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So wurden die Robo-Saurier in Horizon: Zero Dawn zum Leben erweckt

von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Dystopische Zukunftsvisionen sind meist düster und melancholisch. Nicht so die offene Welt von Horizon: Zero Dawn. Der holländische Entwickler Guerrilla Games bringt Farbe in sein Science-Fiction-Epos. WIRED hat das Studio in Amsterdam besucht und nachgeforscht, wie das wohl wichtigste PS4-Game des Jahres entstanden ist.

Wuchtig stapft der Brüllrücken durch die Landschaft. Die Schnauze erinnert an einen Nasenbären, der Rücken hingegen an das Hinterteil eines Bombardierkäfers. Und das Biest spuckt Feuer – oder tritt aus wie ein angriffslustiges Känguru. Wer diesem polygonalen Killer-Roboter zum ersten Mal begegnet, denkt unweigerlich: Wie kommt man nur auf so etwas?

Genau das wollten wir wissen und haben den im Zentrum von Amsterdam ansässigen Spieleentwickler Guerrilla Games besucht. Das im Jahr 2000 gegründete Studio hat etwa die finstere Shooter-Serie Killzone erschaffen und sich zumindest in Bezug auf die Präsentation seiner Games einen Ruf als Innovator erarbeitet. Die Werke von Guerrilla zeigten bisher immer verlässlich, was die jeweils aktuellste Hardware-Generation leisten kann.

Doch mit Horizon: Zero Dawn wollte man auf der PlayStation 4 und der noch jungen PS4 Pro die technische und spielerische Messlatte noch ein ganzes Stück höher legen. Fast sechs Jahre lang hat ein Team von über 200 Mitarbeitern an dem Action-Rollenspiel gefeilt – und der Aufwand hat sich gelohnt.

Horizon: Zero Dawn spielt in einer fernen Zukunft, in der die menschliche Zivilisation zusammengebrochen ist und sich die wenigen Überlebenden in Stämmen zusammenrotten. „Als ich das Konzept von Horizon sah, fragte ich mich, ob das wirklich ernst gemeint war. Es war so anders. Ich wollte unbedingt daran mitwirken“, erklärt Lead Writer John Gonzalez beim Roundtables mit internationalen Journalisten. An der Wand hinter ihm prangt beinahe staatsmännisch das überdimensionale Logo des Studios. Gonzalez stieß 2013 zu Guerrilla, nachdem er unter anderem an Bethesdas Endzeit-Rollenspiel Fallout: New Vegas mitgearbeitet hatte.

Wenn Gonzalez spricht, spürt man die ungekünstelte Begeisterung, mit der er und seine Kollegen die Geschichte und die faszinierende Open World von Horizon entstehen lassen haben. „Uns ging es nicht um historische Korrektheit“, sagt er er auf mögliche Inspirationen angesprochen. „Beim Design der Architektur haben wir einen anthropologischen Ansatz gewählt: Wovon ernähren sich die Menschen in einer feindlichen Welt? Wie bauen sie ihre Häuser? Wir haben uns von allem beeinflussen lassen, was wir irgendwie cool fanden, beispielsweise von keltischer oder orientalischer Symbolik.“

Über das Warum und Wieso dieser Postapokalypse lässt einen das Spiel zunächst im Dunkeln. Die Hauptfigur von Horizon ist die junge Jägerin Aloy, die als Ausgestoßene aufwächst und im Spielverlauf zur einzigen Hoffnung der Menschheit wird. Der Spieler muss in ihrer Rolle vor allem die Rätsel der Vergangenheit bewältigen. Im Kampf und bei der Erkundung greift die Protagonistin auf den Fokus zurück – eine Art Augmented-Reality-Gerät, mit dem sie Hologramme aufrufen kann, die ihr mehr über ihre Herkunft und die Beschaffenheit der Spielwelt verraten.

Das Sammeln von Wissen ist eines der Kern-Features des Spiels: Man entdeckt die offene Spielwelt und erfährt nach und nach, was dort in der Vergangenheit passiert ist. Auf eine eigene Urzeitsprache wie in Ubisofts Steinzeit-Shooter Far Cry Primal hat Guerrilla allerdings bewusst verzichtet. „Wir haben darüber nachgedacht und wir sind uns bewusst dass sich Kommunikation im Wandel der Zeit verändert“, erklärt Gonzalez die Entscheidung. „Allerdings hätte eine eigene Fantasiesprache der Zugänglichkeit geschadet – speziell zu Aloy als Protagonistin.“

Neben dem Erforschen und Erleben der Sci-Fi-Welt steht in Horizon: Zero Dawn der nackte, archaische Kampf ums Überleben im Vordergrund: In dem – je nach eigener Spielweise – 30 bis 40 Stunden langen Abenteuer nimmt es die rothaarige Heldin mithilfe von Waffen wie Bogen, Speer oder Schleuder mit teils gewaltigen mechanischen Kreaturen auf. „Wir haben viel Zeit und Mühe in die Erschaffung der über 20 Hightech-Tiere investiert“, sagt Miguel Angel Martinez, der für die Konzepte einiger Robo-Saurier verantwortlich war. Sein Werdegang klingt ungewöhnlich, denn er arbeitete als Telekommunikationsingenieur, bevor er 2004 zu Guerrilla kam.

