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Die 90er haben angerufen und wollen ihr South-Park-Game zurück

von Dom Schott
Wo South Park drauf steht, sind Themen wie Rassismus und Sexualität drin. So auch in "South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe". Das Rollenspiel gibt sich leider keine Mühe, zeitgemäß auf gesellschaftspolitische Themen einzugehen. Und so landen die Pointen wie gewohnt fast ausnahmslos irgendwo zwischen Belanglosigkeit und Nihilismus.

Schon seit unglaublichen 21 TV-Staffeln erleben die vier Teenager Cartman, Kyle, Kenny und Stan absurde Abenteuer, die von Themen wie Analsonden, Intimbehaarung, radioaktiv verstrahlten Geschlechtsteilen und Blähungen handeln. Dabei hält die Serie auch gerne der Gesellschaft einen Spiegel vor – aber nur, wenn dieses Spiegelbild eine gute Vorlage für den nächsten Gag liefert. South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe bleibt dieser Tradition der TV-Vorlage treu und steht sicher schon jetzt im Regal der Hardcore-Fans, die auch heute so begeistert über Blähungen und politisch inkorrekte Witzeleien lachen können, als wären sie noch Teenager aus den neunziger Jahren.

Doch können auch Spieler mit South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe Spaß haben, die als Jugendliche noch jeden einzelnen Gag der Serie auswendig aufsagen konnten, irgendwann aber aus dem eigenwilligen Humor herausgewachsen sind? Diese Frage lässt sich gar nicht so einfach beantworten, denn auch die Entwickler des Spiels scheinen sich darüber nicht ganz einig zu sein.

Dabei beginnt eigentlich alles so vielversprechend: Die Freunde Cartman, Kyle, Stan und Kenny haben die Herr der Ringe-Kostüme des Vorgängerspiels abgelegt und sind nun in die Welt der Superhelden gewechselt. Als menschlicher Drache-Mann, Waschbär oder Captain Diabetes suchen die vier und ihre Mitschüler eine entlaufene Katze, landen aber schon bald in Nachtclubs, der kriminellen Unterwelt und reisen schließlich sogar dank gewaltiger Blähungen durch die Zeit. Während dieses absurden Abenteuers erinnert uns die rektakuläre Zerreißprobe ständig daran, dass es immer noch Kinder sind, die hier gerade Superhelden spielen. So müssen die tapferen Recken ihre blutigen Kämpfe auf der Straße hin und wieder unterbrechen, weil ein genervter Autofahrer heranbraust, oder einer unserer Gegner beschwert sich über einen Angriff, der „viel zu doll“ gewesen und deswegen ungültig sei.

In Momenten wie diesen ist South Park ein unheimlich sympathisches, fast niedliches Abenteuerspiel, das trotzdem ein ausgewachsenes und komplexes Rollenspiel-System im Gepäck hat: In den rundenbasierten Kämpfen müssen Spieler klug mit ihren Fähigkeiten taktieren, es gibt dutzende Quests in der ganzen Stadt zu erledigen und ein Charakterbogen lässt mächtige Ausrüstungsgegenstände sammeln oder im Level aufsteigen. Dank der so absurden, unberechenbaren Spielwelt fühlen sich all diese Beschäftigungsmöglichkeiten aber nie nach Arbeit, sondern viel mehr nach einer weiteren Chance an, noch etwas mehr Zeit in dieser berühmten Kleinstadt zu verbringen.

Unangenehm wird es allerdings sobald South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe wirklich witzig sein möchte. Während wir kurz nach Spielbeginn beispielsweise noch damit beschäftigt sind, unsere Superhelden-Persona aufzubauen, werden wir zu einem Gespräch mit unserem Schulpsychologen gebeten. Er fragt nach unserem Geschlecht und wir bekommen als Antwortmöglichkeit erfreulicherweise neben „männlich“ und „weiblich“ auch ein „weder noch“ angeboten. Bei letzterem ruft der sichtlich irritierte Psychologe daraufhin bei den Eltern an, erkundigt sich, ob sie von dieser Geschlechtsentscheidung ihres Kindes wussten und ist im folgenden Gespräch unsicher, ob er den Spielercharakter nun als Mann oder Frau ansprechen soll. Nach dem verlassen des Büros werden wir schließlich auf der Straße von Klischee-Rednecks sofort als Mensch mit non-binärem Geschlecht erkannt und mit Bierflaschen verprügelt.

Diese Szene ist symptomatisch für die Position, die South Park mit seinem politischen Humor einnimmt: Zum einen bietet dieses Spiel einen diversen Charakter-Editor, wie es ihn wohl selten gibt: Möglich ist etwa ein schwarzes, pansexuelles Kind aus Südamerika mit einer Phobie vor Krabben-Menschen zu spielen. Zum anderen ist aber sichergestellt, dass keiner dieser Aspekte ohne Gag davonkommt.

Dieser scheinbare Wunsch, sich bloß nicht zu eindeutig auf irgendeine Seite des politischen Diskurses zu stellen, führt im Spielverlauf immer häufiger zu Szenen, die unkommentiert bleiben, eine Pointe vermissen lassen oder einfach nicht zueinander passen wollen. So erkennt das Spiel beispielsweise die nervtötende Schädlichkeit von Mikro-Aggressionen an und erlaubt einen Extra-Angriff, wenn Gegner einmal zu oft Sprüche wie „Du fettes Kind!“ rufen. Zum anderen warnt der Charakter-Editor davor, dass das Abenteuer deutlich schwerer wird, wenn man als schwarzes Kind spielt und überhäuft den Spieler dann regelmäßig mit rassistischen Kommentaren der Stadtbewohner. Daneben sind Frauenfiguren fernab von Prostituierten und Restaurant-Bedienungen quasi nicht vorhanden. Und katholische Priester setzen natürlich weiterhin alles daran, Kinder zu vergewaltigen – ein 21 Staffeln alter Running Gag.

Treue Fans mögen nun rufen: „Das ist nun mal typisch South Park!“ Und man mag versucht sein, ihnen ohne Zögern zustimmen – aber genau das ist auch das größte Problem von South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe. Die Themen, auf die sich die Entwickler mit ihren Witzen, Fürzen und Augenrollen stürzen, haben sich zwar geändert, doch die Pointen landen in bester Serientradition fast ausnahmslos irgendwo zwischen Belanglosigkeit und Edgelord-Humor. Jene nihilistischen und faschistischen Witze, die sonst eher auf 4chan zu finden sind.

Ja, in dieser Hinsicht ist South Park tatsächlich immer noch South Park: Eine Serie für Menschen, die Blähungen lustig finden und bei Witzen über Randgruppen kichernd nuscheln: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“

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