltraumaufzüge wohl vor allem weiter in der Fantasie gebaut. Inzwischen gibt es Pläne für Skyhooks, Orbital Rings oder andere Strukturen. „So verwegen die Idee eines Space Elevators aussieht, sie ist die einzige wirkliche Alternative zu Raketen“, sagte Edwards.

Und der Analemma-Turm? Wird wahrscheinlich nie gebaut. „Einen Asteroiden einzufangen und auf eine Erdumlaufbahn zu führen, wäre teurer als jedes andere Projekt“, sagt Edwards. „Und es wäre wahrscheinlichste das Gefährlichste, was die Menschheit je tun würde – abgesehen davon, ein schwarzes Loch auf der Erde zu kreieren.“ Aber selbst wenn Analemma den Asteroiden nicht bräuchte –  die Masse der Konstruktion sei so gigantisch, dass selbst Kohlenstoff-Nanoröhrchen sie nicht halten könnten.

Es scheint also, als müssten wir noch eine ganze Weile auf einen Fahrstuhl ins All warten. Ganz zum Schluss weckt Edwards dann aber doch noch ein bisschen Hoffnung: „Wir arbeiten gerade an einer einmaligen Einrichtung, die Ingenieurswesen, Design, Bildungsangebote und Unterhaltung verbindet, um zum Referenzpunkt für Space Elevators zu werden.“ Details will er noch nicht verraten, erst mal müsse die Finanzierung stehen, nur so viel: „Wir werden vielleicht tatsächlich einen Weltraumlift bauen können.“

GQ Empfiehlt
Was die einjährige Mars-Simulation brachte

Was die einjährige Mars-Simulation brachte

von Pearl Abbey-Obaro