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Wie Facebook-COO Sheryl Sandberg ihre Trauer hackte

von Davey Alba
Als Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg ihren Mann verlor, begann sie, ihre Trauer auf ungewöhnliche Weise zu bewältigen. In ihrem neuen Buch Option B schildert sie diese Reise und gibt anderen Ratschläge – die zum Teil mit Vorsicht zu genießen sind.

Nachdem ihr Ehemann plötzlich verstorben war, trauerte Sheryl Sandberg, wie es jeder tun würde. Was sie dann machte, war etwas ungewöhnlicher – und gleichzeitig ganz typisch für die Art und Weise, wie man im  Silicon Valley Probleme löst. Auf der Suche nach Antworten wandte sich die Geschäftsführerin von Facebook zuerst an einen Wirtschaftsprofessor.

Adam Grant ist Unternehmenspsychologe an der Wharton School in Philadelphia und ein Freund von Sandberg. Außerdem ist er jemand, von dem sie wusste, dass er ihre Situation anhand von Daten erklären konnte. Und in der Zeit der Trauer war eine nüchterne Erklärung genau das, was Sandberg brauchte.

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht, dass das Lebensglück meiner Kinder zerstört sein würde, als wir Dave verloren hatten“, sagt Sandberg über den Verlust ihres Ehemanns Dave Goldberg, der zum Zeitpunkt seines Todes CEO von SurveyMonkey war. „Ich habe Adam gefragt: ‚Was soll ich tun? Sag es mir. Was. Soll. Ich. Tun?‘“

Fast schon in Hacker-Manier versuchen die Autoren, schmerzhafte und tragische Erlebnisse in etwas Konstruktives zu verwandeln

Indem er Sandberg dabei half, Antworten zu finden, wurde Grant schließlich zum Ko-Autor ihres neuen Buches Option B. Darin setzen die Facebook-Geschäftsführerin und der Wirtschaftsprofessor sich damit auseinander, wie man sich Schicksalsschlägen stellen und Widerstandsfähigkeit aufbauen kann. Es ist zu gleichen Teilen Memoir, wissenschaftliches Erklärstück und inspirierende Andekdotensammlung über Personen, die mit schwierigen Situationen umgehen mussten. Fast schon in Hacker-Manier versuchen die Autoren, schmerzhafte und tragische Erlebnisse in etwas Konstruktives zu verwandeln.

Grant erzählte Sandberg von einer Langzeitstudie über Kinder, die einen Elternteil verloren hatten, aber trotzdem glückliche Kindheiten verbrachten und zu ausgeglichenen Erwachsenen wurden. „Diese Studie war so hilfreich, weil der Tod eines nahestehenden Menschen auch mit dem Gefühl eines kompletten Kontrollverlusts einhergeht“, sagt Sandberg. „Ich hatte keine Kontrolle über Daves Tod – es ist einfach passiert. Und selbst wenn der Tod nicht so plötzlich kommt, kannst du ihn trotzdem nicht aufhalten.“

Option B beginnt mit jenem schrecklichen Tag, als Sandberg ihren Mann auf dem Boden des Fitnessstudios fand, während sie mit Freunden im Urlaub in Mexiko waren. Kurze Zeit später wurde Dave Goldberg für tot erklärt. Das Buch schließt mit dem Kapitel Wieder lieben und lachen, in dem Sandberg die schmerzhafte und immer noch allzu reale Doppelmoral behandelt, der sich Frauen gegenübersehen, die wieder Dates haben möchten. In diesen persönlichen Schilderungen zeigt sich die Facebook-Geschäftsführerin so verletzlich und offen wie selten zuvor. Noch mehr sogar als bei den Teilen ihrer Geschichte, die sie auf Facebook veröffentlichte – jener Plattform, deren zweiteinflussreichste Führungsperson sie ist.

Ein Facebook-Post ist oft so verdichtet, dass sich die Botschaft schnell gekünstelt anfühlen kann. Sandbergs Buch bietet den Lesern sehr viel mehr – so als würde Joan Didions Das Jahr magischen Denkens auf unternehmerische Fallstudien treffen.

