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Uncharted 4 ist das schönste PlayStation-Spiel, das es gibt

von Tim Rittmann
Die Spiele der Uncharted-Reihe dienen als Verkaufsargument für die PlayStation. Uncharted 4: A Thief’s End ist der finale Akt der Reihe. Und was für einer.

Uncharted ist eine Räuberpistole. Die Art Geschichte, die Opa an der Bettkante erzählt. Ein Amalgam aus sämtlichen Abenteuerromanen und -filmen der Welt. Es gibt Piratenschiffe und Höhlen, versunkene Tempel und Verliese. Goldene Statuen dienen als Schlüssel für jahrhundertealte Todesfallen. Die Kulissen wurden für ein größtmögliches „Ohhhh“ erschaffen. Alles ist Superlative. Nur der Held ist, trotz aller Kletter- und Schießfähigkeiten, ein Normalo, irgendwie.

Nathan Drake ist weder wortkarger Action-Hero, noch studierter Archäologe, sondern ein redseliger Klugscheißer – und damit einer von uns. Das stellt das Spiel gleich in einem der ersten Kapitel klar: Drake hat seine Abenteurer-Freundin Elena geheiratet. Er arbeitet als Bergungstaucher und hasst Papierkram, sie schreibt Reisereportagen, beide leben in einem normalen Haus für normale Leute. Nicht gerade der Stoff, aus dem Legenden sind.

Selten war ein Tutorial so anrührend
Auf dem Dachboden spielt Drake mit einer Spielzeugpistole wehmütig seine Erlebnisse nach. Das Spiel holt so Luft vor dem großen letzten Abenteuer, zitiert sich selbst, und macht die Spieler gleichzeitig mit den grundlegenden Kampfmechaniken vertraut – ein Vorgeschmack auf die exzellente, manchmal gar elegante Spielgestaltung. Selten war ein Tutorial so anrührend.

Dann taucht plötzlich Nathans totgeglaubter Bruder Sam auf. Die Jagd nach dem Schatz des Erzpiraten Henry Avery beginnt aufs Neue und schickt uns in knapp 18 Stunden Spielzeit von einem Schauplatz zum nächsten.

Der raue Wind in den schottischen Highlands, der durchs hohe Gras wuschelt. Der Blick auf die verwitterte Klosterruine, die von der niedrig stehenden Sonne angestrahlt wird, eingefangenen von einem pathetischen Kameraschwenk. Szenenwechsel: Das Panorama einer afrikanischen Stadt, die sich an eine Bucht schmiegt. Und noch mal Fotoalbum-Ausblick: ein tropisches Steilküstenparadies, das allerlei Geheimnisse bietet. Wir halten kurz an, verweilen inmitten der reglosen, niedergemähten Feinde für einen Moment, innerer und äußerer Frieden, dann kann es weitergehen.

Eine Frust-Vermeidungs-Maschine
Uncharted 4 bietet stets einen wohltemperierten Rhythmus zwischen Ruhemomenten, Feuergefechten, Kletterpartien und – neu hinzugekommen – Schleichpassagen. Wir überwinden Hindernisse, öffnen verschlossene Türen von innen, suchen Ausgänge und finden Umwege. Wir wuchten uns an Felsvorsprünge hoch, klettern Dutzende Meter an Turmwänden, gigantischen Zahnrad-Mechanismen oder Abbruchkanten von Steilküsten entlang.

Um das Ganze zu dramatisieren, brechen immer wieder Vorsprünge ab. Kurz vorm Absturz kriegen wir dann noch einen dezent markierten Stein zu fassen (X-Taste), schaffen an der porösen Wand mit dem Haken etwas Sicherheit (Quadrat-Taste), schwingen mit einem Seil am Enterhaken über einen klaffenden Vorsprung (linke Schultertaste) und rutschen schließlich einen Steilhang hinab (linkes Steuerkreuz), nur um im letzten Augenblick dem gähnenden Abgrund mit einem kräftigen Sprung zu entkommen (wieder X-Taste).

Das alles sieht dank unzählig variierter Bewegungsanimationen sehr natürlich aus und geschieht in einem perfekten Flow. Generell ist Uncharted eine Frust-Vermeidungs-Maschine. Das gilt nicht nur fürs Gameplay.

Einer der wichtigsten Teile in diesem feinen Mechanismus sind die Sidekicks. Denn Nathan klettert und schießt nur selten allein, meist begleitet ihn eine anderen Figur. Ob Bruder Samuel, Kumpel Sully oder Ehefrau Elena – wissen wir nicht, wie es weitergeht, heißt es: „Nathan, kletter doch auf diese Säule.“ Oder: „Nathan, benutze doch die Seilwinde an dem Baum.“

Die Nebenfiguren dienen als Ansprechpartner in unzähligen, unterhaltsamen Dialogen, sie geben dem Helden ein Motiv und schaffen durch ein Beziehungsgeflecht eine gewisse erzählerische Tiefe.

Sidekicks als Kitt zwischen Spiel und Film
„Unser Ziel ist es, eine gute Geschichte zu erzählen“, sagt Bruce Straley, der Game Director, also quasi der Regisseur von Uncharted. „Oft spielt und spielt und spielt man, das Ganze ist aber völlig losgelöst von der Handlung.“

Nebenfiguren dienen als Kitt zwischen Gameplay und Handlung. Auch ihretwegen fühlen wir uns wie in einem Film mit zeitgemäßem Storytelling und unterschiedliche Handlungsfäden, die miteinander verwoben werden. Wir springen in der Zeit, werden in einer dramatischen, vorausschauenden Exposition buchstäblich ins kalte Wasser geworfen, nur um ein paar Kapitel später einen Einblick in Nathans Vergangenheit zu erhalten.

Über Uncharted 4: A Thief’s End lässt sich eigentlich nichts Negatives sagen. Es ist spannend, actionreich, oft witzig und wunderschön; eines der besten Spiele für die PlayStation, vielleicht sogar das beste. Wäre da nicht die klitzekleine Sache mit der Gewalt. Zu den sympathischen Eigenschaften von Drake gehört nämlich sein gesundes Moralempfinden. Ein weiterer Grund, warum wir uns mit ihm identifizieren.

In den animierten Zwischensequenzen kann er keiner Fliege etwas zu Leide tun, nicht einmal den ganz bösen. Übernimmt der Spieler aber wieder die Kontrolle, müssen plötzlich Hunderte südafrikanische Söldner dran glauben. Ludo-narrative Dissonanz nennen Spielekritiker dieses Missverhältnis – ein Begriff, der den Anspruch an moderne Computerspiele verdeutlicht. Das ist vielleicht ein bisschen haarspalterisch, aber solange Spiele… Oh, schaut mal, ein Sonnenuntergang!

Uncharted 4: A Thief’s End erscheint offiziell am 10. Mai 2016 für die PlayStation 4. 

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