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Schätzfrage: Hat Donald Trump wirklich das intelligenteste Kabinett?

von Dirk Peitz
Meint der das wirklich ernst? Donald Trump behauptet, er habe das Kabinett mit dem höchsten IQ aller Zeiten um sich versammelt. Allerdings blieb er wie so oft den Nachweis schuldig, ob seine Behauptung auch wirklich stimmt. Also müssen wir Journalisten ihm wieder mal hinterher recherchieren.

Schon mal vom Flynn-Effekt gehört? Im Jahr 1987 beschrieb der neuseeländische Politikwissenschaftler James R. Flynn als Erster eine erfreuliche, aber irgendwie auch seltsame Entwicklung: Die durchschnittliche Punktzahl, die Menschen bei IQ-Tests erzielen, ist im Laufe des 20. Jahrhunderts kontinuierlich gestiegen. Weil unsere Welt zunehmend komplexer geworden ist, scheinen wir uns auch intelligenter in ihr bewegen zu können.

Aber wenn wir so viel klüger geworden sind, warum zerstören wir dann weiter unseren Heimatplaneten? Warum gibt es immer noch, na, zum Beispiel: Nazis? Und wie eigentlich konnte die vermeintlich doch schlauer gewordene US-Wahlbevölkerung dann im vergangenen November Donald Trump zu ihrem Präsidenten wählen? Einen Mann, der bei kaum einem seiner öffentlichen Auftritte bisher einen Satz geradeaus sagen konnte, geschweige denn so was wie einen komplexen Gedanken ausdrücken.

Während eines Mittagessens zu Ehren seiner Ministerriege hat er am Donnerstag immerhin folgende Aussage syntaktisch korrekt formuliert: „We have by far the highest IQ of any Cabinet ever assembled!“ Nun benutzt der ehemalige Immobilienentwickler – womöglich ist er in dem Job auch weiterhin nebenberuflich tätig, man weiß es ja nicht – erwiesenermaßen gern Superlative. Alles, was er anfasst, wird zum Größten, Schönsten, Besten. Etwa der Saal, in dem der Lunch abgehalten wurde. Der befindet sich nämlich im ästhetische wie ethisch hochumstrittenen neuen Trump International Hotel in Washington D.C. – und der Irgendwie-immer-noch-Hausherr sagte über die Innenarchitektur der Herberge gestern: „A total genius must have built this place.“

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Letzteres war vielleicht Selbstironie. Obwohl… nein. Schon am 8. Mai 2013, etwas mehr als zwei Jahre, bevor er seine Kandidatur für den Posten des US-Präsidenten erklärte, schrieb Trump auf Twitter (wo sonst?): „Sorry losers and haters, but my I.Q. is one of the highest -and you all know it! Please don't feel so stupid or insecure,it's not your fault“. Die diversen fehlenden Satz- und Leerzeichen beweisen selbstredend nicht das Gegenteil von Trumps Aussage – er musste sie einfach in 140 Zeichen unterbringen und hatte leider kein einziges mehr übrig.

Man muss also davon ausgehen, dass Donald Trump ernst meint, was er sagt. Doch leider existieren weder über ihn noch seine Minister öffentlich zugängliche Intelligenztestwerte. Es ist schlicht nicht überprüfbar, wie klug oder dumm die führenden Mitglieder dieser neuen Administration sind.

Nun könnte man wenigstens Vergleiche zwischen einzelnen ehemaligen und zukünftigen Ministern ziehen. Stellen wir etwa dem designierten Energieminister Rick Perry seine beiden Vorgänger im Amt gegenüber, die unter Präsident Barack Obama dienten. Steven Chu, US-Energieminister von 2009 bis 2013, war Professor in Berkeley und Stanford, ihm wurde im Jahr 1997 für seine Forschung im Bereich der Laserkühlung von Atomstrahlen der Nobelpreis für Physik verliehen. Sein Nachfolger Ernest Moniz ist zwar kein Nobelpreisträger, war vor seiner Berufung zum US-Energieminister aber immerhin Inhaber des Lehrstuhls für Physik und Ingenieursysteme am MIT.

