Die Nationalflagge von Neuseeland wäre ein perfektes Thema für den „Big Bang Theory”-Protagonisten Sheldon Cooper und seine fiktive YouTube-Sendung „Fun with Flags“. Denn irgendwie scheint die Fahne mit dem Union Jack und dem Stern des Südens schon immer für Probleme oder zumindest für Diskussionsstoff gesorgt zu haben — sogar schon bevor es sie überhaupt gab.
1830 beschlagnahmen australische Zollbeamte ein neuseeländisches Schiff im Hafen von Sydney. Denn laut damals geltendem britischem Schiffsrecht muss jedes Schiff eine offizielle Bescheinigung über Bauort, Besitzer und Nationalität mit sich führen. Für Neuseeland ist das ein Problem: Da es noch keine Kolonie des Vereinigten Königreichs ist, dürfen Kiwi-Schiffe nicht unter britischer Flagge segeln. Und ohne Flagge, die einen Herkunftsort genau definiert, können Schiffe aus Neuseeland immer wieder beschlagnahmt werden.
Am 25. März 1834 wählen 25 Maori-Anführer, zahlreiche Missionare, Siedler und Kommandeure deswegen eine Fahne für Neuseeland, die später als die „Flagge der Vereignigten Stämme Neuseelands” bekannt werden soll.
Doch gerade mal sechs Jahre später, als der Vertrag von Waitangi unterzeichnet wird, die erste Verfassung Neuseelands, löst der Union Jack die „Flagge der Vereinigten Stämme Neuseelands“ teilweise gewaltsam ab. Aufgrund des Naval Defence Acts segeln neuseeländsche Schiffe ab 1865 unter dem sogenannten Blue Ensign, einer blauen Flagge mit dem Union Jack und einem für das Land selbst charakteristischen Emblem — doch genau das fehlt den Neuseeländern.
Letztlich entscheidet sich die Regierung für das Design, das die Nationalflagge heute noch trägt: den Union Jack mit dem Stern des Südens. Erst knapp 40 Jahre später, im Jahr 1901, werden alle Unstimmigkeiten beseitigt und die Flagge offiziell als Neuseelands Nationalfahne zugelassen. 1998 folgt dann ein moderner Vorstoß für einen Flaggenwechsel von der damaligen Kultusministerin Marie Hasler, Premierministerin Jenny Shipley und dem Tourismusverband.
Und seit 2014 ist es Premieminister John Key, der dringend eine neue Nationalflagge für Neuseeland einführen möchte: „Unsere Flagge wird vom Union Jack dominiert, obwohl wir längst nicht mehr vom Vereinigten Königreich beherrscht werden“, sagt er. In einer offiziellen Pressemitteilung erläutert Key außerdem: „Wir sollten von einer Flagge repräsentiert werden, die das widerspiegelt was wir sind: eine freie, unabhängige und moderne Nation.”
Insgesamt 10.292 Entwürfe gehen bei der neuseeländsichen Flaggenkommission ein, die jetzt 40 Vorfinalisten veröffentlicht hat. Aus ihnen wird die zuständige Kommission wiederum vier auswählen. Diese werden dann im Herbst 2015 den Neuseeländern präsentiert. In einem Referendum sollen die Bürger einen Favoriten bestimmen. Platz eins tritt im März 2016 gegen die aktuelle Flagge an. Erst in dieser Abstimmung entscheiden die Bürger dann tatsächlich über ihre Nationalflagge.
Der Fahnenspaß kostet etwa 26 Millionen Neuseeland-Dollar, umgerechnet rund 17 Millionen Euro. Das finden viele Kiwis nicht so toll, zumindest spiegelt sich das in den Zahlen einer Umfrage von Mai 2015 wieder: Während im vergangenen Jahr noch 40 Prozent der Neuseeländer Johny Key und sein Vorhaben unterstützt haben sind es 2015 nur 25 Prozent. 70 Prozent der Kiws sind gegen einen Flaggenwechsel.
Dean Knight, ein Jura-Professor an der Viktoria Universität, glaubt allerdings, dass diese Zahlen noch nicht in Stein gemeißelt sind: „Wenn den Bürgern Neuseelands fertige Entwürfe präsentiert werden, mit denen sie sich auch identifizieren können, könnten sich die Zahlen noch einmal drastisch ändern.“
Das wird sich bald zeigen, ab sofort präsentiert die Flaggenkommission 40 Entwürfe, die hauptsächlich traditionelle Maori-Symbole aufgreifen — etwa das Sternbild der Plejaden, das Koru oder den symbolischen Silberfarn — und diese in ein modernes Design packen.