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So trainieren die Cyborg-Athleten für ihr eigenes Olympia

von Anna Schughart
Während in Rio die Athleten um Medaillen kämpfen, bereiten sich die Teilnehmer des Cybathlons noch auf ihre Wettkämpfe vor. Im Oktober werden dabei Sportler und Sportlerinnen mit Behinderung gegeneinander antreten. Doch im Gegensatz zu Olympia sind die neusten technischen Hilfsmittel hier ausdrücklich erwünscht.

Mit dem blauen Kegel hat Claudia Breidbach noch ihre Probleme. Sie bekommt ihn mit ihrer kleinen Hand einfach nicht richtig zu fassen. Immer wieder versucht sie es, unermüdlich, immerhin wartet die erste Aufgabe des Armprothesen-Parcours auf sie. Athleten müssen dabei verschiedene Objekte hochheben und versetzen. Der blaue Kegel, er ist Teil der Vorbereitung Breidbachs. Um ihre Schwachstellen zu trainieren, ergreift sie ihn unzählige Male mit ihrem bionischen Arm. Stets ihr Ziel vor Augen: den Sieg beim Cybathlon.

Beim Wettkampf, der am 8. Oktober in der Schweiz stattfindet, kämpfen Athleten mit Behinderung – Piloten und Pilotinnen nennt man sie hier – in sechs verschiedenen Disziplinen um den Sieg. Für alle Wettkämpfe sollen die neusten technischen Hilfsmittel genutzt werden. Bei einem Parcours mit Beinprothesen müssen die Athleten Hindernisse wie Steigungen oder Hürden in möglichst kurzer Zeit bewältigen. Und in einem virtuellen Rennen bringen die Piloten selbst keinen körperlichen Einsatz mehr, sondern leiten per Gedankensteuerung einen Avatar durch ein Computerspiel. 

Breidbach tritt wie gesagt beim Armprothesenparcours an – dabei müssen Athleten mit einem bionischen Arm Geschicklichkeitsübungen vollbringen. Die 45-Järhrige wurde ohne linken Unterarm geboren. Seit 2010 nutzt sie die i-limb-Prothese von Touch Bionics. Beim Cybathlon geht es darum, zu zeigen, was solche bionischen Hilfmittel heute schon können: „Ich zeige gerne anderen Menschen, wie wir mit unseren Hilfsmitteln arbeiten, was wir damit leisten und auch welche neuen Innovationen es gibt“, sagt Breidbach.  

Sie kann ihren i-limb quantum auf ganz unterschiedliche Arten steuern. Die Elektroden an ihrem Unterarm reagieren auf Muskelkontraktionen in ihrem Armstumpf. Muskel anspannen heißt dann zum Beispiel: Hand öffnen oder schließen. Der künstliche Arm lässt sich aber auch über Gesten steuern. Diese Innovation macht die Benutzung besonders einfach für Anfänger, aber auch Menschen, die Probleme mit ihren Muskeln haben. „Im Cybathlon werde ich wahrscheinlich mit der Gestensteuerung arbeiten, weil sie so einfach ist“, sagt Breidbach. So reicht etwa eine simple Bewegung nach vorne, um einen bestimmten Griff auszulösen. Ein kleiner Motor im Gelenk dreht dann die Hand in die richtige Richtung. Zudem gibt es eine App, mit der man selbst Bewegungen programmieren kann. 

Früher nutzte Breidbach eine statische Silikonprothese, bei der die Hand nicht zugreifen konnte. Die meisten Aufgaben erledigte sie mit ihrer gesunden Hand. Doch im Lauf der Zeit litt ihre rechte Hand unter der Überarbeitung. Als Breidbach dann schließlich das erste mal einen bionischen Arm ausprobierte, war ihr klar: „Das ist meine Hand. Ich fand es so faszinierend, dass sich die Finger einzeln bewegen konnte. Das sieht so natürlich aus.“ Trotzdem musste die Sportlerin erst lernen, die neue, linke Hand zu steuern – schließlich hatte sie bisher keine. „Ich wusste zuerst gar nicht, wie man mit zwei Händen greift“, sagt sie.

Das beste Training für den Cybathlon ist daher der ganz normale Alltag. Im Parcours müssen die Athleten und Athletinnen unter anderem Wäsche aufhängen, den Frühstückstisch decken und eine Glühbirne in die Fassung drehen. Keine große Sache könnte man meinen – besonders für eine Frau wie Breidbach, die in ihrer Freizeit Fallschirm springt. Doch obwohl sie sich aus Flugzeugen stürzt und mit ihren Teamkollegen Formation springt, kann der Alltag trotzdem eine riesige Herausforderung sein. Ende September hat sie sich deshalb Zeit genommen, um für den Wettbewerb zu trainieren.

Stefan Lösler ist bereits im Trainingslager. Dort trainiert der 31-Jährige allerdings nicht für den Cybathlon, sondern für die Paralympics 2016 in Rio. Lösler geht im Triathlon an den Start. 

Cybathlon und Paralympics sind nicht dasselbe: „Bei den Paralympics steht der sportliche Aspekt im Vordergrund. Der Cybathlon hat viel mehr mit dem Alltag zu tun und mit den technischen Innovationen, die den Alltag verbessern sollen“, sagt Lösler, der im Beinprothesen-Parcours antreten wird. Dort muss er unter anderem von einem Sofa aufstehen oder einen Teller mit Äpfeln über eine Treppe balancieren. Dinge, für die ihn der Alltag trainiert. 

Unter Zeitdruck und im Wettbewerb einen Geschicklichkeitsparcours zu absolvieren, das reizte Lösler. Deshalb sagte er bereits vor knapp zwei Jahren seine Teilnahme am Cybathlon zu. Damals arbeitete Lösler als Tester für die Genium-X3-Prothese von Otto Bock, mit der er im Oktober beim Cybathlon antritt.

„Das Genium X3 ist ein Serienprodukt auf dem allerneusten Stand der Technik“, sagt Lösler. Das einachsige Kniegelenk mit Hydraulik wird über einen Mikroprozessor gesteuert. Einer der Sensoren misst dabei die Kraftverteilung auf dem Fuß und versteht, was Lösler gerade machen möchte – ob Treppensteigen, Laufen oder Rennen. Mit dem Smartphone kann Lösler auch verschiedene Modi aktivieren, die Prothese zum Beispiel feststellen, wenn er Liegestützen machen möchte. 

Auf den Cybathlon wird Lösler sich nicht besonders vorbereiten: „Ich war von Anfang an sehr ehrgeizig, was den Einsatz meiner Prothese angeht, und habe so schon viel geübt“, sagt Lösler, der 2010 sein linkes Bein ab dem Knie bei einem Unfall verloren hat. Doch auch wenn er sich natürlich zur Zeit auf die Paralympics konzentriert, ist der Cybathlon trotzdem ein ernstzunehmender Wettkampf für ihn: „Wenn ich dahin gehe, dann will ich auch gewinnen.“

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