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Der Hyperloop und das Rennen um den schnellsten Zug der Welt

von Max Biederbeck
Er ist eines der wahnwitzigsten Mobility-Projekte der Welt: Der Vakuum-Zug Hyperloop soll tatsächlich Realität werden. Und jeder will sie starten, die Revolution der High-Speed-Fortbewegung. Ein Wettbewerber versucht schon im kommenden Jahr zu beweisen, dass er die Nummer eins ist.

Für Dirk Ahlborn ist die Kulisse perfekt. Noch liegt sie unbebaut da, im Staub und Ackerland unter ewig blauem Himmel. Nichts außer ein paar Highways, die sich bis zum Horizont ziehen. Aber schon bald soll Quay Valley zu einem Ort werden, der die Menschen begeistert. Eine 75.000-Einwohner-Stadt zwischen Los Angeles und San Francisco, voll gepackt mit Hightech. Ein Mekka des 21. Jahrhunderts.

„Alles wird energieeffizient ablaufen über Solarkraftwerke, intelligente Transportsysteme, sogar ein eigener Vergnügungspark soll integriert werden“, schwärmt Ahlborn. Und natürlich seine Röhren. Denn 2016 rücken auch seine Teams an. Sie werden Bodenproben nehmen, das Gebiet abstecken, Stützbalken ins Ackerland rammen und Vakuumpumpen installieren. Das Ziel ist eines der ehrgeizigsten Startup-Projekte weltweit. Geht es nach Ahlborn, soll seine Version des Hyperloop als erste den Verkehr revolutionieren. Aber der deutsche Unternehmer ist nicht der einzige im Rennen um den schnellsten Zug der Welt.

Alles begann mit der Idee eines exzentrischen Multimillionärs. Der CEO von Tesla Motors und SpaceX Elon Musk schwadroniert in seiner Freizeit gern über technische Revolutionen. Im August 2013 veröffentlichte er ein White Paper, das ein neuartiges Transportsystem erdachte. Der Hyperloop soll in seiner Vision Zugkabinen durch überirdische Röhren jagen, die sich über hunderte Kilometer erstrecken. Der Clou: In den Tunneln herrscht ein extrem niedriger Luftdruck, nahe am Vakuum. Durch den minimalen Widerstand können die Kabinen und ihre Insassen fast auf Schallgeschwindigkeit beschleunigen. Die Strecke von München nach Hamburg? In weniger als einer Stunde machbar.

Aber wie das mit exzentrischen Millionären so ist, haben wie meist wenig Zeit für die Umsetzung ihrer Ideen. Also forderte Musk alle anderen dazu auf, seinen Plan zu verwirklichen.

Ahlborn, Mitbegründer der Crowdsourcing-Plattform JumpStartFund war der erste. Eigentlich stellt er auf seiner Website Projekte vor und sucht in der Crowd Fachleute, die bereit sind zu helfen. Diesmal machte er selbst mit. Über einen Kontakt bei SpaceX kam es zu Gesprächen mit den Experten des Unternehmens. Und schon bald stellte Ahlborn ein Angebot zur Hyperloop-Mitarbeit auf seine Plattform.

„Das Interesse der User war riesig. Aus der ganzen Welt wollten Leute dabei sein“, erzählt der Unternehmer. Kurz darauf gründete er gemeinsam mit der Community das Unternehmen Hyperloop Transportation Technologies Inc. (HTT). Es hat heute mehr als 700 aktive Mitarbeiter. Ingenieure, Programmierer, Designer und Manager. In 42 Teams schuften sie rund um die Welt, um ihren Vakuum-Zug Realität werden zu lassen. Mindestens zehn Stunden die Woche, nur mit dem Versprechen, irgendwann an den Aktien der Firma beteiligt zu werden. Geld fließt keins. Dabei geht es um wahnsinnig viel davon.

Eine Meile des neuen Systems wird laut Analysten inklusive beider Fahrtrichtungen rund 45,3 Millionen Dollar kosten, knapp 42,8 Millionen Euro. „Wir werden den Preis mit innovativen Materialien an die 20 Millionen annähern“, erklärt Jamen Koos, Mitarbeiter bei Cisco und verantwortlich für das Product Management bei HTT bei Forbes.

