Hinweis zu Affiliate-Links: Alle Produkte werden von der Redaktion unabhängig ausgewählt. Im Falle eines Kaufs des Produkts nach Klick auf den Link erhalten wir ggf. eine Provision.

Super Mario Odyssey weiß nicht, was es sein will

von Dominik Schönleben
Das neue Super Mario ist ein 3D-Plattformer im Stil von Super Mario 64. Allerdings mit einem neuen Gimmick: Der ehemalige Klempner kann mit seiner Mütze die Kontrolle über Gegner und Freunde übernehmen. Eine Mechanik, die nicht so richtig begeistert.

Mario wirft seine Mütze. Auf einen Hund, einen Dinosaurier, einen Feuerball oder sogar auf einen gut abgehangenen Schinken. Egal wie absurd das Objekt sein mag, Mario kann durch seinen Hut in andere Körper schlüpfen und durch die Welt als mächtiger Tyrannosaurus stampfen oder als Fleischstück hoppeln. Die Welt von Super Mario Odyssey ist ein äußerst dystopischer Ort, wenn der ehemalige Klempner in den Geist seiner Feinde und Freunde eindringt, um sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Und sie dann wie eine billige Einweg-Regenjacke wegwirft, nachdem er bekommen hat, was er will.

Und was will Mario? Monde, um sein Raumschiff zu befeuern. Damit jagt er zum x-ten Mal seinem Erzwidersacher Bowser hinterher, der mal wieder seine Freundin Peach entführt hat – dieses Mal soll geheiratet werden. Es hat sich also auf den ersten Blick wenig verändert, wenn Mario in der bereits in Super Mario 64 etablierten 3D-Plattformer-Manie durch die Levels hüpft und rennt – doch der Schein trügt. Denn das Spiel weiß nicht so recht, was es sein will und schlägt immer wieder zwei unterschiedliche Richtungen ein, die nicht miteinander in Einklang zu bringen sind.

Im Zentrum des Spiels steht die neue Super-Mütze Cappy, mit der Mario fast alles übernehmen kann. Er bekommt dadurch neue Fähigkeiten: Mal kann Mario durch Lava schwimmen, das andere Mal sonst unzerstörbare Blöcke zertrümmern. Immer wenn Mario einen neuen Gegner entdeckt, den er übernehmen kann, dann ist irgendwo ein Mond versteckt, den Mario nur in dieser Gestallt erreichen kann. Diese Momente präsentieren sich als kleine Rätsel und Minispiele. Mit einer Lösung, die in fast allen Fällen sofort ersichtlich ist: Als Feuerball können wir durch einen Streifen Lava schwimmen, an dessen Ende ein Mond wartet. Zertrümmern wir in der Gestalt des T-Rex die richtigen Blöcke, dann springt aus einem ein Mond heraus. Und haben wir genug Monde gesammelt, kann Mario mit seinem Raumschiff in die nächste Welt entschwinden.

Kaum haben wir uns an diese Formel gewöhnt, schon wird sie zur Routine: Ein neues Objekt oder einen Gegner zum Übernehmen entdeckt? Dann heißt es, schauen, wo sich in der Nähe der nächste Mond versteckt. Super Mario Odyssey wird so zu einer Art Spielesammlung, deren Minispiele durch kurze Open-World-Segmente miteinander verknüpft sind.

Insgesamt 14 Welten gilt es im normalen Durchlauf zu bereisen – mehr können später entdeckt werden. Wir wandern also durch meist überschaubare Levels auf der Suche nach dem nächsten Minispiel, manchmal liegen die Monde aber auch einfach nur irgendwo im Weg. Was uns motiviert, ist nicht die Begeisterung für die Puzzles – deren Lösungen sind meist banal – sondern die Sammelleidenschaft und der Wunsch, mit genug Monden endlich die nächste Welt zu entdecken.

