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Shia LaBeouf kämpft mit Kunst gegen Trump um die Meinungsfreiheit

von Dirk Peitz
Schauspieler Shia LaBeouf protestiert mit der Webcam-Aktion „He Will Not Divide Us“ gegen Donald Trump. Als Teil des Künstlertrios LaBeouf, Rönkkö & Turner lässt er seit der Amtseinführung eine Kamera die Kritik besorgter Bürger übertragen. Das macht LaBeouf selbst zur Zielscheibe und führt zu einem Kampf um die Meinungsfreiheit.

Im New Yorker Filmmuseum in Queens ist derzeit eigentlich eine Retrospektive zum Lebenswerk des legendären Regisseurs Martin Scorsese zu sehen. Doch seit vergangenem Freitag entwickelt sich außerhalb des Museums eine ganz andere Kunstinstallation zum Zuschauermagneten. Die Bilder, die dort entstehen, erinnern verstörenderweise mitunter an die aus Scorseses ruppigen New-York-Filmen „Mean Streets“ und „Taxi Driver“ – nur dass der Hollywoodstar Shia LaBeouf in den aktuellen Bildern die Hauptrolle spielt.

LaBeouf, der durch Rollen in Filmen wie „Transformers“ und Oliver Stones „Wall Street“-Fortsetzung „Geld schläft nicht“ bekannt wurde, ist seit ein paar Jahren nebenbei Teil des Künstlertrios LaBeouf, Rönkkö & Turner. Und das hat jetzt an der Außenwand des Filmmuseums unter der auf den neuen US-Präsidenten gemünzten Aufschrift „He Will Not Divide Us“ eine Webcam mit angeschlossenem Mikrofon angebracht. Seit dem Tag der Amtseinführung Donald Trumps und geplant bis zu dessen Auszug aus dem Weißen Haus in vier Jahren (wenn er denn nicht wiedergewählt wird) können Passanten rund um die Uhr live und online ihren politischen Protest gegen den Präsidenten ausdrücken.

Doch manche Leute nutzen diese Gelegenheit für andere Botschaften, und LaBeouf schreitet dann gerne mal persönlich ein, wie der Livestream der Aktion auf der zugehörigen Website hewillnotdivide.us in den vergangenen Tagen zeigte. In der vergangenen Nacht hat LaBeouf sein aufbrausendes Temperament einen Aufenthalt auf einer New Yorker Polizeiwache eingebracht, bevor er nach kurzer Zeit wieder freigelassen wurde.

Den augenscheinlichen Grund für LaBeoufs Festnahme kann man auf dem inoffiziellen Twitter-Fanaccount besichtigen, der die Kunstaktion begleitet. Bei @HWNDUS ist ein 13-sekündiges Selfie-Video eines Mannes verlinkt, der sich selbst dabei gefilmt hat, wie er sich vor dem Filmmuseum LaBeouf zunächst nähert, ihn mit den Worten „Hey Shia, what’s up?“ scheinbar harmlos ankumpelt, dann aber laut und deutlich sagt: „Hitler did nothing wrong.“ Woraufhin der Schauspieler den Mann, der in seinem Hoodie wie ein mittelmäßig verkleideter Hipster wirkt, aufgebracht wegschubst. Im Livestream der Kunstaktions-Website ist zu beobachten, wie bereitstehende Polizisten LaBeouf Handschellen anlegen – augenscheinlich aufgrund des Verdachts, er habe einen tätlichen Angriff auf diesen Hipster-Darsteller begangen.

Vor ein paar Tagen hatte dieselbe Webcam schon einmal einen ähnlichen Vorfall mitgefilmt, da hatte LaBeouf es aber dabei belassen, einen jungen Mann verbal zusammenzufalten, der die bei rechtsradikalen White Supremacists beliebte Zahlenbotschaft „1488“ in die Museumskamera geraunt hatte. Die 14 steht für die entsprechende Zahl der Worte in dem rassistischen Slogan „We must secure the existence of our people and a future for white children“, 88 schlicht für „Heil Hitler“. LaBeouf schrie den offenkundigen Neonazi daraufhin weg, indem er dem Mann wieder und wieder „He will not divide us“ ins Ohr brüllte, bis der Troll sich trollte und aus dem Blick der Kamera verschwand. Nicht gerade subtil, LaBeoufs Brüllattacke, aber wirkungsvoll.

