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Was eine Video-App für Kinder von South Park lernen kann

von GQ
Die eigentümlichen Apps von Toca Boca sind der Hit bei Kindern in Schweden und den USA. Jetzt will das Unternehmen mit seiner Video-App Toca TV die gesamte Entertainment-Welt für Kinder neu erfinden.

Vermutlich habt ihr noch nie von Toca Boca gehört. Doch beim nächsten Fünfjährigen in eurer Umgebung dürften die Chancen besser stehen: Die Spiele-Apps des schwedischen Unternehmens wurden schon über 140 Millionen Mal heruntergeladen und besetzen beispielsweise in den USA ganze fünf Plätze in den Top 10 der iOS-Charts für kostenpflichtige Kinder-Apps.

Im Wettbewerb mit einer ganzen Flut von Freemium-Apps und zahllosen Spin-Offs zu Serien hat sich Toca Boca seine eigene Schneise geschlagen. Keines der Angebote des schwedischen Entertainment-Unternehmens ist kostenlos, dafür sind sie frei von In-App-Käufen und besitzen ihren ganz eigenen Charme. Sie sind „weird“, ein wenig seltsam, wie das Unternehmen gern selbst sagt.

Nach dem großen Erfolg mit Spielen will Toca Boca nun das Thema Video in Angriff nehmen, mit der neuen App Toca TV. „Wenn etwas zuckersüß und herablassend gegenüber den Kindern ist, dann kommt das für uns nicht infrage“, sagt J. Milligan, Executive Producer bei Toca Boca. Milligan kam im April 2015 zum Unternehmen, nachdem er seinen Job als Creative Director bei der US-Sesamstraße hinter sich gelassen hatte. Jetzt leitet er Toca TV, die neue Video-Abteilung, die Toca Boca in New York gegründet hat.

Milligans 15 Personen starkes Team arbeitet in einem entspannten Großraumbüro im Stadtteil Brooklyn daran, Videos auf die Toca-Boca-Formel zu bringen: Die Clips sollen Spaß machen und die Welt aus der Perspektive der Kinder zeigen.

Gegründet wurde Toca Boca als internes Startup des schwedischen Verlags Bonnie, der auf eine 200-jährige Geschichte zurückblicken kann. Toca TV wurde im Juni 2015 gelauncht, erst in Australien und Neuseeland, jetzt soll das Format in die gesamte Welt exportiert werden. Im April 2016 wurde Toca Boca vom internationalen Entertainment-Unternehmen Spin Master aufgekauft.

Mein Sohn steht auf Minecraft und Lego, aber derzeit schaut er sich YouTube-Videos an, in denen sehr teure Yachten verkauft werden

J. Milligan, Executive Producer bei Toca Boca

Toca TV ist eine iPhone- und iPad-App, die monatlich 4,99 Euro kostet und einen Mix aus selbstproduzierten und lizensierten Sendungen anbietet. Eine Android-Version ist bereits in Arbeit, ein Veröffentlichungsdatum gibt es noch nicht.

„Wir haben es einfach unterschätzt, wie lange es dauern würde, bis wir uns auf etwas anderes konzentrieren können“, sagt Björn Jeffery, Gründer und CEO von Toca Boca, der beim Besuch von WIRED aus Stockholm in ein Meeting seines Toca-TV-Teams in New York zugeschaltet wird: „Als moderne Kinder-Marke müssen wir eine Videopräsenz besitzen. Zahlen sind irrelevant, der Markt explodiert.“ Die Arbeit an Toca TV begann 2014, doch Jefferys Heureka-Moment kam, als er realisierte, dass es Kindern völlig egal ist, was sie anschauen – zumindest innerhalb eines gewissen Rahmens.

„Egal ob es ein Vine ist, ein YouTube-Video, ein Snapchat-Clip oder ein Pixar-Film, aus der Perspektive eines Kindes können sie gleich großartig sein – oder sie sind es eben nicht“, sagt Jeffery. Das Format spiele für Kinder viel weniger eine Rolle und das sei eine großartige Chance. Kinder mögen nicht nur Kinderfernsehen, das sei der treibende Gedanke hinter Toca TV.