Die Anekdoten über Menschen, die mit Schicksalsschlägen klarkommen mussten, sind fesselnd, aber in einige Fällen auch mit Vorsicht zu genießen. Das „Überwinden“ von Schicksalsschlägen zu betonen führt schnell dazu, die Last allein dem Einzelnen aufzubürden und es impliziert, dass das Scheitern daran mit persönlichem Versagen gleichzusetzen ist. Ich hätte lieber mehr Geschichten gelesen, in denen Menschen wirklich mit gesellschaftlichen Kräften hadern, die sie an den Rand drängen und entmächtigen. Geschichten über die alltägliche Beharrlichkeit im Kampf gegen diese Kräfte, auch wenn sie vergeblich erscheint.

Sandberg erkennt zwar die Rolle von Diskriminierung, Armut, Sexismus und Rassismus als Zusatzfaktoren an. Aber in ihrem Buch fungieren diese mehr als Plot Points denn als systembedingte Realitäten, mit denen Menschen jeden Tag leben müssen. Und sie stehen im schrillen Kontrast zu den sozialen und öknomischen Ressourcen, die Sandberg in ihrem eigenen Überwindungsprozess zur Verfügung hat. Zum Beispiel dann, wenn sie und ihre Kinder als Gäste von Elon Musk beim Start einer SpaceX-Rakete dabei sein dürfen.

Ihre Privilegien treten immer dann in den Hintergrund, wenn Sandberg von der rohen Erfahrung der Trauer spricht

Diese Privilegien treten immer dann in den Hintergrund, wenn Sandberg von der rohen Erfahrung der Trauer spricht, obwohl sie dieser immer noch mit dem für sie charakteristischen Pragmatismus begegnet. An einer Stelle in Option B geht es etwa darum, wie man mit jemandem spricht, der erst kürzlich eine Tragödie erlebt hat. Viel zu oft, schreibt Sandberg, sei es Menschen unangenehm, die schmerzhafte Erfahrung des anderen in einer Unterhaltung zu erwähnen – nicht, weil es ihnen egal sei, sondern weil sie glaubten, dass es dem Gegenüber unangenehm sein könnte. Sandberg selbst hasste es nach eigener Aussage, wenn andere sie so behandelten. Freunde, die fragten wie es ihr geht, hätten damit nicht anerkannt, dass ihr etwas Ungewöhnliches widerfahren war. „Ich wies sie darauf hin, dass wenn sie stattdessen fragen würden, wie es mir heute geht, es zeigen würde, dass ihnen bewusst ist, dass ich jeden Tag aufs neue mit dem Problem umgehen muss.“

Trotz dieses Ratschlags musste ich meinen Mut zusammennehmen, als ich Sandberg am Ende eines Konferenztisches im Facebook-Hauptquartier in Menlo Park gegenübersaß. Die Hände vor sich gefaltet, strahlte sie eine Art übernatürlicher Gelassenheit aus. Schließlich fragte ich: „Wie geht es Ihnen heute?“

„Ich lebe mit mehr Traurigkeit als ich es vor zwei Jahren tat, als Dave noch am Leben war“, sagte Sandberg mit Blick auf den bevorstehenden Todestag ihres Mannes am 1. Mai. „Aber ich bin auch dankbarer“ – ihre Stimme brach kurz – „Ich bin dankbar, dass ich am Leben bin. Ich bin dankbar, dass ich hier sitzen und mit Ihnen reden darf und meine Kinder und ich einen weiteren Tag am Leben sind. Ich messe dem Leben heute sicherlich mehr Bedeutung bei.“

Es ist ein bewegender Moment, den ich jedoch nicht aufrechterhalten kann. Ich stelle eine weitere, einfache Frage: warum ihr Buch Option B heiße. Dabei kenne ich die Antwort eigentlich schon vom Lesen. Sandberg schreibt, sie habe einem Freund erzählt, dass sie traurig war, weil ihr Mann nicht mehr auf das Schulfest ihres Kindes gehen konnte. Der Freund antwortete: „Option A ist nicht mehr verfügbar. Also machen wir verdammt nochmal das Beste aus Option B.“ Der Spruch steht inzwischen auf Postern auf dem gesamten Facebook-Campus.

WIRED.com

Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED.com
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