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Bochumer Weltpremiere: Ein Junge überlebt dank gezüchteter Haut

von WIRED Staff
Ärzten vom Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum erklären die Transplantation von Haut gelungen, die großflächig aus Stammzellen gezüchtet wurde. Einen Junge mit einer seltenen Erbkrankheit konnten sie mit ihr retten. Es ist der weltweit erste erfolgreiche Einsatz von genetisch modifizierter Haut aus dem Labor in dieser Größenordnung.

Seit seiner Geburt kannte der heute sieben Jahre alte Hassan seine Haut nur als schmerzenden, wunden und ständig infizierten Teil seines Körper. Er hat die seltene Erbkrankheit Epidermolysis bullosa. Kinder wie Hassan werden auch Schmetterlingskinder genannt, weil die sehr empfindliche Haut einem Schmetterlingsflügel gleicht. Jedes Scheuern, jede kleinste Verletzung führt sofort zu Blasen. Heilbar ist die Krankheit nicht. Wer sie hat, stirbt meist früh; an Infektionen oder Hautkrebs.

Für Hassan allerdings gibt es neue Hoffnung, denn er ist der erste Fall einer erfolgreichen Transplantation fast der gesamten Körperhaut. Die Familie und Ärzte hatten diesen Eingriff gewagt, weil das Leben des Jungen 2015 extrem bedroht war: Der damals Fünfjährige musste mit großflächigen Wunden ins Bochumer Klinikum auf die Station für Brandverletzungen eingeliefert werden und entwickelte eine Blutvergiftung.

Nachdem Behandlungsversuche mit Antibiotika und Ernährungsumstellungen scheiterten, gelang auch der Versuch von Hauttransplantaten von Hassans Vater nicht, weil Hassans Körper sie abstieß. Schließlich kontaktierten die behandelnden Ärzte auf Wunsch der Eltern Michele de Luca vom Zentrum für regenerative Medizin in Bologna. Eine experimentelle Therapie schien eine der nur noch wenigen Chancen zu sein.

De Luca nahm eine Probe nicht-befallener Haut, isolierte Zellen und manipulierte in diesen das Gen LAMB3, um gesunde Hautzellen ohne Gendefekt herzustellen, wie im Fachblatt Nature nachzulesen ist. Innerhalb eines Monats züchtete das Team in Bolgona dann transplantierbare Hautlappen. Diese konnten dann von dem plastischen Chirurgen Tobias Hirsch in zwei längeren Operationen in Bochum genutzt werden, um die kranke Haut des Jungen zu ersetzen.

Anders als bei herkömmlichen Hauttransplantaten wachsen der im Labor gezüchteten Haut sowohl Körperhaare als auch Schweißdrüsen, wodurch eine lebenslange Behandlung mit Cremes nicht notwendig ist. Hassan konnte nach acht Monaten aus dem Krankenhaus entlassen werden. Nach zwei Jahren Beobachtung erklären seine Ärzte ihn jetzt für geheilt.

Wobei das Risiko nicht ganz auszuschließen ist, dass auch die neue Haut irgendwann Tumore entwickelt. Aber angesichts der zuvor geringen Überlebenschance des Patienten gilt der Erfolg der Behandlung mit gezüchteter Haut als wichtiger Präzedenzfall. In Europa haben etwa 35.000 Kinder die Schmetterlingskrankheit.

De Luca arbeitet nun mit zwei weiteren ähnlich erkrankten Patienten an einer klinischen Studie seiner Methode. Sollte sich der große Erfolg des ersten Falls wiederholen, könnte die Nachzucht von Haut aus Stammzellen weltweit viele Leben retten und die Lebensqualität der Transplantatsempfänger langfristig deutlich verbessern.

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