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Assassin's Creed Origins: Wenn Archäologen zu Assassinen werden

von Dominik Schönleben
Einige Videospiele haben ein historisches Vorbild. Doch keine Serie nimmt ihres so ernst wie "Assassin’s Creed". Bei "Assassin’s Creed Origins" wurde sogar ein digitales Museum eingebaut.

Bei der Gestaltung des alten Ägypten hatte Maxime Durand ein Problem: „Wir wissen wenig über die Charaktere dieser Zeit“, sagt der ehemalige Museumsführer. Heute ist Durand Franchise Historian für Ubisoft Montreal und er soll dafür sorgen, dass sich die Welt von Assassin’s Creed Origins möglichst echt anfühlt und der Alltag der Ägypter und ihre Herrscher möglichst authentisch wirken. Doch das ist nicht immer einfach. Ein Beispiel: Das meiste, was Historiker über Kleopatra wissen, stammt aus den Schriften der Römer – ihrer Feinde. Und die verbreiteten zum Teil Lügen über sie: „Wenn es nur wenig Informationen gab, dann haben wir uns viel Freiheit genommen“, sagt Durand. Ihm blieb eigentlich gar nichts anderes übrig als zu spekulieren, damit Kleopatra einen Auftritt in Assassin’s Creed Origins bekommen konnte.

Anders soll das bei der Discovery Tour werden. Das ist ein spezieller Modus des Spiels, in dem die historische Simulation ganz ohne Gegner erforscht wird. Es gibt keine Konflikte, Aufträge oder Storytelling, stattdessen finden Spieler an bestimmten Orten digitale Museumstouren. Ähnlich wie Quests können diese dann nach und nach abgearbeitet werden. Als Belohnung warten keine digitalen Belohnungen, sondern Grundwissen übers alte Ägypten.

Assassin’s Creed Origins spricht über den Glauben der Ägypter ans Leben nach dem Tod, aber es ist ins Narrativ des Spiels eingebettet“, sagt Durand. Irgendwo am Rande sei dann auch ein Diener zu sehen, der gerade einen verstorbenen Herrscher mit einem Ritual auf dessen zweites Leben vorbereitet. Ein kleines Detail, das im eigentlichen Spiel nur die Glaubwürdigkeit der Simulation stützen soll. Der historische Hintergrund fehlt hier – alles reine Deko.

Mehr können Spieler dann während der Discovery Tour erfahren. Sie können an einen bestimmten Ort im Spiel reisen und dort dieselbe Szene finden, eingebettet in eine digitale Ausstellung. Ähnlich wie bei einem Audioguide ist die Ausstellung komplett vertont.

Gestaltet wurde dieses digitale Museum nicht von Durand alleine. Geholfen hat ihm ein ganzes Team aus Historikern. Unter anderem vom British Museum in London, dem Northwestern Museum aus Montreal und der französischen Universität La Sorbonne. „Einen Tempel mit seinen Artefakten, Räumen und den dort vollzogenen Praktiken in einem Videospiel zu sehen, macht es leichter, sich daran zu erinnern“, sagt Perrine Poiron, Archäologin vom La Sorbonne. Für Besucher sei es leichter, sich die Architektur der Vergangenheit vorzustellen oder ein Gefühl für diese Epoche zu bekommen, wenn sie sich in ihr bewegen können.

Neben den nachgebauten Monumenten und Szenen gibt es in der Discovery Tour auch Fotos echter Ausgrabungsgegenstände zu sehen, ähnlich wie in einem Museumsführer. Trotz all seiner Vorteile gerate hier jedoch die digitale Ausstellung an ihre Grenzen, sagt Poiron: „Eine kolossale Statue durch einen Bildschirm zu sehen, ist nicht dasselbe, wie neben ihr zu stehen.“ Ausstellungen in Videospielen seien großartig, um ein erstes Interesse zu schaffen. Doch ein vollständiges Verständnis könnten nur die echten Artefakte in einem realen Museum schaffen.

Für Historiker ist es trotzdem eine besondere Chance, die Vergangenheit durch moderne Computergrafik zum Leben zu erwecken. Das würden sie auch gerne für ihre eigenen Ausstellungen tun. Doch solche Versuche sind äußerst teuer. Nicht ohne Grund sind die 3D-Animationen in Ausstellungen und Dokumentarfilmen oft rudimentär und wirken veraltet. Eine Firma wie Ubisoft zahlt solch ein Projekt eher aus der Portokasse: Allein der zweite Teil von Assassin’s Creed hat 24 Millionen Dollar gekostet – Budgets für aktuelle Tripple-A-Games liegen zum Teil beim vier- bis fünffachen. Ein zusätzlicher Modus für Archäologen und Historiker macht da nur noch einen kleinen Bruchteil der Kosten aus, wenn die Engine und die meisten Grafiken bereits für das eigentliche Spiel produziert werden.

Auch bei vergangenen Teilen haben die Macher von Assassin’s Creed darauf geachtet, ihrem historischen Vorbild gerecht zu werden. Seit dem zweiten Teil gab es in jedem Spiel eine Datenbank. Die erklärte in Texten und Fotos die realen Hintergründe von Personen, Ereignissen und Gebäuden, die im Spiel vorkamen. „Die Datenbank soll unsere Entscheidungen transparent machen“, sagt Durand. In den Texten werde stets deutlich gemacht, an welchen Stellen das Spiel sich genau an sein historisches Vorbild halten würde, und wann sich die Designer von Ubisoft etwas mehr Freiheit genommen hätten. Letzteres vor allem dann, sagt Durand, wenn auch die Wissenschaftler keine eindeutige Antwort parat gehabt hätten.

Schon seit 2010 wünscht sich Durand, diesen Teil des Spiels auszubauen. Er hofft, dass seine neuen Discovery Tours vielleicht sogar in Schulen eingesetzt werden: „Wir haben jegliche Gewalt aus unserem Spiel entfernt, damit die Touren eine Altersfreigabe ab 12 Jahre bekommen können.“, sagt er. Das Hauptspiel Assassin’s Creed Origins ist hingegen in Deutschland ab 16 freigegeben. Jede Episode sei außerdem nur 20 Minuten lang, damit sie auch in einer Unterrichtsstunde bewältigt werden kann.

Eine Verwendung in deutschen Schulen wird wohl eher die Ausnahme darstellen – vor allem, da es die Discovery Tours nicht unabhängig vom Hauptspiel zu kaufen gibt. Trotzdem könnten sie zu einer großartigen Chance werden und viele Menschen an Geschichte heranführen, die dieses Thema in der Vergangenheit eher langweilig fanden. Und im Gegensatz zum Historienfilm wird die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit transparent offengelegt. Spieler erfahren stets, wann „basiert auf einer wahren Begebenheit“ besonders kreativ ausgelegt wurde.

Assassin’s Creed Origins erscheint am 27. Oktober für PC, PS4 und Xbox One. Die Discovery Tours sollen Anfang 2018 als kostenloses Update nachgereicht werden.

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