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Neues vom Admin / Gebt den Trollen Futter!

von Armin Hempel
Wenn unser Admin im Netz auf Hasskommentare stößt, bleibt er normalerweise ruhig. Das Mantra „Trolle bitte nicht füttern“ hielt ihn immer wieder von öffentlicher Gegenrede ab. Trotzdem wird das Netz täglich von mehr Unsinn geflutet. Armin Hempel findet: Es ist Zeit für einen Strategiewechsel.
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Tweets wie dieser regen mich auf. Stumpfe Provokationen drängen mich zu einer Reaktion. Ich will zum Beispiel alle Menschen, die verbreiten, dass Angela Merkels „Willkommenspolitik“ rechtswidrig sei, als Lügner bloßstellen. Ich will Fakten sprechen lassen und fremdenfeindliche Hass-Postings als die dümmliche Propaganda entlarven, die sie sind.

Sehe ich unverhohlenen Rassismus im Netz, werde ich wütend. ​ 

Doch dann setzt sofort mein Korrektiv ein. Schon vor langer Zeit wurde mir in hitzigen, noch über 56k-Modems ausgetragenen Forumsdiskussionen von erfahreneren Internetnutzern eine der Grundlagen der Netiquette eingetrichtert: Lass die Idioten und Störer einfach in Ruhe, dann gehen sie schon von selbst wieder weg – don't feed the trolls! Diese Faustregel hat über Jahrzehnte zuverlässig funktioniert. Ich halte also einmal mehr die Finger still und hoffe, dass der rassistische Unsinn, der sich heute in den sozialen Medien über mich ergießt, von allein verschwindet. Aber ist das klug? 

Für die Jüngeren unter euch: Ein Troll ist laut Wikipedia „eine Person, welche Kommunikation im Internet fortwährend und auf destruktive Weise dadurch behindert, dass sie Beiträge verfasst, die sich auf die Provokation anderer Gesprächsteilnehmer beschränken und keinen sachbezogenen und konstruktiven Beitrag zur Diskussion enthalten.“

Diese Menschen wollen vor allem, dass ihnen niemand widerspricht.

Bis dahin trifft die Definition auch voll und ganz auf all die rassistischen und rechtsextremen Facebook-Gruppen, die „Asylkritiker“, und die wie Unkraut aus dem Boden sprießenden Social-Media-Präsenzen der diversen Pegida-Ableger zu. Ihre Beiträge sind nicht konstruktiv, denn sie sind abwechselnd illusorisch (das „Problem“ soll auf magische Weise verschwinden) oder setzen auf eine Abschaffung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung (Schießbefehl an Außengrenzen). Business as usual also – bitte nicht füttern!

Leider ist das nur die halbe Wahrheit, denn der entscheidende Satz steht erst am Ende der Wikipedia-Definition eines Internet-Trolls: „Dies erfolgt mit der Motivation, eine Reaktion der anderen Teilnehmer zu erreichen.“ Es geht den traditionellen Trollen in Internet-Foren nämlich nur um Aufmerksamkeit. Meistens stellen sie zunächst eine vollkommen unhaltbare und absurde These in den Raum, zum Beispiel: „Linux ist ein Haufen Mist.“ Jede vernünftige Reaktion darauf, jeder Vermittlungsversuch stachelt sie nur zu weiteren Postings an, die in der Folge immer abstruser werden. Hält man sich aber zurück und verkneift sich wider besseres Wissen jegliche Reaktion darauf, versinkt das Posting in der Bedeutungslosigkeit – Sache erledigt.

Und das ist der Knackpunkt. Der Hass, der momentan das Netz überschwemmt, der unsere Facebook-Feeds einnimmt und der auf Twitter nachzulesen ist – das sind nicht einfach nur ein paar Internet-Trolle, die provozieren wollen. Diese Menschen sind nicht bloß auf unsere Aufmerksamkeit angewiesen. Nein, viel schlimmer, sie sind froh, wenn niemand widerspricht. Während ich mich langweile, wenn ich immer und immer wieder die gleichen Inhalte poste, beansprucht der braune Sumpf mit seinen unaufhörlichen Wiederholungen von Lügen und Vorurteilen nicht weniger als die absolute Meinungshoheit im Netz. Masse statt Klasse. Und genau an dieser Stelle hört der Spaß auf.

Kluge Argumente sind kein Futter für Rassisten, sondern Gift.

Wir kommen mit vornehmer Zurückhaltung nicht mehr weiter. Um das Internet als einen Ort der Meinungsfreiheit zu retten, um den Dumpfbacken das Feld nicht zu überlassen, brauchen wir alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen: Staatsgewalt und Plattform-Betreiber müssen schnell und effizient zusammenarbeiten, um strafrechtlich relevante Inhalte zu löschen und zu verfolgen. Begegnen uns aber als User Postings, die zwar nicht kriminell sind, aber dennoch nationalistische oder rassistische Äußerungen enthalten, sind wir gezwungen, uns selbst zu wehren. Wir dürfen nicht mehr wegschauen, wir müssen argumentieren, recherchieren, informieren und Lügen als solche entlarven. Freundlich, aber bestimmt. Immer und immer wieder. Kluge Argumente sind kein Futter für diese Menschen, sondern Gift. Unter jedem einzelnen Posting.

Es ist gefährlich und verharmlosend, Rassisten mit Internet-Trollen zu verwechseln. Nur mit klugen Gegenargumenten können wir uns selbst und das freie Netz verteidigen.

In der letzten Folge seiner Kolumne erklärte Admin Armin, warum wir nicht alle lernen müssen, zu programmieren – sondern nur die richtigen Fragen zu stellen. 

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