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Der VR-Park The Void soll uns in die „Hyper Reality“ versetzen

von Dominik Schönleben
Was wäre, wenn man die Virtuelle Realität anfassen könnte? Wir wären vielleicht kaum noch in der Lage, sie von der Wirklichkeit zu unterscheiden, glaubt James Jensen. Deswegen arbeitet der Gründer von The Void an seiner ganz persönlichen Vision vom VR-Erlebnispark.

Es ist ein weiterer Routine-Testlauf für James Jensen. Mit einer Fackel in der Hand läuft er durch düstere Höhlen. Er erreicht eine Halle, vor ihm eine große Mauer, die zu leuchten anfängt und dann explodiert. Die ersten 19 Mal war Jensens Reaktion auf dieses Erlebnis ziemlich unterkühlt: „Ich sah und hörte es – und dachte: Das ist cool.“ Aber eben auch nicht mehr. Jensen war stets klar, dass er sich nur in einer Simulation befindet – dem VR-Spiel Curse of the Serpent’s Eye – und die Explosion ihm keinen Schaden zufügen kann.

Doch bei Durchlauf 20 ist alles anders: Als die Mauer explodiert, weicht Jensen zurück und versucht, sein Gesicht vor den umherfliegenden Gesteinsbrocken zu schützen. Die virtuelle Welt ist für ihn einen kurzen Moment lang Realität geworden, bevor sein Gehirn sich wieder einschaltet und ihn daran erinnert, dass er eigentlich nur ein Spiel testet: „The Void hat mich ausgetrickst“, sagt Jensen, als WIRED ihn auf der VR NOW Con 2016 in Potsdam trifft.

Verantwortlich für Jensens kurzen Schreckmoment war die von ihm entwickelte Haptik-Weste, die er im 20. Durchlauf zum ersten Mal trug. Wenn etwas im Game passiert, dann vibriert sie, ein bisschen wie ein Force-Feedback-Controller der PlayStation. Während das bei einem regulären Videospiel eher ein Gimmick ist, wird es in der Virtuellen Realität zu einem wichtigen Puzzlestück für die perfekte Simulation. Durch Jahrmarkt-Tricks wie diesen sollen VR-Spiele zu einem ganzheitlichen Erlebnis werden – „Hyper Reality“ nennt Jensen das. Berührt ein Spieler eine Wand, ist sie wirklich zu fühlen, gleitet ein Geist vorbei, zieht ein kalter Lufthauch durch den Gang und spricht ein riesenhaftes Monster prasseln kleine Wassertropfen wie Spucke aufs Gesicht.

Jensens erstes VR-Erlebnis dieser Art ist Ghostbusters: Dimension im New Yorker Madame Tussauds, wo Besucher selbst auf Geisterjagd gehen können. Doch in naher Zukunft soll im US-Bundesstaat Utah die Zentrale seines Unternehmens The Void mit weiteren Spielen eröffnet werden. Und laut Jensen gibt es bereits Pläne für eine weltweite Expansion seiner VR-Erlebnisparks.

WIRED: Mehr und mehr Menschen werden bald VR-Brillen zu Hause haben. Warum sollten sie dann noch The Void besuchen?
James Jensen: Menschen gehen noch immer ins Kino, obwohl sie tolle Fernseher und Lautsprecher haben. Sie gehen ins Kino, um etwas mit ihren Freunden zu erleben. Es gibt eine bestimmte Version von Virtual Reality, die du zu dir nach Hause holen kannst, aber du kannst niemals das gesamte Erlebnis einfangen. Das ist einer der Gründe, warum wir Virtual Reality in Hyper Reality umzuwandeln wollen. Das ist mehr wie ein Erlebnis in der echten Welt, nur dass wir dich manipulieren und in Situationen bringen können, die du dir nie hättest vorstellen können.

WIRED: Du benutzt das Wort Hyper Reality. Was soll das sein?
Jensen: Das ist die wissenschaftliche Definition für das, was wir machen. Du befindest dich in einer falschen Realität, fühlst dich aber als ob du in einer echten wärst. Das ist eine faszinierende Entwicklung, aber auch gruselig. Bei Animationen in Filmen kann man nicht mehr unterscheiden, was echt ist und was nicht. Stell dir das in den nächsten fünf bis zehn Jahren für Virtual Reality vor. Ist es dort soweit, sind wir bei Hyper Reality angelangt: Du kannst den Unterschied zwischen digitaler und echter Welt nicht mehr erkennen.

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WIRED: Also würde es dich nicht überraschen, herauszufinden, dass unsere Welt nur eine Simulation ist?
Jensen: Überhaupt nicht. In der echten Welt existiert dieser Tisch, ich kann meinen Arm darauflegen. In der Hyper Reality ist er virtuell, aber du kannst ihn auch anfassen und deine Arme darauflegen. Wenn du aus The Void herauskommst, wirst du hinterfragen, ob dieser Tisch hier echt ist.

WIRED: Hat ein VR-Erlebnispark wie The Void das Potenzial, auch über Spiele hinaus genutzt zu werden?
Jensen: Definitiv. Wir denken über Alternativen für unser Tagesprogramm nach: Bildung, Teambuildung-Aktivitäten, verschiedene Welten, in die wir Menschen für Firmentreffen und Partys bringen können. Erst am Abend wollen wir unser Center für Unterhaltung öffnen, damit Familien und Freunde ein Abenteuer erleben können.

WIRED: Menschen könnten also zum Beispiel gefährliche Situationen für den Ernstfall trainieren?
Jensen: Ja, und all das ist nur einen Knopfdruck entfernt. Unsere Bühnen und Wände müssen sich nicht bewegen. Für ein Notfall-Einsatzteam könnten wir eine Umwelt mit Schüssen oder Explosionen simulieren, in der Menschen gerettet werden müssen. So bauen die Teilnehmer sich ein Reaktionsgedächtnis auf, damit sie sich in realen Situationen auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Aber das ist nur ein Beispiel. Wenn du dir Bildung anguckst, könntest du Erlebnisse erschaffen, bei denen Menschen über das menschliche Herz lernen oder durch ein Gehirn wandern können. Was dabei wichtig ist: Wir müssen an etwas arbeiten, das real wirkt. Diese Erlebnisse speichern Menschen in einem anderen Bereich ihres Gehirns ab.

WIRED: Werden VR-Simulationen in der Zukunft soziale Treffen in der Realität ersetzen?
Jensen: The Void ist genau das Gegenteil davon. Es geht darum, sich in einer öffentlichen und sozialen Umgebung zu treffen, auf ein Abenteuer zu gehen und danach miteinander zu reden – und davon zu lernen. Ich möchte ein Erlebnis erschaffen, bei dem ein Individuum als andere Person herauskommt. Die Teilnehmer kommen in eine Welt, in der sie die freie Entscheidung haben, gute oder böse Dinge zu tun.

WIRED: Also geht es nicht nur um Action und Spaß, sondern auch um Moral?
Jensen: Sicher, das muss es. Wir kreieren Realität und erlauben Menschen, sie zu manipulieren. Wir wollen Menschen dazu bringen, neuen Respekt für die echte Welt zu entwickeln, in der sie leben.

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