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Im neuen James-Bond-Film rettet ein Hacker die Welt

von Joachim Hentschel
Der 24. James-Bond-Film „Spectre“, der am 5. November startet, ist eine Premiere: Der berühmteste Agent aller Zeiten kommt in der bitteren Datenrealität an. Endlich.

Eines gleich vorweg: Im neuen James-Bond-Film retten die Nerds die Welt. Nicht die Agenten. So viel darf man verraten, ohne leichtsinnig zu spoilern — und zu spoilern gäbe es beim neusten Teil „Spectre“ eine Menge.

Also, ohne zu sehr in die Details zu gehen: Es ist das erste Bond-Abenteuer, in dem zum Schluss eben nicht der Superagent den Fall löst. Sondern: ein Hacker. Mit Keyboardgewalt. Einer, der auf der richtigen Seite steht. Der im kritischen Moment die moralisch beste Entscheidung trifft, gegen seinen Dienstherren.

Während Bond sich irgendwo prügelt, knackt der Brillenträger den Code, wendet die Großkatastrophe ab. Die Frau bekommt der Nerd am Ende zwar nicht, aber wurscht.

Bond kämpt zum ersten Mal gegen seine eigenen Auftraggeber

1962, als der allererste James-Bond-Film in die Kinos kam, galt der Geheimagent ja noch als uneingeschränkter Held der westlichen Welt. Bond war ein Diplomat der prekären Information, schlägerte die Zahlen und Namen aus seinen Gegnern heraus, schmuggelte sich in Jagdgesellschaften oder Firmenzentralen ein, in denen er die Bösen beim Smalltalk belauschen konnte. Was die so vorhatten: alles Gold der Erde klauen, mit russischen Atomsprengköpfen London wegsprengen, Wasserreserven kontrollieren, solche Sachen. Organisierte Kriminalität, aber überschaubar. Heute: langweilig.

Damit ein Film wie „Spectre“ (der insgesamt vierundzwanzigste der Bond-Reihe, der am 5. November in die deutschen Kinos kommt) im Jahr 2015 überhaupt noch andeutungsweise interessant sein kann, muss er vor allem eines: die veränderten Ausgangsbedingungen von Terror und Terrorabwehr spiegeln. Im letzten Bond, „Skyfall“ von 2012, gab es Ansätze dazu — da ging es um Cyber-Security und Datenleaks, um die Enttarnung verdeckter Agenten durch die Bösen. Bond stand hier noch klar auf Seite der Autoritäten. Jetzt, in der Post-Snowden-Welt, kann das nicht mehr sein.

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Kurz die Ausgangssituation in „Spectre“: MI5 und MI6, Inlands- und Auslandsgeheimdienst von Großbritannien, sollen halbseiden fusionieren (ausgerechnet das GCHQ, zentraler Player im PRISM-Programm, wird in der Geschichte nicht erwähnt). Eine gewaltige neue Sicherheitszentrale ist dafür in der Londoner Innenstadt errichtet worden, der designierte Leiter der Behörde ist ein schmieriger Dunkelmann, der noch einen ganz anderen Plan im Ärmel hat: Die Basis der berühmten „Five Eyes“ — die Geheimdienst-Allianz zwischen Großbritannien, USA, Kanada, Neuseeland und Australien — soll auf neun Länder ausgeweitet werden. Ein umfassendes Netzwerk, demokratisch nicht legitimiert, in dem jederzeit der Zugriff auf alle fließenden Informationen möglich ist.

Snowden hat das Genre des Agentenfilms gerettet

Im Film verweigert sich Südafrika dem Beschluss. Kurz darauf passiert in Kapstadt ein schrecklicher Bombenanschlag. Danach, besorgt um die nationale Sicherheit, stimmt Südafrika dem „Nine Eyes“-Programm doch zu. Von den alten Bond-Gangstern war man solche Erpressungstaktiken ja gewohnt. Jetzt steckt die Regierung selbst dahinter.

Deshalb kämpft James Bond in „Spectre“ zum ersten Mal gegen seine eigenen Auftraggeber. Gegen den Geheimdienst. Der ihn, kein Witz, abschaffen und durch eine Drohne ersetzen will. So makaber es klingt, Edward Snowden hat mit seinen Enthüllungen offenbar nicht nur die Wahrhaftigkeit im weltweiten Diskurs über Daten gerettet. Sondern auch gleich noch das Genre des Agentenfilms.

Wem das jetzt zu sehr nach Metaebene klingt: Natürlich fliegen im Film auch wieder Gebäudekomplexe in die Luft, werden Leute gewürgt und gucken dabei gestresst, gehen Hubschrauber kaputt. Die ominöse Verbrecherorganisation, der die britische Regierung zuspielt, versammelt sich wie eine altmodische Freimaurer-Ortsgruppe im römischen Palazzo, und natürlich versteckt sich die weltweit gesuchte Rebellentochter ausgerechnet in einer Privatklinik auf dem schneebedeckten Berggipfel.

Spectre ist ein Märchen, aber ein relevantes

Aber wenn James Bond dann in der Wüste Nordafrikas plötzlich vor der internationalen Schaltzentrale der Datenkraken steht und sie genau so aussieht wie die berühmten GCHQ-Luftbilder: Dann merkt man, wie sehr die Realität der Vernetzung und Ausspähung endlich auch die Welt der erfolgreichsten Agentenfilmreihe aller Zeiten eingeholt hat. „Spectre“ ist ein Märchen, aber ein relevantes. Auch wenn der Start der bösen Superspy-Software am Ende schiefgeht: Man bleibt als Zuschauer nicht erleichtert zurück.

Im Mai 2014 gab Sony Pictures übrigens bekannt, an einer Kinoversion der Snowden-Geschichte zu arbeiten. Produzenten: Michael Wilson und Barbara Broccoli. Die Bond-Macher. Die Bahn zum Gipfeltreffen ist frei. 

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