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Wir sind die wahren Bestien in Monster Hunter!

von Dom Schott
Monster Hunter: World macht den Spieler zum Jäger in einer exotischen Welt, der sie bis auf den letzten Dinosaurier ausbeuten soll. Unwohl wird einem dabei, wenn man die Frage stellt: Warum eigentlich?

Wir hatten ja keine Ahnung, wie befriedigend es sich anfühlen kann, einem gigantischen Dinosaurier gegen die Kniescheiben zu schlagen. Dieser Gedanke kehrt immer wieder zurück, wenn wir an unsere Abenteuer als Jäger in dieser fremdartigen Welt denken. Dabei gäbe es eigentlich noch viel mehr über Monster Hunter: World zu sagen. Ein Spiel, das nach über 14 Jahren und unglaublichen 19 Ablegern die Nintendo-Exklusivität hinter sich gelassen hat, um nun den PC und die leistungsstarken Konsolen von Microsoft und Sony zu erobern.

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Als Mitglied einer Expedition der Jägergilde lassen wir eine alte Welt hinter uns und reisen zu einem neuen, unbekannten Kontinent, um das Treiben der sogenannten Drachenältesten zu erforschen – gigantische Monster, gegen die selbst ein Tyrannosaurus Rex handzahm wirkt. Doch während unserer Reise kommt es zu einem verheerenden Zwischenfall und so werden wir schließlich am Strand dieser neuen Welt angespült.

Es dauert nicht lange, bis wir unsere Jäger-Gefährten wiederfinden und erfahren, was uns die nächsten zehn bis zweihundert Spielstunden erwarten wird: Wir werden in die Wildnis geschickt, um Außenposten zu errichten, sollen nach besonderen Pflanzen und Rohstoffen suchen, damit wir unsere Ausrüstung verbessern können. In Monster Hunter: World gibt es viel zu tun: Doch so abwechslungsreich die Nebenbeschäftigungen auch sind, am Ende des Tages dreht sich alles nur um eines: die Jagd.

Bevor es auf die Pirsch geht, müssen wir uns sorgsam vorbereiten: Wir entscheiden uns für eine von vierzehn absurd überdimensionierten Waffen (vom Riesenschwert über den Bogen bis hin zum Dudelsack), statten nacheinander dem Koch, dem Schmied und der Forschergilde einen Besuch ab, um unsere Taschen mit Tränken, Spezialmunition und schützender Rüstung zu füllen. Per Knopfdruck reisen wir dann zum Jagdgebiet – und das ist wie alles in Monster Hunter: World: außerordentlich groß.

Dabei könnte man meinen, es sei einfach, in einem dichten Dschungel ein fünf Meter großes Monstrum zu finden – falsch gedacht, Neuling! Alle Tiere wissen sich ausgezeichnet zu tarnen oder zu verstecken. Die gefährlichsten Bestien drehen den Spieß sogar um und machen uns zur Beute. Es dauert lange, bis wir die richtige Ausrüstung und die Fähigkeiten haben, um uns den gefährlichsten Raubtieren zu stellen. Schön ist es, in einem Videospiel mal nicht ganz selbstverständlich am obersten Ende der Nahrungskette zu stehen.

Auf unserer Suche durchstreifen wir die Spielwelt und halten Ausschau nach Spuren, die in den Boden getrampelt wurden. Folgen wir einer Fährte lange genug, hilft uns eine Art Glühwürmchenschwarm dabei, den Weg zu finden. Haben wir ein Monster schließlich entdeckt, dürfen wir selbst entscheiden, wie wir es zur Strecke bringen. Hierfür gibt es in Monster Hunter: World viele taktische Möglichkeiten: Mit Ködern können wir Tiere in Engpässe locken, um sie dann aus dem Hinterhalt anzugreifen – oder wir nutzen die verschiedenen Munitionstypen unserer Schleuder, um unsere Beute zu blenden, abzulenken oder schläfrig zu machen, bevor wir unsere Hauptwaffe zücken.

Bis zu diesem Moment funktioniert Monster Hunter: World perfekt: Anfängerfreundliche Tutorials machen uns mit dem Spiel vertraut, die Spielwelt selbst ist faszinierend fremdartig und die Tiere sind in ihr eigenes Ökosystem eingebettet. Es gibt viel zu tun, und das macht Spaß – keine Selbstverständlichkeit bei Open-World-Spielen. Erheben wir jedoch zum ersten Mal die Waffe gegen eines der Monster, passiert etwas, das uns anfangs ein schlechtes Gefühl gab.