Nach diesem ersten spektakuläreren Zusammenstoß am Sonntag berichtete das Online-Magazin Consequence of Sound, dass sich auf Reddit und 4chan bereits Trump-Unterstützer zu Protesten gegen die Protestaktion am Museum of Moving Images verabredet hätten. Stellvertretend scheint Shia LaBeouf zu deren Zielscheibe geworden zu sein, denn mittlerweile ist klar: Der lässt sich leicht und wirkungsvoll provozieren. Und die Webcam dokumentiert eben nicht nur Zustimmung zu der Kunstaktion, sondern auch Ablehnung. Das Netzkunstwerk „He Will Not Divide Us“ überträgt digital ins Internet, was ein analoger Territorialkampf um einen Platz vor einem Museum zu werden droht – und um die Herrschaft über die Bilder und Töne, welche die dort aufgestellte Kamera ins Netz überträgt.

LaBeouf, so könnte man argumentieren, macht sich ja auch gern selbst zur Zielscheibe. Im Namen einer Idee von Kunst, bei der die fiktionale Medienpersona „Shia LaBeouf“ vom realen Menschen Shia LaBeouf authentisch dargestellt wird: Der Star steigt von der Leinwand ins reale Leben, macht das aber als Subjekt einer künstlerischen Intervention in der Öffentlichkeit. Ganz schön meta.

Vor knapp drei Jahren zum Beispiel, bei der ersten Kunstaktion, die LaBeouf gemeinsam mit der Finnin Nastja Säde Rönkkö und dem Briten Luke Turner veranstaltete, empfing LaBeouf tagelang in einer Galerie in Los Angeles Besucher. Die Installation trug den Titel „#IAMSORRY“. Doch ob der Mann, der dort an einem Tisch saß, auch wirklich Shia LaBeouf war, ließ sich nicht ohne weiteres erkennen: Weil der eine Papiertüte über den Kopf gestülpt hatte mit der Aufschrift „I AM NOT FAMOUS ANYMORE“. LaBeouf wollte sich offenkundig dafür entschuldigen, dass er dem Publikum mit den Folgen seines Ruhms womöglich auf die Nerven gegangen sein könnte, Gossip-Geschichten und so weiter – und erklärte sich nun absurderweise selbst für nicht mehr berühmt. (Ein Mitarbeiter des Youtube-Kanals Screen Junkies schaute dann genau nach: Er ging mit versteckter Kamera in die Galerie und zog dem dort Sitzenden die Papiertüte vom Kopf. Es kam tatsächlich Shia LaBeouf zum Vorschein. Der hielt also wirklich selbst den Kopf hin für die Kunst, buchstäblich.)

Die Aktion jetzt am Museum of Moving Images läuft aber nicht nur ein paar Tage wie die in Los Angeles 2014. Sie soll vier Jahre andauern, eine volle Amtszeit Trumps. Sollte Shia LaBeouf vorhaben, die ganze Zeit über vor Ort zu bleiben und bei Bedarf oder auch nur Lust ins Geschehen dort einzuschreiten, könnte er nicht nur seinem Hauptberuf als Schauspieler nicht mehr nachgehen – er würde sich symbolisch zum wahrhaft hartnäckigsten Gegner Donald Trumps aufschwingen, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr, bis 2021. Und er würde angesichts seines Temperaments mindestens gelegentliche weitere Festnahmen riskieren. So viel Opferbereitschaft grenzte entweder an Heldenmut. Oder an Selbstverleugnung.

Das alles im Namen der Kunst. Und im Glauben daran, die Kunst könne wahrhaftig die Wirklichkeit verändern. Solange sie rund um die Uhr überall auf der Welt durchs Netz sichtbar bleibt. Der Kampf um den Platz vorm Museum of Moving Images und um den vor der Kamera dort ist deshalb so symbolisch, weil das Bild den Gegnern von Donald Trump die Möglichkeit gibt zu zeigen: Wir sind da, wir lassen uns nicht vertreiben, egal was der Mann im fernen Weißen Haus tut oder twittert. Das allerdings haben ganz offenkundig auch die Fans von Donald Trump längst begriffen. Sonst würden sie ja nicht so dringend versuchen, die anderen aus dem Bild zu drängen. 

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