Das sind riesige Beträge, die schon bald die Konten wechseln sollen, um das Projekt der Freiwilligen möglich zu machen. Aber Ahlborn bleibt gelassen: „Im Vergleich zu High-Speed-Rail-Projekten sind wir wesentlich günstiger.“ Seine Pläne würden etwa die USA rund 16 Milliarden Dollar kosten, High Speed Rail im Vergleich 86 Milliarden. Und glaubt man ihm, melden sich auch die Kunden gerade aus der ganzen Welt. „Wir haben 20 interessierte Städtepaare aus Amerika, Indien, China und auch große interessierte Investoren“, so Ahlborn.

Aber es gibt sie, die Konkurrenz. Am prominentesten wohl das Unternehmen Hyperloop Technologies, gegründet vom ehemaligen SpaceX-Ingenieur Brogan BamBrogan. Im Frühjahr trat es an die Öffentlichkeit, hat mittlerweile einen finanziellen Rückhalt von zehn Millionen Dollar Seed-Kapital. In der nächsten Investitionsrunde erwartet das Startup noch einmal 80 Millionen Dollar an Investments.

Im Gründer-Team findet sich das Who's Who Silicon Valleys, oft enge Bekannte von Elon Musk selbst. Nächstes Jahr sollen die ersten Tests beginnen. „Wir hier bei Hyperloop sind schneller als jedes andere Team der Welt“, sagt passend eine Mitarbeiterin im Promo-Video. Eine Spitze gegen den Crowdsourcing-Ansatz von Ahlborn?

„Ja, sie haben unseren Namen kopiert und ja, ihr Gründer kennt viele Investoren. Aber es braucht mehr, um einen Wagen im Hyperloop zu bewegen“, antwortet er. In der Tat hat HTT die technische Expertise auf seiner Seite. Das Projekt wird unterstützt von Oerlikon aus der Schweiz, dessen Fachleute auch den Hadron Collider im Herzen Europas bauten. Dazu kommen Fachunternehmen aus den Bereichen Augmented Reality und Infrastruktur-Experten.

Konkurrenz von ungeahnter Stelle könnte für beide Unternehmen aber auch von einem Markt kommen, den sie wohl als Altbacken bezeichnen würden. Japan hat eine lange Tradition an High-Speed-Zügen. Der so genannte „Bullet Train“ transportiert schon jetzt hunderte Millionen an Passagieren im Jahr. Jetzt allerdings will Japan Rail einen auf Magneten basierten Zug bauen, der doppelt so schnell sein und es auf 500 km/h bringen soll.

Das ist langsamer, als es Hyperloop-Züge in der Theorie sein können, und auch teurer als die Vakuum-Technologie. Aber sie werden gebaut, brauchen keine Prototypen-Testphase. Hyperloop-Kritiker glauben ohnehin noch immer, dass die Röhren unrealistisch sind. „Das System löst nicht wirklich die größeren Probleme“, sagt etwa Jon Christensen gegenüber CBS. Er ist Professor am Institut für Umwelt und Nachhaltigkeit der Universität von Kalifornien. „Wie sollte diese Art der Technologie jemals in die schon bestehenden und komplizierten Transportsysteme unserer Städte eingeführt werden“, so der Forscher.

Für Ahlborn scheint das nur ein vorübergehendes Hindernis. „Wir zielen vor allem auf die Emerging Markets ab“, sagt er. Länder wie China, deren öffentlicher Verkehr noch nicht fertig entwickelt ist. Die schnell etwas gegen Smog und Umweltverschmutzung tun müssen. Die Betriebskosten bei seinem Hyperloop seien wesentlich geringer als die von High-Speed-Zügen, die Umwelt wird durch die Energieeffizienz und den Stromantrieb der Züge geschont. Seine Teams könnten durch den offenen Ansatz seines Unternehmens immer weiter wachsen — und sich um all diese Fragen kümmern.

Auch um die Sicherheit, denn zu Ahlborns Community gehören auch Experten, die sich mit Anti-Terror-Maßnahmen und Sicherheit der Röhren und des automatisierten Systems beschäftigen. Das ist ein Punkt, der bisher oft an der Idee von Hyperloop kritisiert wurde und gerade im Moment für öffentliche Verkehrsmittel diskutiert wird. Und deshalb ist für Hyperloop auch Quay Valley so wichtig. Die Stadt der Zukunft wird vielleicht erst in Jahrzehnten wirklich fertig sein, aber Ahlborn will sie nutzen und noch vor 2020 zeigen: Sein Projekt geht nicht nur, es rennt.

Dirk Ahlborn spricht heute auf der WIRED-Mobility-Konferenz in Berlin. Alle Artikel zum Thema findet ihr hier

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