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Die WeChat-Firma Tencent könnte zum größten Videospielehersteller werden

von Michael Förtsch
Der chinesische Internetkonzern Tencent ist im westlichen Markt kaum bekannt. Mittlerweile ist das Unternehmen aber wertvoller als Facebook. Der Grund? Tencent ist nicht nur ein Social-Media-Gigant, sondern auch ein heimlicher Videospiele-Moloch.

Es war eigentlich gleich eine doppelte Premiere. Am Montag hatte der Aktienwert von Tencent an der Börse von Hongkong die Marke von 500 Milliarden US-Dollar durchbrochen. Damit wurde es das erste asiatische Unternehmen, das diese Schwelle genommen hat. Bis zum Dienstagabend kletterte der Gesamtwert weiter auf insgesamt 523 Milliarden US-Dollar und toppte damit den Firmenwert von Facebook, der zu dieser Zeit bei 519 Milliarden US-Dollar lag. Damit ist Tencent nun eines der wertvollsten und wohl auch einflussreichsten Unternehmen der Welt. Wobei es sich noch weit hinter Apple und Google befindet, die mit immerhin 889 Milliarden und 721 Milliarden US-Dollar bewertet werden.

Aber wie konnte das passieren? Tatsächlich findet Tencent in westlichen Gefilden eher wenig Beachtung – obwohl das Unternehmen alleine im dritten Quartal 2017 ganze 9,8 Milliarden US-Dollar umgesetzt hat. Denn ein Gros des Geschäfts für den 1998 gegründeten Internetkonzern aus Shenzhen fand über lange Zeit ausnahmslos in China und somit in einem undurchsichtigen Gesellschaftsraum statt. Die Stellung, die sich der Konzern dort erarbeitet hat, ist nur schwer mit westlichen Maßstäben zu erfassen. Wer Tencent mit Google, Amazon oder Facebook vergleicht, der greift viel zu kurz. Das chinesische Unternehmen ist weitaus umtriebiger und vielfältiger.

Mit QQ.com betreibt Tencent bereits seit über zehn Jahren das erfolgreichste Webportal in China. Die Angebote sind ähnlich wie die von Yahoo.com und bestehen aus Nachrichten und verschiedenen Web-Dienstleistungen. QQ Games ist wiederum ein erfolgreiches Portal für Online-Games, dessen Nutzerschaft seit Jahren kontinuierlich wächst. Bei SoSo beziehungsweise Sogou Search handelt es sich um eine Suchmaschine nach Google-Manier. Qzone lässt sich wiederum grob als Mix aus Tumblr und dem frühen MySpace begreifen. Zudem unterhält Tencent die Twitter-Kopie Weibo, die Privatverkäufe-Plattform PaiPai, die PayPal-Alternative Tenpay und den E-Book-Vertrieb China Literature.

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Am bekanntesten ist Tencent allerdings für WeChat, das gerne als Messenger abgetan wird. Jedoch ist die App, die von angeblich 960 Millionen Menschen genutzt wird, weitaus mehr. In China umfasst sie ein gesamtes Online-Shop-Netz, sie wird für Überweisungen, Reservierungen in Restaurants, zum Rufen eines Taxis oder Vereinbaren von Arztterminen genutzt. Diese Funktionsvielfalt dehnt Tencent langsam auch auf andere Länder aus. Seit kurzem ist die Bezahlfunktion WeChat Pay auch in Deutschland und Großbritannien nutzbar. Aber der Einfluss von WeChat wächst vor allem in anderen asiatischen Ländern wie Malaysia.

Auf rasante Weise entwickelt sich Tencent im Videospiele-Sektor. Die Speerspitze bildet dabei das MOBA-Game Arena of Valor – zuvor King of Glory –, das für iOS- und Android-Geräte erhältlich ist. Das wird pro Monat alleine von 200 Millionen Chinesen gespielt. Durch ein ausgefeiltes System von Mikrotransaktionen ist es mittlerweile das umsatzstärkste Mobile-Game überhaupt – und wird vielfach für sein Suchtpotential kritisiert. Arena of Valor hat im dritten Quartal 2017 ganze 1,84 Milliarden US-Dollar eingespielt. Erst im Oktober ist das Game auch in Singapur, den Philippinen und Malaysia gestartet – und soll dort zahlreich weitere Spieler finden.

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Erst in diesem Jahr hat Tencent in China auch den Dienst WeGame gestartet – der die rudimentäre Tencent Gaming Plattform ablöst. Dabei handelt es sich um eine hauseigene Kopie des erfolgreichen Spiele-Service Steam über den PC-Videospiele aber auch verschiedenste Programme und Filme gekauft und geladen werden können. Weiter hat Tencent gerade die Rechte erworben, um den sehr erfolgreichen Online-Shooter Player Unknown’s Battlegrounds in China zu betreiben, wobei der dafür an die „sozialistischen Kernwerte“ des Landes angepasst werden soll. Gleichsam will das Unternehmen in den kommenden Jahren bis zu 15 Milliarden US-Dollar in den heimischen Games- und E-Sport-Markt investieren.

Auch im westlichen Videospiele-Universum wird Tencent seit Jahren immer einflussreicher und gewichtiger. Wobei das Unternehmen sich hier mehrheitlich im Hintergrund hält und scheinbar nicht allzu viel Präsenz zeigen möchte. Seit 2015 gehört beispielsweise das US-Studio Riot Games vollumfänglich dem chinesischen Internetkonzern. Das Unternehmen entwickelte League of Legends, das für Arena of Valor als Vorlage herhielt, und mit über 100 Millionen Spielern derzeit einen der wichtigsten Titel der E-Sport-Szene darstellt. Ebenso hat Tencent im Juli 2016 den finnischen Entwickler Supercell aufgekauft, der unter anderem die Mobile-Titel Clash Of Clans und Brawl Stars verantwortet.

Tatsächlich könnte Tencent nicht nur mit der zunehmenden Verbreitung und Relevanz von WeChat in massiver Manier wachsen, sondern primär durch eine immer prägnantere Position und breitere Basis im weltweiten Spielemarkt. Mittlerweile halten die Chinesen sogar Anteile an Branchengrößen wie dem Unreal-Engine-Entwickler Epic Games und Call-of-Duty-, Destiny- und World-of-Warcraft-Macher Activision Blizzard. Gut möglich, dass Tencent in einigen Jahren also nicht mehr als Internet- und Social-Media-Konzern bekannt sein wird, sondern vorrangig als globaler Videospielegigant.

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