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Streaming-Special / Bekommen wir bald „Herr der Ringe live und zum Mitspielen“ im TV?

von Max Biederbeck
Alle reden vom Streaming, scheinbar keiner mehr vom Fernsehen. Zwei Produzenten aus Norwegen wollen das mit einer aufwendigen Super-Show ändern, die nächstes Jahr starten soll. Multiplayer-Fernsehen zum Mitspielen — geht das wirklich?

Die Game-Show „Hugo“ aus den Neunzigern beeindruckte ihn. Bård Anders Kasin lacht verlegen, als er das zugibt: Aber auch er habe damals im Fernsehen verfolgt, wie ein Anrufer nach dem anderen den langohrigen 2D-Troll live über einen Studio-Bildschirm manövrierte. Vorbei an explodierenden Fässern, fiesen Eismännern und tödlichen Grubenfallen. „Was die Leute damals als albernes TV-Game belächelten, war in Wahrheit der erste Schritt in die richtige Richtung“, ist der Norweger überzeugt.

Wenn alles nach Plan läuft, will er zusammen mit seinem Mitgründer Jens Petter Høili diesen Weg weitergehen. „90 Prozent der Leute benutzen ihr Smartphone oder Tablet, während sie fernsehen“, sagt Anders. Und: „Jedes Familienmitglied streamt heutzutage alleine, wir wollen es zu den anderen ins Wohnzimmer zurückholen.“ Schaffen wollen die beiden das mit einer Super-Show, die bisher den Arbeitstitel „The Future Universe“ trägt — eine „Revolution des Fernsehens“, wie sie in einem noch nicht veröffentlichten Promo-Video großspurig verkünden. Ein Gegenmodell zum Streaming und ein multimediales Erlebnis direkt auf der Couch. Wenn Anders Kasin seine Pläne erklärt, schwingt immer auch diese eine Aussage mit: Dem Fernsehen geht es gut, es braucht nur einen neuen Anstoß.

Immer schwingt die Aussage mit: Dem Fernsehen geht es gut, es braucht nur einen neuen Anstoß.

Die beiden Norweger wagen eine neue Show fürs klassische TV in einer Zeit, in der eigentlich die großen Streaming-Dienste die Schlagzeilen beherrschen. In der Netflix versucht, sich einen Markt nach dem anderen unter den Nagel zu reißen. Und in der Sky, Hulu und Amazon sich um die verbleibenden Anteile streiten. Schon längst haben Streaming-Serien wie „Game of Thrones“ die Hoheit über popkulturelle Diskussionen erlangt. Welches Feuilleton hat in den vergangenen Wochen nicht gefragt: Ist Jon Snow wirklich wirklich tot? Gerade in dieser Woche zeigte eine neue Studie: Mittlerweile greift die Mehrzahl der Teenager lieber zum Tablet und damit zum Stream, anstatt sich vor die Glotze zu setzen. Tendenz steigend.

Wie genau „The Future Universe“ das ändern soll, daraus machen seine Macher aber noch ein großes Geheimnis. Nur soviel: Mit modernster Technik soll die Show es schaffen, den Zuschauer direkt in die Sendung zu integrieren. Studio-Teilnehmer sollen gegen die Masse da draußen antreten. „Ein gigantisches Multiplayer-Game“, wie Anders Kasin erklärt. Fahren die Spieler im Studio etwa ein Rennen im Style von „Mario Kart“, könne sich der Zuschauer jederzeit in seinem eigenen Rennen gegen die Zeiten der Studiogäste beweisen. Live. Funktionieren soll das alles über die Spiele-Engine Unity. Die ermöglicht hochauflösende Grafik und funktioniert bei den heutigen Breitband-Geschwindigkeiten trotzdem ohne Ruckeln. User zu Hause vor dem Fernseher und Teilnehmer im Studio vor einem Greenscreen — sie könnten in dieser neuen digitalen Spiele-Fernsehwelt wirklich zusammenfinden.

Der gründer von Atari investierte so viel, dass Kasin ihn prompt in den Vorstand berief.

Die Pläne von Anders Kasin zumindest könnten kaum ehrgeiziger sein. Er habe einen der weltweit größten Fernsehproduzenten an Bord und schiele nicht nur auf den Markt eines einzelnen großen europäischen Landes, um die Show im kommenden Jahr zu veröffentlichen, sagt er. Nein, er wolle gleich in mehreren Ländern ins Fernsehen — mit national angepassten Produktionen seiner Games. Die Investoren scheinen ihm zu glauben, immerhin hat seine Produktionsfirma Future Group schon 7,5 Millionen Dollar eingesammelt und rechnet mit zehn weiteren Millionen in den kommenden Monaten. Einer der Geldgeber ist Nolan Bushnell, der Gründer von Atari. Er investierte so viel in das Unternehmen, dass die Future Group ihn prompt in den Vorstand berief.

Kasin selbst hat früher an den Special Effects für die „Matrix“-Filme mitgearbeitet und ist technischer Leiter bei Warner Bros. Dort habe er gelernt, wie wichtig aufwändige Effekte für gutes Fernsehen geworden sind, sagt er. „Wir dürfen TV nicht mehr als separates Medium betrachten, sondern müssen es als Teil eines größeren Ökosystem interpretieren“, sagt er. In der Tat könnte seine Sendung durch diesen Aufbau eines "Live-Systems" etwas schaffen, dass ein Stream nicht kann. Der ist zwar jederzeit abrufbar, kann partizipatorische Elemente aber nur sehr begrenzt einsetzen.

Das System von „The Future Universe" soll dabei aus der Sendung als solcher („Prime Time“), dem Spieleteil („24/7 gegen die Community und live gegen die Kandidaten“) und einem E-Commerce-Bereich für Unternehmen bestehen. In Freemium-Modellen, etwa Computerspielen, bei denen man freiwillig Inhalte dazukaufen kann, liegt ein großer Markt. Auch den will die Future Group abschöpfen.

„Hugo“ ist eine mittlerweile 25 Jahre alte Idee. „Auch Virtual Reality gab es damals schon einmal“, sagt Kasin. „Im Grunde haben doch alle nur darauf gewartet, dass es zurückkommt. Und zack, jetzt haben wir die Oculus Rift!“. Mit dem interaktiven Fernsehen sei es das selbe. Die Verbindungen seien mittlerweile schnell genug, mit Smartphones, Tablets und VR-Brillen gebe es die passenden Instrumente. „Und zack, haben wir bald ‚Herr der Ringe‘ live im Fernsehen und zum Mitspielen“, sagt Anders Kasin. 

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