Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Don’t call us, we’ll call you: Mark Zuckerberg im EU-Parlament

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist hat gegrillt. Im Gegensatz zu den Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Union, die Mark Zuckerberg im Gespräch begrüßen durften. Nachfolgend leider keine Grilltipps.

Es war ein herrlich analog-digitaler Abend, das Grillgut garte vor sich hin, meine Aufmerksamkeit spielte Pingpong mit der glühenden Kohle und dem Livestream des EU-Parlaments, zu dem sich Mark Zuckerberg eingeladen hatte.

Zwischendurch löschte ich dutzende E-Mails von Unternehmen, die mich dazu bringen wollten, weiterhin einen Newsletter zu erhalten, den ich nie angefordert hatte, und meine gar nicht mehr so kindlichen Kinder zeigten sich laut gackernd lustige GIFs auf ihren Smartphones. Das Leben kann auch sehr schön sein, wenn man die nicht so schönen Bereiche ausblendet. Was man aus Rücksicht auf die eigene Gesundheit möglichst oft tun sollte.

Bei Facebook sind ja viele Jugendliche gar nicht mehr, die treiben sich eher auf Instagram rum – was am Ende leider das Gleiche ist, da Facebook das Unternehmen gehört. Ob Facebook aber wirklich Daten mit Instagram und WhatsApp für Werbezwecke austauscht, analysiert und wie das alles genau aussieht, das hätten die EU-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier gerne von Mark Zuckerberg gewusst. Der hatte aber für solche Nebensächlichkeiten nur wenig Zeit, bat wiederholt um Entschuldigung für alles Mögliche und spulte auch sonst seine bekannten Statements ab.

Knappe anderthalb Stunden sollten nach Vorgabe des Facebook-Chefs für das Gespräch genügen, zudem mussten erst alle Fragen gestellt werden, die „Zuck“ dann am Ende nach eigenem Gutdünken und ohne weitere Rückfragen beantworten wollte. Dafür wiederum hatte er dann nur etwa eine Viertelstunde Zeit, denn zunächst musste Nigel Farage der zuschauenden Welt seine Bescheidenheit präsentieren, indem er sich als „größter Facebook-Nutzer aller EU-Institutionen“ bezeichnete.

Farage ging dann natürlich nicht auf seine möglichen Verstrickungen mit Cambridge Analytica ein, sondern jammerte darüber, dass seine Reichweite und die von US-Präsident Donald Trump um 25 Prozent zurückgegangen sei, weil Facebook nun Meinungen „rechts der Mitte“ diskriminieren würde. Das Übliche also: Ich bin der Größte und ihr seid gemein zu mir. Ähnlich klang auch Nicolas Bay von der rechtsextremen Front National aus Frankreich.

Konkreter, schärfer und weniger weinerlich, sondern eher wütend klang der Belgier Guy Verhofstadt. Ich meinte sogar ein leichtes Zucken in der ansonsten starren Mimik des Facebook-Gründers erkannt zu haben, als Verhofstadt Zuckerberg fragte, ob dieser als technologischer Weltbereicherer in die Geschichte eingehen wolle oder als jemand, der ein digitales Monster erschaffen habe, das Demokratien zerstören könne.

Die Fragen von Verhofstadt blieben unbeantwortet, ebenso die von Philippe Lamberts oder Jan Philipp Albrecht. Auch auf die Fragen der in den Medien merkwürdigerweise überhaupt nicht zitierten deutschen EU-Abgeordneten Gabriele Zimmer ging Zuckerberg nicht ein. Zimmer fragte u.a., wie Zuckerberg glaubhaft erklären wolle, dass sich der Geist des Unternehmens geändert habe, das schließlich als eine Art „Hot or not“-Plattform mit durchaus sexistischer Ausrichtung gestartet war.

Ja, es war eine Farce, dieses Gespräch, das keines war. Offenbar kann das Europaparlament keine „echte Anhörung“ einberufen, weshalb der Auftritt Zuckerbergs eher als netter Besuch zu werten ist (immerhin war ja für Selfies noch genügend Zeit). Dass aber das unsägliche Format auch vom Präsidenten des EP, Antonio Tajani, vorgeschlagen wurde, der dann Zuckerberg auch noch zu Hilfe eilte, als es am Ende spannend wurde, sich Unmut bei den Fraktionsvorsitzenden breit machte und Zuckerberg zum ersten Mal verunsichert wirkte … das macht es alles nicht besser. Immerhin konnten die Fraktionen dann Zuckerberg noch die widerwillige Zustimmung entlocken, dass alle Fragen in den nächsten Tagen schriftlich beantwortet werden würden. Don’t call us, we’ll call you.

Trotzdem sollte man das Meeting nicht als „wertlos“ abstempeln. Denn es hat gezeigt, dass viele europäischen Fragen wesentlich schärfer formuliert waren als die der US-Kolleginnen und -Kollegen. Und es hat auch gezeigt, dass Zuckerberg nicht bereit war, diese Fragen zu beantworten. Seiner Glaubwürdigkeit hat er damit keinen Gefallen getan, und dass diejenigen, die für die europäische Politik verantwortlich sind, nach diesem Gespräch wohlwollender mit Facebook umgehen werden, darf bezweifelt werden.

Die Saga geht weiter. Und ich gehe wieder grillen.

GQ Empfiehlt