Eigentlich sollte es inzwischen auch die letzte PR-Agentur mitbekommen haben: Mitmach-Kampagnen auf Twitter können schnell schiefgehen. Die Aktion #MyNYPD der New Yorker Polizei lief aus dem Ruder, weil die Nutzer statt freundlichen Beamten lieber Momente der Polizeigewalt fotografisch dokumentierten. Die Getränkemarke Nestea sammelte unter #DeineFreiheit nicht die erwünschten Bilder von Freiheitsmomenten, stattdessen wurde ihr Mutterkonzern Nestlé für Tierversuche kritisiert. Und als sich die palästinensische Hamas für ein Frage-Antwort-Special zur Verfügung stellte, hagelte es überwiegend zynische Kommentare von Gegnern. Trotz allem leistete sich Syriens staatliche Nachrichtenagentur Syrian Arab News Agency (SANA) diese Woche mit einer Twitter-Kampagne einen besonders geschmacklosen Fauxpas.
Die Agentur, Sprachrohr von Syriens Diktator Baschar al-Assad, forderte die rund 15.000 Follower auf, unter dem Hashtag #SummerInSyria Fotos ihrer schönsten Sommermomente in Syrien zu teilen. Wie wenig angebracht dieser Aufruf an Bewohner eines Landes ist, in dem in fünf Jahren Bürgerkrieg mehr als 200.000 Menschen ihr Leben verloren haben, beweisen die Reaktionen der Twitter-Community. Statt Sonnenuntergängen und Palmen zeigen die Bilder die Auswirkungen des Krieges, begleitet von zynischen Kommentaren.
Auf die Rettungssanitäter warten, um eine nette Fahrt in der erfrischenden Meeresbrise zu genießen.
Unter einem Foto, das nebeneinander aufgereihte Leichen am Strand zeigt, schreibt ein Nutzer: „Sonnenbaden! Ein paar Häuserblöcke vom Präsidentenpalast entfernt das syrische Wetter genießen.“ Ein anderer kommentiert ein Bild von verletzten Menschen mit den Worten: „Auf die Rettungssanitäter warten, um eine nette Fahrt in der erfrischenden Meeresbrise zu genießen.“ Ein Foto von verletzten Kindern ist mit dem Hinweis versehen, Präsident Assad habe den Sommer vor einigen Tagen in der Stadt Homs mit Fassbomben begrüßt. „Ich genieße gerade meinen Tee und den Ausblick von meinem Balkon“, schreibt ein weiterer Follower zu einem Foto von Häusern, die in Schutt und Asche liegen. Vielen Twitter-Usern fehlten aufgrund der geschmacklosen Aktion offenbar die Worte: Sie lassen ihre düsteren Impressionen vom Sommer in Syrien für sich sprechen. Die Nachrichtenagentur SANA hat sich bisher nicht zu den Reaktionen geäußert.
