Am Dienstag hat der Wissenschaftler Ethan Zuckerman vom MIT in Boston die eröffnende Keynote auf der re:publica 2015 mit der These: „Das System ist kaputt – und das ist eine gute Nachricht“ gehalten. Er beginnt seine Ausführungen mit der scheinbaren Politikverdrossenheit dieser Generation. In seiner Heimat, den USA, sei die Wahlbeteiligung auf einem historischen Tief. „Die gute Nachricht daran ist, dass wir nicht alleine sind“, scherzt Zuckerman. Denn auch in vielen Ländern Europas sinke die Wahlbeteiligung seit Jahren stetig.
Daraus zu schließen, dass die heutige Generation bloß faul an ihren Smartphones rumhängt, hält Zuckerman für falsch. Es gebe immer noch Protestbewegungen. Als Beispiele dafür nennt er die landesweiten Proteste in Spanien, am 15. Mai 2011, und die Occupy-Bewegung mit ihrem Ursprung an der New Yorker Wall Street. Diese wurden weitestgehend online organisiert. Über soziale Netzwerke sei es einfacher denn je, große Menschenmengen zu erreichen und zu mobilisieren. Politisch bewegt hätten diese Proteste aber vergleichsweise wenig. Laut Zuckerman sind sie zwar größer geworden, aber gleichzeitig schwächer denn je. Es müsse also andere Wege geben, etwas zu verändern.
Hierfür kehrt Zuckerman seine Erkenntnis, dass wir in einem „Zeitalter des Misstrauens“ leben ins Positive. Das Misstrauen könne der Treibstoff sein, die Welt zu verändern. Hier nennt Zuckerman das Konzept der „Monitorial Citizenship“. Der kontrollierende Bürger. In São Paulo testet das MIT Center for Civic Media derzeit so einen Ansatz: Einen „Promise Tracker“, der es Bürgern ermöglicht, nachzuverfolgen, inwiefern gewählte Politiker ihre Wahlversprechen einhalten.
Insofern solle das vorhandene Misstrauen nicht zu Aufgabe und Stagnation führen, sondern Treibstoff sein und Menschen zusammenbringen. Dann, und so versöhnlich endet Zuckerman seine Keynote, könne das Internet die Welt doch schöner machen, als bisher.