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Wie schwierig ist es, sich sein eigenes Roboter-Double zu bestellen? Ein androidischer Selbstversuch

von Ralf Heimann
Wie schwierig ist es, sich sein eigenes Roboter-Double zu bestellen? Ein androidischer Selbstversuch.

Seit in der Bibel steht, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen hat, existiert der Verdacht, dass es eigentlich umgekehrt war. Es könnte ja sein, dass der Mensch sich Gott so vorstellt, wie er selbst ist, nur eben ohne all die Schwächen und Konstruktionsfehler. Wahrscheinlich würde der Mensch sich ein so gottgleiches Wesen einfach bauen, wenn er könnte. Das Problem: Bislang scheitert er sogar noch daran, eine Kopie von sich selbst herzustellen.
Die japanische Roboter-Herstellerfirma Kokoro ist diesem Ziel bislang vielleicht am nächsten gekommen. Jedenfalls optisch. Kokoro produziert Androiden, die sich auf den ersten Blick nur mit Mühe vom Originalmenschen unterscheiden lassen. So einen Doppelgänger kann jeder in Auftrag geben. Ich wollte das mal ausprobieren.

Als ich zu recherchieren begann, stieß ich bald auf Hiroshi Ishiguro, einen 51-jährigen japanischen Ingenieur, der, wo immer er auftaucht, als Superstar der Szene eingeführt wird. Sein erster Versuch war vor 13 Jahren ein selbst gebautes Abbild seiner damals vierjährigen Tochter. Es konnte laufen, sprechen und Dinge in die Hand nehmen, doch es hatte einen großen Schwachpunkt: Auf Fotos sieht der Roboter aus wie ein Kind, aber es gibt auch ein Video, in dem man sieht, wie er die Augenlider bewegt, und da wirkt er plötzlich wie eine Figur aus dem Horrorkabinett. Bei späteren Modellen hat Ishiguro den Fehler beseitigt. Vor acht Jahren baute er seinen eigenen Doppelgänger – Geminoid HI-4, die mittlerweile vierte Version, ist 1,80 Meter groß, hat 16 bewegliche Bauteile, Knochen aus Metall, Plastikschädel, Silikonhaut, einen Stromanschluss. So ähnlich stellte ich mir den Androiden vor, den man mir bauen würde.

Vor Kurzem hat HiroshiIshiguro nur seinen Androiden zu einer Konferenz geschickt. Die Veranstalter wollten es so.

Ich schrieb eine E-Mail und bat Hiroshi Ishiguro um ein Gespräch. Seine Sekretärin meldete sich nach acht Tagen. Sie schlug zwei Termine für ein Interview per Skype vor. Ishiguro ist schwer zu erwischen. Er reist ständig durch die Welt, um über seine Roboter zu sprechen. Vor ein paar Monaten hat er nur seinen Androiden zu einer Konferenz in Australien geschickt. Die Veranstalter wollten es so. Während des Vortrags saß Ishiguro 7000 Kilometer entfernt in Osaka. Er sprach durch den Geminoid und war doch irgendwie anwesend.
In Japan hat man ein Wort für dieses Gefühl der Präsenz: Man nennt es Sonzai-Kan. Dieses Gefühl menschlicher Gegenwart über Ortsgrenzen hinweg zu übertragen, ist Ishiguros Ziel. Und falls das gelingt, könnte man es auch über Zeitgrenzen transportieren. So könnten Kinder in der Zukunft einen Eindruck davon bekommen, was für Menschen ihre Urgroßeltern waren. Könnten sie für ihre Roboter-Vorfahren dann auch Gefühle entwickeln? Könnten Menschen sich in Roboter verlieben? Und wäre das nicht tragisch, weil diese Liebe nie erwidert werden könnte? Oder praktisch, weil man das Objekt der Liebe nachproduzieren könnte?

Zunächst ergibt sich allerdings ein ganz anderes Problem, denn noch ist der Androide nicht viel mehr als eine hyperrealistische Handpuppe. Das Ziel, einen völlig autonomen Roboter herzustellen, hat Ishiguro vor knapp zehn Jahren aufgegeben. Zumindest vorübergehend. Die Wissenschaft kam mit ihrem Wissen nicht weiter. Im Moment ist es gerade möglich, dem Roboter über eine Gehirnströme messende Kappe mitzuteilen, ob er einen Ball mit der linken oder rechten Hand greifen soll.

Ein Roboter, der sich steuern lässt wie der eigene Körper, könnte überall dort komplizierte Aufgaben erledigen, wo der Mensch gerade nicht sein kann oder möchte. Natürlich muss ein Roboter, der im Weltraum Maschinen montiert, nicht zwingend aussehen wie ein Mensch. Aber wo es um Kommunikation geht, hätte das große Vorteile. Die Nachteile eines Skype-Interviews sind offensichtlich. Als die Verbindung zustande kommt, sitzt Hiroshi Ishiguro in Edinburgh im Hotelzimmer, die Kamera steht schief. Sein Gesicht ist oben abgeschnitten.

Bislang hätten sie etwa hundert dieser Humanoiden hergestellt.

Mr. Ishiguro, Sie wollen die Frage beantworten, was den Menschen zum Menschen macht. Was haben Sie herausgefunden? „Noch nicht viel, aber wir versuchen, es herauszufinden, indem wir Roboter bauen. Und wissen werden wir das wohl erst, wenn es Roboter gibt, die vom Menschen komplett akzeptiert werden. Das ist unser Ziel für die nächsten zehn, zwanzig Jahre.“

Es gibt die Angst, dass Roboter Menschen ersetzen könnten und irgendwann außer Kontrolle geraten. Teilen Sie diese Sorge? „Ja und nein. In der Geschichte haben Maschinen immer die Tätigkeiten von Menschen übernommen und sie dadurch ersetzt. Aber für die Menschen hat sich die Arbeit dadurch verbessert. Was die andere Sorge betrifft: Solange wir die Computer abschalten können, können wir auch Roboter abschalten.“

Eine Anfrage bei der Firma Kokoro. Ich erwähne, dass ich mit Ishiguro gesprochen habe, die Antwort kommt wenige Stunden später. Hiroshi Nishino, Direktor der Ab­teilung Robotertechnik, schreibt, er wolle meine Fragen ausführlich beantworten. Eigentlich habe ich nur eine Frage. Ich möchte wissen, was sie brauchen, um mich als Roboter nachbauen zu können. Er schreibt, das gehe mit Fotos, Videos, 3D-Scans und Wachs­abdrücken. Der Produktionsprozess dauere sechs bis acht Monate. Bislang hätten sie etwa hundert dieser Humanoiden hergestellt.

Was die Roboter können, schreibt er nicht. Aber nach allem, was ich bislang weiß, warte ich mit der Bestellung lieber noch ein paar Jahre. 80 000 Euro für einen ferngesteuerten Doppelgänger erscheinen mir dann doch etwas viel. Und dass ich die nächsten Jahre selbst zum Elternabend muss, gut, das würde ich in Kauf nehmen. 

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