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De Maizière verteidigt Südkreuz-Test trotz Datenschutzproblemen

von Michael Förtsch
Derzeit tragen Freiwillige bei ihren Wegen durch den Berliner Bahnhof Südkreuz einen Transponder. Sie nehmen am Test zur Gesichterkennung teil. Das Gerät liest und sendet jedoch mehr Daten als die Bundespolizei behauptete. Datenschützer fordern daher den sofortigen Stopp des Versuchs – Innenminister de Maizière widerspricht.

Bei seinem Besuch am Berliner Bahnhof Südkreuz hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Test zur Gesichtserkennung gegen Kritik verteidigt. Er verspreche sich „einen unglaublichen Sicherheitsgewinn“, sollte der Test erfolgreich verlaufen. Zuletzt hatte die Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff in einer Mitteilung Bedenken an dem Projekt zur Videoüberwachung geäußert: Die 300 freiwilligen Teilnehmer an dem Versuch seien aus ihrer Sicht nicht ausreichend informiert worden. Die Bundespolizei müsse alle noch einmal fragen, ob sie wirklich mitmachen wollten, denn offensichtlich habe die Bundespolizei mehr Daten gesammelt als vorher angekündigt. „Das Versäumnis der Bundespolizei ist keine Lappalie“, sagte Voßhoff.

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Bereits im Vorfeld hatte es heftige Kritik am Pilotprojekt der Bundespolizei, der Bahn und des Innenministeriums am Bahnhof Südkreuz in Berlin gegeben. Dennoch wird das Überwachungssystem seit rund drei Wochen mit 300 Freiwilligen getestet. Sie sollen anhand biometrischer Merkmale aus der Masse herausgefiltert werden. Um Treffer und Fehlidentifikationen festzustellen, tragen die Probanden einen Sender mit sich. Der war als simpler RFID-Chip beschrieben worden.

Doch der Datenschutz- und Bürgerrechtsverein Digitalcourage stellte fest, dass es sich dabei vielmehr um ein iBeacon handelte. Also einen Bluetooth-Transponder mit rund 20 Metern Reichweite, der beiläufig auch Daten wie Temperatur, Neigung und Beschleunigung ermitteln kann.

Der in einer runden Kapsel geschützte Sender sei, so Netzaktivist und Digitalcourage-Mitgründer padeluun, eigentlich ein „intelligentes Überwachungslabor“. Damit ließen sich theoretisch Bewegungsprofile erstellen – auch außerhalb des Testareals im Bahnhof. Die Bundespolizei relativiert das. Die „iBeacon-Funktion sowie der Beschleunigungssensor (...) im Auslieferungszustand sind inaktiv geschaltet“ worden. Die Temperatur würde hingegen übermittelt aber vom System ausgefiltert. Auch würden die iBeacon Daten alleinig im abgegrenzten Bereich des Bahnhofs erfasst. Jedoch ist es möglich, wie die Vereinsmitglieder belegen, die Daten mit einer passenden Smartphone-App auszulesen.

Die Bundespolizei erklärte auf Rückfrage von WIRED Germany: „Die freiwilligen Testpersonen haben durch Einwilligung der Verarbeitung ihrer für den Test erforderlichen personenbezogenen Daten zugestimmt und wurden durch die Informationsschreiben der Bundespolizei ausreichend informiert.“ Der Bürgerrechtsverein sieht das anders. „Fakt ist: Teilnehmende wurden informiert, dass sie einen RFID-Chip ,in der Größe von einer Kreditkarte‘ bei sich tragen müssen“, sagt padeluun von Digitalcourage. „Nicht zugestimmt haben sie einem Gerät, das über 20 Meter dauerhaft sendet, von Handys ausgelesen werden kann, das weitere Daten wie Temperatur, Neigung, Beschleunigung speichern und an die Bundespolizei weiter geben kann – oder könnte.“

Dabei spiele es keine Rolle, ob die theoretisch verfügbaren Optionen des Transponders deaktiviert wären oder nicht. Denn ohne korrekt und umfänglich unterrichtet worden zu sein, könnten die Freiwilligen nicht das Risiko einschätzen, das sie eingehen, wenn sie an dem Pilotprojekt teilnehmen. Dabei will der Verein der Bundespolizei keine vorsätzliche Täuschung oder böse Absicht unterstellen. Die RFID-Chips haben sich mit ihrer begrenzten Reichweite von rund 50 Zentimetern wohl in der Praxis als untauglich erwiesen und die Verantwortlichen hatten sich daher kurzfristig für die nun genutzten Bluetooth-Transponder entschieden.

„Wir nehmen an, dass es ,Verpeilung‘ ist. Das ist aber auch ein Hinweis darauf, dass das gesamte Projekt ,mit heißer Nadel gestrickt‘ ist und keinen wirklichen Aussagewert hat“, mutmaßt Netzaktivist padeluun. „Ich denke, dass bei der Bundespolizei das technische Verständnis fehlt, den Unterschied zwischen einem RFID-Chip und einem iBeacon, also quasi einem ,intelligenten Überwachungslabor‘, erkennen zu können – und nachdem man drauf gekommen ist, überhaupt erkennen zu wollen.“

Die Bürgerrechtler von Digitalcourage fordern nun, den Pilotversuch umgehend einzustellen, über den sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstag Vorort informieren will. „Der Test ist nun illegal“, sagt padeluun. Zumindest bis von den Teilnehmern die Zustimmung zu den tatsächlichen Versuchsbedingungen eingeholt wurden. Wie ein Sprecher der Bundespolizei jedoch gegenüber der Berliner Zeitung erklärte, würde der Testlauf trotz der Kritik fortgesetzt. Ob der Verein nun – wie schon gegen den Staatstrojaner – rechtliche Schritte einleiten wird, sei derzeit noch offen. Man hoffe, „dass alle darauf pochen, dass Recht und Gesetz auch bei der Polizei und dem Innenministerium beachtet werden.“

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