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Wie ein Musikfestival die Umwelt retten will

von Pearl Abbey-Obaro
Das Lollapalooza-Festival in Berlin wollte mehr bieten als nur Musik. Versteckt neben den Bühnen versuchte der „Grüne Kiez“, die Festivalbesucher über nachhaltige Technologien und Ideen aufzuklären. Wie gut das klappt, hat sich WIRED vor Ort angeschaut.

Die Sonne brennt, der Mund ist trocken. Konstantin kennt das Problem. Er arbeitet ehrenamtlich für den Verein Viva con Agua, der Menschen weltweit Zugang zu sauberem Trinkwasser verschaffen will. Heute stehen Freiwillige wie er aber nicht in Uganda, sondern bei 30 Grad im Schatten auf dem Lollapalooza-Festival in Berlin.

Der Bass wummert im Hintergrund, als sich die Turnbeutel tragenden Besucher verschwitzt in die Schlange einreihen. Während Konstantin ihre Flaschen auffüllt, eilt sein Kollege zum Wasseranschluss hinter dem Crêpes-Stand und holt Nachschub. „Ich bin mir nicht mal sicher, ob der Veranstalter weiß, dass wir das Wasser aus deren Leitung nehmen. Dass wir im Grunde alle Festivalbesucher mit Wasser versorgen, war im Vorfeld auf jeden Fall nicht geplant“, sagt Konstantin. Eigentlich ging es ihm darum, die Leute zu informieren, jetzt sollen sie erst mal nicht verdursten.

Zusammen mit 28 anderen Initiativen steht Viva con Agua im Grünen Kiez einem Bereich auf dem Gelände, der die Besucher auf gesellschaftliche Probleme, Klimawandel und Nachhaltigkeit aufmerksam machen soll. Die Festivalbesucher können unter anderem an Upcycling Workshops teilnehmen, um aus alten wertlosen Produkten neue sinnvolle zu schaffen. Sie besuchen per Virtual-Reality-Erfahrung ein SOS-Kinderdorf in Kenia oder kommen mithilfe des Crowdfunding-Projekts Ecocrowd der Verwirklichung ihrer eigenen nachhaltigen Ideen einen Schritt näher.

„Der Grüne Kiez schafft Raum für grüne und soziale Projekte“, heißt es bei den Veranstaltern. Das Lollapalooza will mehr sein als nur ein Musikfestival. Es ist auch ein Experiment, um Festivalbesuchern nachhaltige Projekte näher zu bringen.

Der Eingang zum „Grünen Kiez“

Pearl Abbey-Obaro

In einem buntem Zelt am Kiez steht Thomas Zighan und kämpft über die laute Musik hinweg um die Aufmerksamkeit seiner Workshop-Teilnehmer. Er ist der Gründer des Upcycling-Projekts „Tanz auf Ruinen“ und fertigt seit zwei Jahren hauptberuflich aus Müll Gegenstände wie Notizbücher, Gürtel und Schlüsselanhänger. Während nebenan die Berliner Aids-Hilfe e.V Jutebeutel mit Sprüchen wie „Vögeln fürs Klima“ bedruckt, basteln seine zehn Teilnehmer im Workshop-Zelt kleine Portemonnaies aus Tetrapacks.

„Ich bin eigentlich zweifach studierter Pädagoge“, erklärt Thomas und befestigt einen Druckknopf an seinem neuen Alpro-Soja-Geldbeutel. „Ich habe mich nebenbei schon immer mit Upcycling beschäftigt und der Grüne Kiez ist ein guter Ort, um den Leuten zu zeigen, wie einfach das geht.“ Kurz vor Ende des Workshops eilen schon die ersten davon, denn Künstlerin Lindsey Stirling tritt gleich auf der Mainstage auf. Thomas lässt sich davon nicht beirren und erklärt dem nächsten Schwung Teilnehmer, wie man aus Altpapier kleine Schachteln herstellt.

Portemonnaies aus Tetrapacks

Pearl Abbey-Obaro

Ein paar Meter weiter sitzen kleine Gruppen von Jugendlichen um zwei Holzbäume herum. Sie laden gerade ihre Smartphones an riesigen Solarpanelen auf. „Auf Festivals kann man sich gut in die Situation hineinversetzen, wie es ist ohne Strom zu leben“, erzählt eine Freiwillige von Little Sun, einem Projekt, das Solarenergie für Regionen ohne Strom in Afrika herstellt. „Wir wollen hier darauf aufmerksam machen, wie wichtig und notwendig ein Energiezugang ist.

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Der Grüne Kiez ist den ganzen Tag über gut besucht. Vielen geht es dabei allerdings weniger um die Projekte. Die einen geben zu, den Kiez vor allem als Rückzugsort zu nutzen, andere kommen schlicht wegen des Wassers. Dazwischen tummeln sie sich aber doch, diejenigen, die begeistert an Angeboten teilnehmen und Fair-Trade Petitionen unterschreiben. „Wir sind überwältigt von dem Ansturm“, sagt Sabine Gernemann von Oxfam. „Es ist schön zu sehen, wie viele junge Leute sich für Projekte hier im Grünen Kiez interessieren.“

Auf dem Hauptgelände des Festivals scheint das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit dennoch unterzugehen. „Es gibt einfach nicht genug Mülleimer, die sind alle voll und dann werfen die Leute ihren Müll überall hin“, sagt die 17-jährige Besucherin Saskia. Viele haben schlicht noch nichts vom Angebot des Kiezes gehört.

 

„Die Acts sind alle direkt hintereinander, da hat man kaum Zeit noch woanders hinzugehen“, erklärt die mit Glitzer geschminkte 18-jährige Laura. „ Ehrlich gesagt, ist der Grüne Kiez nicht das, weswegen wir hier sind.“ In einer Sache scheinen sich viele Besucher des Festivals einig zu sein „Ich finde es ziemlich schade, dass es auf dem Gelände keine Wasserhähne gibt, wie das bei anderen Festivals der Fall ist“, sagt die 24-jährige Lara. „Man kann sich nicht mal die Hände waschen und soll vier Euro für eine kleine Flasche Wasser bezahlen.“

Am nächsten Tag ist es noch heißer und es hat sich neben dem Stand von Viva con Agua eine zweite lange Schlange gebildet. Während im Hintergrund Milky Chance spielen, steht mittlerweile auch das niederländische Unternehmen Dopper an der Puschkinallee und füllt die Einwegflaschen aller durstigen Besucher mit Trinkwasser auf. Am Tag zuvor hatten sie ihre nachhaltige Trinkflasche für 12,50 Euro im Grünen Kiez verkauft und nur den Besitzern dieser Flasche, diese den ganzen Tag lang kostenlos aufgefüllt.

Der Wasserstand von Dopper

Pearl Abbey-Obaro

Es gab ein Problem mit der Security, erklärt Lenny Houwaart, die Marketing-Managerin von Dopper. „Jeder, der gestern eine Flasche gekauft hat, durfte sie heute nicht mehr auf das Gelände bringen.“ Und so wird der Kiez noch voller. Auf der einen Seite gibt das natürlich mehr Zulauf, auch für die Projekte. Auf der anderen Seite zeigt es, welchen Stellenwert Angebote jenseits der Musik und Dienstleistung auf großen Festivals haben. Lassen sich nachhaltige Projekte wirklich vermitteln? Bis zu einem gewissen Grad zumindest, haben die Leute verstanden, wie es ist, für Trinkwasser anzustehen.

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