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Während andere Anbieter eine klare Linie zwischen Sendungen für Erwachsene und Sendungen für Kinder ziehen, verschwimmt diese Grenze bei Toca TV. Trotzdem wird sichergestellt, dass die Inhalte für Kinder geeignet sind. Jedes Video in der App wird von einem Toca-Boca-Mitarbeiter auf einer eigenen Skala nach seiner Kinderfreundlichkeit bewertet und im Zweifel aussortiert.

Bei ihrer Veröffentlichung hatte die App knapp 1000 Videos, 100 davon stammen aus der Produktion von Toca Boca. Jede Woche sollen knapp 50 Clips hinzukommen, zwei davon aus Eigenproduktion. Im Gegensatz zu anderen Apps, die ihre Videos in einem Gitternetz darstellen, zeigt Toca TV sie als Stapel, der von den Kindern nach rechts oder links weggewischt werden kann.

Kindern ist es egal, wie etwas produziert wurde, wer es produziert hat und wie hoch die Videoqualität ist – es macht entweder Spaß oder nicht

Björn Jeffery, Gründer und CEO von Toca Boca

„Mein Sohn steht auf Minecraft und Lego, aber derzeit schaut er sich YouTube-Videos an, in denen sehr teure Yachten verkauft werden“, sagt J. Milligan, der aus Brooklyn kommt und stets mit sanfter Stimme spricht. „Das Programm richtet sich eigentlich nicht an Achtjährige. Aber Achtjährige überall auf der Welt verschlingen gerade in diesem Moment Stunden über Stunden von Highend-Yacht-Videos.“ Wer dabei verliere, seien die großen Medienunternehmen, deren Inhalte eigentlich an diese Achtjährigen gerichtet sind.

Toca Boca will die Versäumnisse der großen Sender nicht wiederholen: „Uns ist klar geworden, dass es Kindern egal ist, wie etwas produziert wurde, wer es produziert hat und wie hoch die Videoqualität ist“, sagt Jeffery. „Alles wird Binär: Es macht entweder Spaß oder eben nicht.“ Zu den erfolgreichsten Videos von Toca Boca gehören umfallende Dominosteine, Hunde in Halloween-Kostümen und Highspeed-Cupstacking.

Während andere Unternehmen den Fokus auf Match-Three-Games, Rennspiele oder Infinite Runners legen, geht Toca Boca mit seinen Apps einen anderen Weg: Toca Lab, Toca Kitchen und Toca Hair Salon versuchen, die Art zu imitieren, wie Kinder im echten Leben spielen statt nur konventionelle Smartphone- oder Tablet-Spiele zu sein. „Pixar ist ein gutes und zugleich tragisches Beispiel dafür“, sagt Jeffery: „Die Animationen und die Filme sind so nett gemacht, da wird viel Arbeit reingesteckt, das sieht man. Und dann spielt man deren Spiele und es ist ein Desaster. Die Apps sind einfach nur peinlich für die Marke.“

Jede Woche setzen sich Improv-Künstler in eine kleine Aufnahmekabine in einer Ecke des Toca-TV-Studios. Es gibt ein grundlegendes Skript und jeder hat eine Rolle, die er oder sie spielen muss, aber die Darsteller haben viel Freiheit. Die Schauspieler sollen Videos erstellen, die Kinder mithilfe der App nachahmen können. Sie sollen Hilfestellung geben, damit die Kinder ihre eigenen Abenteuer erleben können.

Die größte Inspiration dahinter? South Park, sagt Milligan und lacht. Die Animationen seien simpel, weshalb pro Woche eine Episode produziert werden könne – und das wichtigste seien die Synchronstimmen. „Wir werden nicht wie Pixar vier Jahre mit einem Film verbringen“, sagt Milligan.

Er will, dass Kinder Videos anschauen und gleichzeitig selbst in Aktion treten. Während des Testlaufs von Toca TV hat sich diese Funktion zum Hit entwickelt: Kinder können ihr eigenes Video aufnehmen und mit einigen wenigen Handbewegungen Effekte und Animationen hinzufügen. „Wir wollen ihnen die Fähigkeit geben, etwas zu erschaffen oder sich auszuprobieren, wir wollen Kindern eine eigene Stimme geben, mit der sie sich ausdrücken können“, sagt Milligan.

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED UK.

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