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God of War tauscht alte Klischees mit neuen – und ist dennoch brillant

von Dom Schott
Im vierten großen Abenteuer des brummeligen Spartaners Kratos nehmen Spieler es erneut mit Monstern, Göttern und Banditen auf – doch dabei bleibt es nicht: Denn God of War erzählt abseits seiner Konflikte und Klischees eine einfühlsame Vater-Sohn-Geschichte. Die ist zwar voller Klischees, hat uns aber trotzdem begeistert.

Der breitschultrige Spartaner Kratos steht mit grimmigem Blick in einem verschneiten Wäldchen und starrt auf einen Baumstamm. In seinen Händen ruht eine schwere Axt. So beginnt das neue God of War, und bevor wir auch nur einen Knopf gedrückt haben, ahnen wir bereits, was wohl als nächstes passiert: Mit Kratos übermenschlicher Kraft, die in den drei Vorgängerspielen hunderte Götter, Titanen und Menschen das Leben gekostet hat, werden wir gleich die Waffe in den Baumstamm jagen. Vielleicht wird Kratos dabei laut brüllen, genau so, wie er es damals über den Leichen von Poseidon, Herakles oder seinem Göttervater Zeus getan hat. Die Wut des Muskelprotzes kennt keine Grenzen, das hat uns die Spielreihe stets beigebracht.

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Dann kommt es aber ganz anders: Kratos zögert, hebt die Axt ein Stück, fällt dann auf die Knie. Zärtlich berührt er den Stamm, auf dessen Rinde er einen mysteriösen, goldenen Handabdruck entdeckt. Nach einem Moment der Stille erhebt sich der Spartaner wieder und fällt schließlich doch den Baum. In seinem Blick aber liegt Reue und nicht etwa der brennende Zorn, der ihn bisher begleitet hat. Kratos hat sich verändert und mit ihm die Spielereihe God of War, die mit dem Ausflug in den hohen Norden einen neuen Höhepunkt erreicht hat.

Einsame Vaterrolle im hohen Norden

Kratos viertes Abenteuer ist anders als die drei Spiele davor – das spiegelt sich nicht nur in dieser gelungenen Eröffnungsszene, sondern auch in der ungewohnten Spielwelt von God of War wider: Verschwunden sind die erdigen Farben, eleganten Tempelbauten und das mediterrane Feeling Griechenlands. Stattdessen wandeln wir in den kommenden 15 und mehr Stunden durch verschneite Wälder, erklimmen aschgraue Gipfel und lernen die exotischsten Orte der nordischen Mythologie kennen – wohin genau uns das Abenteuer verschlagen wird? Das wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Aber wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, wird mehr als einmal „Aha!“ rufen.

Glücklicherweise müssen weder Kratos noch wir uns dieser fremden Welt alleine stellen. Begleitet wird er nämlich von seinem Sohn Atreus, der allerdings die meiste Zeit seines Lebens von seiner Mutter großgezogen wurde. Der Tod dieser mysteriösen Frau zwingt Vater und Kind nun, sich zusammenzuraufen, um die Asche der verstorbenen Mutter vom höchsten Gipfel der nordischen Welt zu verstreuen. Dieser letzte Wunsch bildet den ungewohnten Rahmen für God of War, dessen Geschichte zum ersten Mal nicht allein vom Duell gegen die Götter, sondern vom Kampf um das Vertrauen des eigenen Kindes erzählt.

Dieser besondere Kampf wird dabei nicht nur während der zahlreichen Gespräche zwischen Vater und Sohn ausgetragen: Unsichere Gesten, einfühlsame Blicke und vorsichtige Witzeleien zeigen mit Feinfühligkeit die Annäherungsversuche, die wir in dieser Qualität wohl kaum von den Entwicklern erwartet hätten. Immerhin reden wir hier von dem gleichen Team, das uns in God of War 3 diverse Göttergesichter aus nächster Nähe zu Brei prügeln ließ.

Wenn wir den vielen Interviews mit Chef-Entwickler Cory Barlog glauben dürfen, steckt hinter diesem Stimmungswechsel mehr als nur der Wunsch, eine alte Spielereihe aufzufrischen: Er selbst müsse sich wie viele andere Mitglieder des Teams mittlerweile mit den Herausforderungen des Vater- oder Mutter-Daseins herumschlagen. Diese persönliche Entwicklung vom überdrehten Gore-Fan zum ruhigeren Erwachsenen sei maßgeblich in die Arbeit am neuen God of War eingeflossen. Ob wahr oder nur eine Werbe-Anekdote, ist egal – dieser Einfluss hat Kratos gut getan.

Klischees bleiben ein Teil von God of War

Aber keine Sorge: Trotz dieser neu entdeckten Charaktertiefe ist Kratos noch immer ein furchterregender Krieger, der im Laufe seines Abenteuers Banditen, Skelette, Trolle und andere Wesen der nordischen Mythologie verkloppt. Auch hier steht ihm sein Sohn Atreus zur Seite, der wohl als einer der sympathischsten und nützlichsten Begleiter in die Videospielgeschichte eingehen wird: Bewaffnet mit einem mächtigen Bogen nimmt der kleine Junge aus sicherer Distanz eigenständig Gegner ins Visier oder kann auf Zuruf gezielt Feinde attackieren. Hin und wieder stürzt sich Kratos Sohn auch direkt in den Nahkampf, lenkt Gegner ab oder hält sie für kurze Zeit fest. All das funktioniert außerordentlich flüssig, so dass die vielen Kämpfe eine wahre Freude sind. Nervige begleitertypische Sprüche oder Problemchen suchen wir vergeblich.

Mittlerweile zeichnet sich wohl unverkennbar ab, das wir vom neuen God of War rundum begeistert sind. Tatsächlich hat uns aber eine Sache während unseres Spieldurchlaufs gestört: Trotz der vielen frischen Ideen, der neuen Spielwelt und der einfühlsam erzählten Vater-Sohn-Beziehung tauscht God of War letztendlich nur alte Klischees gegen neue ein.

Während sich Kratos früher als Abziehbild des gewaltgeilen, übermaskulinen Kerls mit traumatischer Vergangenheit durch Griechenland mordete, erleben wir nun im hohen Norden den grimmigen Typen mit weichem Kern. Beide Rollen sind medial ausgelutscht und machen den Charakter vorhersehbar. Wir vermissen außerdem interessante Frauenfiguren, die mehr sind, als letztendlich nur ein Anlass für Probleme, die unser Duo lösen muss.

Und manchmal wollen wir dem Bildschirm einfach nur entgegen brüllen: „Stell dich nicht so an, Kratos, und umarme deinen verdammten Sohn endlich mal!“ Andererseits zeigt das letztlich auch die Qualität von God of War: Das Spiel lässt uns nicht nur wie gewohnt in den vielen Kämpfen, sondern auch während einfacher Dialoge emotional werden.

Obwohl es also erneut nur ein Klischee bedient, ist das neue God of War wirklich ein fantastisches Spiel geworden. Schon allein deshalb, weil Tripple-A-Videospiele nur selten ein Thema wie Vaterschaft aufgreifen und vielschichtig umsetzen. Der vierte Teil von God of War hebt damit eine der bekanntesten Serien auf ein so hohes Niveau, dass im Vergleich selbst der Olymp mickrig aussieht.

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