In vielen Spielen ist es leicht, sich vom Töten der Gegner und Feinde zu distanzieren. Wenn virtuelle Orks aufheulen, virtuelle Katzen gequält miauen oder virtuelle Schweine geschlachtet werden, ist das selten etwas, über das wir nachdenken – nichts, was uns innehalten lässt. Aber in Monster Hunter: World fiel uns diese Distanz schwer. Die Entwickler haben das Leiden von Riesenvögeln, Echsen und Dinosauriern zu einem Feature gemacht, das uns schmerzt.

Schlagen wir etwa einer Riesenechse lange genug gegen den Oberschenkel, bricht irgendwann der Gelenkknochen und das Tier kann nur noch humpeln. Diese Idee der angreif- und zerstörbaren Körperteile ersetzt den klassischen Lebensbalken. So lesen wir aus der Körpersprache des Tieres ab, wie schwer und an welcher Stelle es verwundet ist. Erreichen die Verletzungen einen kritischen Punkt, zieht es sich aus dem Kampf zurück und versucht, in seinen Unterschlupf zu gelangen. Hier liegt es dann kraftlos und schwer atmend auf dem Boden. Der Riesensaurier leidet hörbar unter Schmerzen – die ideale Gelegenheit also, um ihm endgültig den Garaus zu machen und Fleisch, Knochen, Fell und Haut als wertvolle Ressourcen zu ernten. Das zumindest verlangt das Spiel von uns.

Uns hat diese Inszenierung des Leids allerdings zutiefst irritiert und beschäftigt: Warum jagen wir diese Tiere eigentlich? Könnten wir nicht eigentlich auch auf diesen Kontinent reisen, um Riesendrachen zu erforschen und zu beobachten? Warum sind wir als Jäger unterwegs, wenn es doch eigentlich einen Wissenschaftler bräuchte? Sollten wir nicht Skrupel empfinden, wenn wir selbst Muttertiere und ihren wehrlosen Nachwuchs töten?

Monster Hunter: World hat auf diese nicht gerade unwichtigen Fragen keine Antworten. Wir wurden während unseres Abenteuers entlang der Hauptgeschichte und der zahlreichen Nebenmissionen nie über den Jäger-Ethos aufgeklärt: Denn wer ein Tier tötet, ist ihm Respekt schuldig. In Monster Hunter: World ist es hingegen selbstverständlich, dass wir in kürzester Zeit die Ressourcen der neuen Welt ausbeuten. Und unsere Trophäen davon zeigen: Tierzahn-Halsketten, Knochenwaffen, Federschmuck und natürlich Tonnen gebratenes Fleisch.

Selbstverständlich ist es okay, wenn wir auch in den nächsten 200 Spielstunden kopflos die Tierwelt ausrotten — immerhin ist es nur eine virtuelle Welt. Dennoch ist es schade, dass die Entwickler trotz ihrer Mühen, eine glaubwürdige Welt zu schaffen, nie über ein Gegengewicht zu der Tierhatz nachgedacht haben. Spannende Möglichkeiten hätte es durchaus gegeben.

Fragt man einen echten Jäger, bekommt man ein anderes Bild: „Der waidgerechte Jäger agiert auf Augenhöhe mit der Natur. Der Respekt vor der Kreatur nimmt bei vielen Ritualen rund um die Jagd eine zentrale Rolle ein“, sagt Caspar W., der eine 18-jährige Erfahrung als Jäger besitzt. Es gibt vieles, das das Selbstbild eines echten Jägers von dem eines Monsterjägers unterscheidet: Zum Beispiel die Tradition des „letzten Bissen“, ein kleiner Ast, der jedem getöteten Wild ins Maul gesteckt wird. Außerdem gebe es für jede Wildart eine eigene Melodie, die auf dem Jagdhorn geblasen wird, wenn es erlegt wurde. Spannende Rituale, die auch wunderbar in die Welt von Monster Hunter: World gepasst hätten.

„Das Erlegen von Wild ist bei weitem nicht das einzige, was ein Jäger macht. Viel häufiger beobachtet er das Wild lediglich, denn es werden nur ausgewählte Tiere erlegt“, sagt Caspar W. Das Ziel sei die Erhaltung eines gesunden Wildbestandes, der seiner Umwelt nicht übermäßig schadet — eine wunderbare Idee für eine Vielzahl neuer Nebenmissionen.

Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, Dinos die Kniescheibe zu zertrümmern und Riesenvögel bis in ihr Nest zu folgen, um sie im Schlaf zu überraschen. Aber dennoch werden wir das Gefühl nicht los, dass sich das eigentlich großartige Monster Hunter: World der Möglichkeit beraubt hat, mehr als nur den Todeskampf dieser Tiere zu simulieren. Dann könnte es nämlich ein Spiel sein, das mehr zu sagen hat als sein Untertitel: „Die Jagd ist eröffnet!“

Monster Hunter: World ist am 26. Februar für Xbox One, PlayStation 4 und PC veröffentlicht worden.

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