Je weiter wir kommen, desto mehr anspruchsvolle Plattforming-Episoden hat das Spiel zu bieten. Mehrere rotierende Ebenen, die im perfekten Timing durchsprungen werden müssen. Stets aber nicht in Gestalt einer per Hut übernommenen Kreatur, sondern als der gute alte Mario. Am Ende einer Episode wartet dann ein einzelner Mond. Wer nur das Ende des Spiels sehen möchte, kann sie also getrost überspringen. In solchen Plattforming-Levels kommt Super Mario Odyssey immer wieder zu den Wurzeln der Serie zurück und erinnert dabei an die schwierigeren Levels aus dem Klassiker Super Mario 64.

Es zeigt sich schnell, dass Odyssey zwei Dinge gleichzeitig sein will: Einerseits steht da das leichtfüßige und simple Open-World-Spiel, das sich ganz auf die Mützenmechanik konzentriert und bei dem eher die Entdeckung im Zentrum steht. Und dann andererseits kann Odyssey es auch nicht lassen, knackige Jump-and-Run-Action mit reinzupacken. Beides zusammen wirkt jedoch wie ein Widerspruch. Vor allem, weil in den Plattforming-Segmenten die Mütze nur in den wenigsten Fällen eine Rolle spielt.

Auch wenn das neue Super Mario mit wirklich viel Liebe zum Detail gemacht wurde, wirkt es wie eine verschenkte Chance. Es fühlt sich an wie zwei Spiele, die zusammengefügt wurden, aber kein homogenes Ganzes ergeben: Während wir uns bei den Plattforming-Segmenten bis zur Weißglut über die schwierigen Manöver ärgern, sind die Mützenrätsel so einfach, dass sie sich oft langweilig und banal anfühlen. Sie sind ein Job, der erledigt werden muss, damit das Spiel weitergehen kann.

Ähnlich nervige Sammelmarathons kennt man aus anderen Open-World-Spielen. Besonders frustrierend wird es jedoch nach dem Abspann, als wir erfahren, dass es weitere Welten zu entdecken gibt. Für die reichen jetzt aber nicht mehr 20 Monde, sondern es müssen mehr als 200 gefunden werden. Die Motivation weiterzuspielen endet dann schnell.

So langweilig und altbacken das traditionelle Setup von der zu rettenden Prinzessin ist, so angenehm wird diese Idee zum Ende des Spiels mit einem Augenzwinkern untergraben. Wir hatten das Gefühl, dass selbst Nintendo gemerkt hat, wie stereotyp und sexistisch die eigenen Charaktere schon immer waren. Und wie dringend der heldenhafte Mario und die hilflose Prinzessin Peach ein Update brauchen. In Mario & Rabbids: Kingdom Battle war bereits ähnliches zu sehen, als Peach mit Kleid, Pumpgun und einem kecken Spruch auf den Lippen reingeschwebt kam, um die Jungs aus einer misslichen Lage zu retten. Eine erfrischende Entwicklung für das Mushroom-Kingdom, und die sollte dringend ausgebaut werden.

Was nicht unerwähnt bleiben darf, das ist die Steuerung von Odyssey und der Zwei-Spieler-Modus. Da viele Tricks mit der Mütze nur über ruckartiges Drehen oder Bewegen des Motion Controllers ausgelöst werden können, muss man im Handheld-Modus auf sie verzichten. Das macht vor allem die Bosskämpfe unterwegs unnötig schwer. Der Zwei-Spieler-Modus ist eher albern: Hier kann ein Spieler Mario steuern, der andere seine Mütze. Das ist irgendwie witzig, aber richtig Spaß macht es nicht. Odyssey bleibt ein Solo-Game.

Super Mario Odyssey macht viel Spaß, ist aber nicht die perfekte 3D-Mario-Fortsetzung, die sich viele Fans gewünscht haben. Obwohl wir einige Stunden mit dem Suchen der Monde verbracht haben, entwickelte sich das Spiel mehr und mehr zur Sammelorgie ohne Langzeitmotivation. Wir hätten uns einfach mehr von Marios Mütze gewünscht – oder eben weniger. Für eines davon hätte Nintendo sich entscheiden sollen.

GQ Empfiehlt
Nintendos neues Produkt ist aus Pappe

Nintendos neues Produkt ist aus Pappe

von Michael Förtsch