Die hochgelobten Verfassungsväter könnten echt dumme Männer gewesen sein

Und Rick Perry, der ihn ablösen soll? Der ehemalige Gouverneur von Texas forderte im Jahr 2011 noch die Abschaffung des Ministeriums, das er nun leiten soll – doch fiel Perry damals der Namen ebenjener Behörde nicht ein, als er in einer Fernsehdebatte danach gefragt wurde. Perrys letzte berufliche Tätigkeit war im vergangenen Sommer die als Promikandidat bei der Castingshow Dancing with the Stars. Er wurde Zwölfter.

Einzelvergleiche sind jedoch nicht wissenschaftlich belastbar, sie sind nur anecdotal evidence. Aufgrund des Flynn-Effekts könnte es ja logisch richtig sein, dass das Trump-Kabinett das schlaueste ever ist, einfach weil die Menschen immer intelligenter werden. Was allerdings auch bedeuten würde: Die stets so hochgelobten Verfassungsväter der Vereinigten Staaten von Amerika könnten echt dumme Männer gewesen sein. Hillary Clinton würde diesem Befund womöglich zustimmen, verlor sie doch die Wahl, obwohl sie fast drei Millionen Stimmen mehr als Donald Trump gewonnen hat – doofes Wahlsystem, das da im Jahr 1787 in der United States Constitution festgeschrieben wurde.

Die Psychologen Jakob Pietschnig und Martin Voracek von der Uni Wien bestätigten im Jahr 2015 in einer Metastudie den Flynn-Effekt, also den weltweiten Anstieg der IQ-Werte. Zwischen 1909 und 2013 betrug er demnach 30 Punkte. Allerdings fiel der jährliche IQ-Anstieg in den USA geringer aus als in anderen Ländern, etwa Deutschland: Die Deutschen sind zwischen 1956 und 2008 um jährlich 0,6 IQ-Punkte intelligenter geworden, während es bei den Amerikanern zwischen 1909 und 2006 nur 0,34 Punkten pro Jahr waren. Die Tatsache, dass die zur Verfügung stehenden Untersuchungsergebnisse aus den USA aber knapp fünf Jahrzehnte mehr umfassen als die aus Deutschland, könnte diesen Vergleich natürlich verfälschen. Und die Deutschen hatten nach der Nazi-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg ja auch objektiv viel mehr Gründe, schnell klüger zu werden als die Amerikaner.

Wenn schon Donald Trumps Behauptung, er habe sich das intelligenteste Kabinett aller Zeiten zusammengesucht, nicht eindeutig belegbar ist, so doch ein anderer Superlativ: Es ist gemessen an den Privatvermögen der Minister das reichste US-Kabinett aller Zeiten.

Gemessen am Privatvermögen der Minister ist Trumps Kabinett das reichste aller Zeiten

Allerdings gehen auch hier die Zahlen auseinander: Forbes schätzt das Kabinett auf 4,5 Milliarden Dollar, Business Insider gar auf über zehn Milliarden Dollar. Und weil Donald Trump sich weiter beharrlich weigert, seinen aktuellen Steuerbescheid zu veröffentlichen, gilt es, was den obersten Chef der Truppe angeht, sogar noch eine Dunkelziffer mit einzurechnen. Man weiß nicht mal, ob der Wert der Administration nach oben oder unten korrigiert werden müsste, falls der gelegentliche Bankrotteur Trump seine private Finanzlage offenlegen würde.

Auch einer seiner Ministerkandidaten hatte damit so seine Schwierigkeiten, es geht um geringfügige Überschüsse: Steven Mnuchin, designierter Finanzminister, vergaß vor seiner Anhörung vorm US-Senat am Donnerstag, knapp 100 Millionen Dollar seines Vermögens anzugeben, und musste sich noch schnell korrigieren. Die Begründung für den Lapsus? Laut Mitarbeitern des Finanzausschusses rechtfertigte sich Mnuchin damit, dass er den entsprechenden Fragebogen missverstanden habe, den er vor seinem Auftritt im Parlament ausfüllen musste.

Smarte Ausreden klingen anders. Die Vermögenswerte eines Menschen müssen nicht notwendigerweise mit seinem IQ-Wert korrelieren, Donald Trump ist dafür womöglich ein gutes Beispiel. Er hat einiges von seinem Vater geerbt, objektiv nachgewiesen ist aber bislang nur: ziemlich viel Geld. Die Ergebnisse seines IQ-Tests hat Trump bislang allerdings ebenso wenig veröffentlicht wie seine Steuerbescheide.

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