Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Wir leben in der Messenger-Apokalypse und niemand hilft uns

von bento
Messenger-Apps verfehlen ihren Zweck, wenn es zu viele von ihnen gibt und sie einfache Kommunikation verkomplizieren. Ole Reißmann von bento beschreibt, wie es sich anfühlt, in einem Meer aus Kommunikationsströmen zu treiben.

Wir verabreden uns über WhatsApp für den Abend und schicken uns auf unseren Laptops über Facebook Links auf Restaurants hin und her. Wir laden noch eine Bekannte ein, über Twitter, weil wir ihre Handynummer nicht wissen. Und einen Freund über Slack, weil wir im selben Büro arbeiten und dort diesen Instant-Messenger benutzen. Und wir dürfen unseren Kumpel nicht vergessen, der nur noch Threema benutzt, weil er Angst vor Geheimdiensten hat. Die Entscheidung fällt in der WhatsApp-Gruppe. Das Restaurant will eine Reservierung per E-Mail und schickt eine SMS zur Bestätigung. Unser Treffen am Abend dokumentieren wir in Echtzeit auf Snapchat und Instagram. Auf Insta gibt es eine Direktnachricht: „Habt ihr mich vergessen?“


Ja. Niemand von uns hat dem Threema-Nutzer Bescheid gesagt. Dabei hat er sogar noch eine E-Mail geschrieben. Und eine Nachricht über LinkedIn. Und er hat mit Skype angerufen, aber die App habe ich seit Wochen nicht genutzt. Was ich hier beschreibe, passiert mir so ähnlich ständig.

Ausgerechnet beim Messaging versagt der technische Fortschritt. Erst dachte ich, das ist meine Schuld: Ich muss mich einfach besser organisieren. Aber das stimmt nicht.Warum müssen Flickr und SoundCloud eigene Postfächer haben? Bei Airbnb kann ich das noch verstehen. Bei Tinder. Von mir aus auch bei Xing, obwohl da ernsthaft niemand mit einer Antwort rechnet. Eine ganze Clique, die fast ausschließlich über Google-Chatprogramme kommuniziert, habe ich seit Monaten nicht mehr gesehen.


Wenn eine Nachricht wirklich ankommen soll, verschicken wir sie doppelt und dreifach

Viele Netzwerke schicken zusätzlich eine E-Mail: Es gäbe da eine wichtige Nachricht, mehr könne man nun wirklich nicht verraten, bitte dringend einloggen. Ich bekomme Dutzende dieser E-Mails. Jeden Tag. Weil ich sie selten lese, steckt der Spam-Filter die ungelesenen Benachrichtigungen in den Papierkorb.

Die Apps mit ihren Push-Nachrichten sind auch nicht praktischer. Die Benachrichtigungen landen schlicht in einer langen, langen Liste – genauso wie E-Mails. Nur ohne Spam-Filter.Wie oft habe ich eine wichtige Telefonnummer oder eine dringend benötigte Adresse nicht mehr gefunden – weil sie untergegangen ist, in irgendeiner App, in irgendeiner Inbox, in irgendeinem Netzwerk. Wenn eine Nachricht wirklich ankommen soll, verschicken wir sie doppelt und dreifach. Das macht alles noch schlimmer.

+++ Mehr von WIRED regelmäßig ins Postfach? Hier für den Newsletter anmelden +++


Die Apps sind das Problem. Die Apps, die alles können sollen. Facebook, Google, Apple, Snapchat und so weiter: Sie alle wollen möglichst viele Millionen Nutzer für sich haben. Deswegen kopieren sie, wo es nur geht: Instagram die Vergessen-Funktion von Snapchat. Twitter die Sticker von WeChat und die Fotofilter von Instagram. iMessages bekommt Apps wie Facebook und Effekte wie Snapchat. Instagram Direktnachrichten wie Twitter. Und so weiter.

Es reicht den Unternehmen nicht mehr, einfach nur eine App mit einer tollen Funktion zu haben. Die App soll mehr können. Die Unternehmen arbeiten gegeneinander, nicht gemeinsam für uns. Du sollst keine App neben unserer App haben. Sie wollen uns ganz. Wer die Apps von anderen Unternehmen nutzt, ist auf sich allein gestellt.


Drei Tage später habe ich keine Ahnung mehr, wer mir wo worauf geantwortet hat

Überall nur Fetzen. Dezentral gespeichert. Ohne Zusammenhang. Kommunikation ohne Anschluss, zusammengehalten allein von meinem brüchigen Kurzzeitgedächtnis. Drei Tage später habe ich keine Ahnung mehr, wer mir wo worauf geantwortet hat. Ein Geheimdienst hätte es sicher schwer mit mir. Leben wir nicht in der vernetzten Zukunft? Mit persönlichen digitalen Assistenten, die uns das Leben organisieren und größte Zufriedenheit herstellen? Füttere ich dazu nicht Tag für Tag selbstlernende Maschinen mit meinen privaten Daten?

Letzte Hoffnung: Künstliche Intelligenz. Siri, sage ich, zeige mir die letzte Nachricht meiner Freundin. Aber Siri findet nur eine Sprachnachricht. Vier Monate alt und eine Sekunde lang: Klick.

Ok Google, sage ich, wo bin ich heute verabredet? Aber Google kann nicht in mein Facebook reingucken und WeChat-Nachrichten findet Google auch nicht.

Alexa, sage ich, aber Alexa – Amazons digitaler Lebenshelfer – kann nur das Licht ausmachen und ein Lied in Dauerschleife spielen. Ich entscheide mich für Disturbed und Down with the sickness.

Dieser Artikel erschien zuerst bei bento.


Business Insider Deutschland

Dieser Artikel erschien zuerst bei Business Insider Deutschland
Das Original lest ihr hier.

GQ Empfiehlt