Martinez' technische Herangehensweise zeigt sich auch am Aussehen seines Arbeitsplatzes: Tummeln sich bei vielen anderen Guerrilla-Angestellten bunte Figuren aus Comics, Filmen und Games auf den Schreibtischen, wirkt sein Schreibtisch geradezu militärisch aufgeräumt. Martinez spricht mit leiser Stimme, doch hinter der ruhigen Fassade stecken ein wacher Geist und viel Sachverstand. Beim Studiobesuch in Amsterdam präsentiert er uns die Polygon-Modelle des Brüllrücken und dreht die Kamera dabei immer wieder um die Stahlkonstruktion herum.

„Bei Horizon war es stets das Ziel, dass die Maschinen nicht nur hübsch aussehen, sondern auch theoretisch funktionieren könnten“, sagt Martinez. Im Fall des Brüllrückens trägt das Monstrum etwa einen Kanister mit entflammbarer Flüssigkeit auf dem Rücken, Leitungen sind klar erkennbar – Guerrilla vermischt in Horizon natürliche Motive mit Cyberpunk und wilder Technik. Der Entwicklungsprozess war dabei fließend: Sobald das Grundkonzept einer Kreatur stand, konnten andere Teammitglieder darauf zugreifen, zum Beispiel Grafiker und Animationskünstler. Diese stellten dann fest, ob das Konstrukt überhaupt Sinn ergibt und nicht etwa Gelenke, Zierplatten oder andere Objekte in der Bewegung aneinanderstoßen, was im fertigen Spiel wie ein Bug ausgesehen hätte.

Videospiele würden immer realistischer, sagt Martinez, einstmals durch technische Limitierungen erforderliche und erlaubte Freiheiten und Notlösungen dürfe man sich heute als Entwickler nicht mehr leisten. „Es ist inzwischen fast so, als würden wir die Realität simulieren. Alle Teile müssen zusammen funktionieren. Dieser Ansatz fordert uns alle und wir benötigen immer besser ausgebildetes Personal“, so der Concept Artist. In seiner Arbeit verbindet er die technische Ausbildung als Ingenieur mit der kreativen Tätigkeit eines Konzeptkünstlers.

Manchmal liegen Realität und Fiktion also gar nicht so weit auseinander. Gerade bei Videospielen fließen die Grenzen zunehmend ineinander – und Horizon: Zero Dawn zeigt eindrucksvoll, wie weit das Medium schon ist. Grafisch gehört das Spiel zweifellos zum Besten, was es bislang auf der PS4 zu sehen gab, Landschaften, Animationen, Licht- und Wettereffekte und allen voran die Maschinen sind atemberaubend anzusehen. Wer Horizon auf der PS4 Pro und einem Ultra-HD-Display spielt, genießt zudem die per Checkerboard-Verfahren hochgerechnete 4K-Optik, die wirklich beeindruckt.

Aber ist Horizon: Zero Dawn wirklich das perfekte Videospiel, wie die fast durchweg euphorischen Rezensionen der Fachpresse vermuten lassen? Nicht ganz: Die Künstliche Intelligenz der Gegner könnte bisweilen besser sein, die Story zündet arg spät, und Guerrilla hat sich offensichtlich einiges bei artverwandten Games wie Far Cry Primal (offene Welt, Jagdsystem, Crafting), Tomb Raider (Heldin mit Pfeil und Bogen), Assassin's Creed (Kletterfähigkeiten) und Metal Gear Solid (Robo-Dinos) abgeschaut. Trotzdem macht das Open-World-Epos sehr viel Spaß – nicht zuletzt aufgrund der faszinierenden Maschinenwesen. Sie sind der Star des Spiels und dürften einen großen Teil dazu beitragen, falls Horizon langfristig zu einer der wichtigsten PlayStation-Marken heranwachsen sollte.

Für John Gonzalez ist das PS4-Projekt aber auch jenseits aller kommerziellen Erfolgsaussichten schon jetzt ein wahrgewordener Traum. „Das Konzept von Horizon hatte drei Elemente, die ich zusammenbringen wollte: Diese wunderschöne Welt, die Stämme und die Maschinen“, sagt der Story-Schreiber. „Das hat mich von Beginn an fasziniert. Es war ein großer Haufen Arbeit, aber auch sehr viel Spaß.“

Horizon: Zero Dawn ist ab sofort für PlayStation 4 erhältlich.

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